Julius Bär Deutschland verdreifacht den Nettogewinn
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Julius Bär hat sich als profitabel arbeitender Private-Banking-Anbieter am deutschen Markt etabliert. Wie Heiko Schlag, Vorstandsvorsitzender der Bank Julius Bär Deutschland AG, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung exklusiv berichtet, dürfte das Institut im ablaufenden Jahr seinen bundesweit erzielten Nettogewinn nach HGB auf über 20 Mill. Euro rund verdreifachen. Geplant war ein Anstieg um die Hälfte. Im vergangenen Jahr hatte sich das Nachsteuerergebnis von 4 Mill. Euro auf 7 Mill. Euro erhöht nach gut 9 Mill. Euro Verlust im Jahr 2018, wie aus dem jüngsten Geschäftsbericht der Bank in Deutschland hervorgeht.
Für das schweizerische Institut zahlt sich damit ein langer Atem im Deutschland-Geschäft aus, ähnlich wie für den breiter positionierten Konkurrenten UBS Europe, der nach langer Durststrecke im Deutschland-Geschäft dank eines florierenden Assetmanagements im vergangenen Jahr in die Gewinnzone vorgestoßen ist. Für die UBS führte der Weg in die Profitabilität bundesweit über eine rabiate Reduktion des Filialnetzes – von einst 14 Standorten sind nur noch sechs übrig. Längst hat Julius Bär die Großbank in der analogen Präsenz überflügelt.
Mietvertrag bis 2032
Nachdem die vermögensverwaltende Bank in den vergangenen Jahren weitere Filialen in Hannover und Berlin eröffnet hat, kommt sie auf zehn Zweigstellen im Bundesgebiet. Solche Beharrlichkeit im langfristig ausgerichteten Private-Banking-Geschäft legt nicht jeder ausländische Anbieter an den Tag. So hat Credit Suisse ihre lokalen Private-Banking-Aktivitäten vor Jahren an die Bethmann Bank veräußert, trägt sich inzwischen indes mit dem Gedanken, im als zwar umkämpft, aber grundsätzlich attraktiv geltenden deutschen Markt wieder stärker aufzutreten. Julius Bär hat in jedem Fall vor, hierzulande Flagge zu zeigen. Im Jahresverlauf verlängerte das Institut seinen Mietvertrag im Sitz an der „Frankfurter Welle“ bis 2032.
Die Umstände und Auswirkungen einer Untersuchung über Geldwäsche- und Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Weltfußballverband, welche die Gruppe im Mai im Zuge eines Vergleichs mit Zahlung von rund 80 Mill. Dollar in den USA beilegte, will Schlag nicht kommentieren. Die von ihm für 2021 genannten Eckdaten lassen indes kaum darauf schließen, dass sie das Geschäft beeinträchtigt hätten.
Märkte geben Rückenwind
Nachdem die Erträge 2020 von 80 Mill. Euro auf 93 Mill. Euro angeschwollen sind, sollten im ablaufenden Jahr Schlag zufolge 30% hinzukommen. Da die meisten Kunden das Angebot von Julius Bär mit einer Einmal-Provision abgelten und nur ein Zehntel nach der Frequenz ihrer Transaktionen gestaffelte Beträge zahlen, sind 90% der Erträge wiederkehrend und für das Haus entsprechend leicht berechenbar.
Nun geben die Kapitalmärkte in Zeiten von Liquiditätsschwemme und Niedrigzins der Branche ungeachtet der Pandemie Rückenwind. Entsprechend leise tritt Schlag auf: „Es ist mir fast schon unangenehm, in der Pandemie darüber zu sprechen, denn man kommt doch schnell in ein Krisengewinnlerszenario“, sagt er. „Offenbar aber passt unser Geschäftsmodell als fokussierter Wealth-Management-Anbieter sehr gut zu den momentanen Trends.“
Gewinn-Pool weitet sich aus
Die Nettomittelzuflüsse im Jahr 2020 beziffert der Manager, der 2011 von der HypoVereinsbank zu Julius Bär gestoßen war, um deren Deutschland-Geschäft nach vorn zu bringen, auf rund 1,5 Mrd. Euro. Im laufenden Jahr dürfte es auf ein ähnliches Nettoneuvolumen hinauslaufen, wie er berichtet. Alle Standorte seien profitabel. Das Volumen der verwalteten Mittel veranschlagt er auf einen zweistelligen Milliardenbetrag, ohne konkreter zu werden. Die Berater von McKinsey hatten es 2018 auf 9 Mrd. geschätzt.
Die Bruttomarge im ablaufenden Jahr gibt Schlag mit rund 90 Basispunkten an. Seit Jahren liege dieser Wert zwischen 80 und 90. „Wir haben uns dem Trend der Margenerosion entziehen können“, sagt er.
Es soll Wettbewerber geben, die von solchen Spannen nur träumen können. Das branchenweite Niveau der Bruttomarge schätzt McKinsey auf 68 Basispunkte im vergangenen Jahr. Andernorts werden dem Vernehmen nach mitunter aber auch deutlich weniger ertragsstarke Mittel etwa aus dem Assetmanagement, der Verwahrung oder gleich Geld der Eigentümer ins Volumen eingerechnet, um dieses größer erscheinen zu lassen.
Die Klage über Margendruck ist jedenfalls sektorweit omnipräsent, da das niedrige Zinsniveau und ein starker Wettbewerb die Spanne zusehends verengt haben. Zwar hat der Gewinn-Pool im deutschen Private-Banking-Markt in den beiden zurückliegenden Jahren angezogen, gleichwohl liegt er noch immer um 45% unter seinem Wert zu Beginn der Finanzkrise.
Den Ausblick für Julius Bär, die sich als reiner Wealth Manager mit weltweitem Research-Angebot versteht, beurteilt Schlag zuversichtlich. So verweist er darauf, dass die Zahl der Aktionäre in Deutschland mit zuletzt geschätzt 12,4 Millionen endlich wieder das Niveau der Jahre 2000 und 2001 erreicht habe. Damit ist rund jeder sechste Bundesbürger Aktionär; 2010 waren es gerade noch acht Millionen gewesen. „Die Börse wird jünger“, erklärt er zudem mit Blick auf einen wachsenden Anteil von unter 30-Jährigen.
Zugleich habe in den Reihen der Kunden der sogenannte Home Bias, also ein Fokus auf heimische Aktien, nachgelassen. „Heute dominiert eindeutig die Nachfrage nach globalen Aktienlösungen“, sagt Schlag. 70% der Kunden in Deutschland haben nach seinen Angaben einen unternehmerischen Hintergrund, meist als deutscher Mittelständler. Hinzu kommen Freiberufler, Stiftungen, Family Offices, vermögende Privatkunden, aber auch kirchliche Institutionen.
„Allen Kundengruppen ist zu eigen, dass sie die Aktienquote ausgeweitet haben. Offenbar ist dies etwas, das man uns als spezialisiertem Anbieter eher zutraut“, sagt der Manager. „Im Negativzinsregime wollen gerade aufgeklärte Kunden potenziell mehr Kapitalmarktrisiko eingehen, um eine positive Rendite zu bekommen.“
Seiner Darstellung zufolge kommt der Bank zugute, dass sie sich infolge der Finanzrichtlinie Mifid II vor Jahren nicht wie manch anderes Haus aus der Wertpapierberatung zurückgezogen, sondern den Regulierungsaufwand auf sich genommen hat, auch wenn dies bei Julius Bär Deutschland mit einem einstelligen Millionen-Einmalbetrag zu Buche schlug sowie alljährlich Folgeinvestitionen nach sich zieht. Zugleich stiegen die Markteintrittshürden.
Mit Blick auf die ESG-Regulierung prognostiziert Schlag einen ähnlichen Effekt. „ESG ist ein ähnlicher Meilenstein wie die Mifid-II-Regulierung. Und es kann für Anbieter lukrativ sein, den Normen gerecht zu werden.“ Wer 2022 nachhaltige Produkte anbiete, die gemäß Artikel 9 der Offenlegungsverordnung eine konkrete Wirkung vorsehen, habe einen Wettbewerbsvorteil. „Julius Bär arbeitet daran, mit Blick auf ESG-Produkte maximal lieferfähig zu sein.“ Wie viel die Bank sich die Vorarbeiten kosten lässt, beziffert Schlag nicht konkret: „Wir investieren da Millionenbeträge, ohne Frage.“
Fast 700 Neukunden
Neben ESG-konformen Anlagen, die vor allem junge Kunden einfordern, ist Schlag zufolge der Übergang von Unternehmen derzeit ein großes Thema. Julius Bär unterstütze diesen Prozess mit Juristen, Wirtschaftsprüfern und Steuerexperten. Fehlten Nachkommen, gehe es auch um die Gründung von Stiftungen. Wie Wettbewerber reicht auch Bär Kredite an Kunden aus. Der Anteil solcher Forderungen am Depotvolumen betrage weniger als 5%. Noch nie habe die Bank aus diesen Geschäften einen Euro abschreiben müssen.
Zugleich zeigt er sich erleichtert darüber, dass Julis Bär nicht wie breiter aufgestellte Private-Banking-Anbieter Firmenkredite ausreicht: „Aufgeklärte Kunden wollen ihr Geld nicht unbedingt Adressen geben, die aufgrund ihrer Firmenkundenaktivitäten in einer Krise potenziell nicht mehr so sicher sein könnten.“ In Deutschland gewinnt die Bank seinen Angaben zufolge pro Jahr um die 600 Neukunden. 2020 seien es fast 700 gewesen, 2021 werde dies wohl erneut der Fall sein.