"Kabinett der Absurditäten"

Freie Sparkassen fordern stärker differenzierte Bankenregulierung und beklagen europäische Willkür

"Kabinett der Absurditäten"

ski Lübeck – Die privaten europäischen Sparkassen beklagen ein “Kabinett der Absurditäten” in der Bankenregulierung. Der Präsident des Verbandes der Freien Sparkassen, Tim Nesemann, sagte auf der Jahrestagung der Gruppe in Lübeck, durch den Trend zur Vereinheitlichung immer komplexerer, an internationalen Bilanzierungsstandards ausgerichteter Regulierungen würden gerade kleinere und mittelständische Institute überproportional in Anspruch genommen. Hinzu kämen die unmittelbaren wirtschaftlichen Belastungen etwa durch die Einlagensicherungs- und Abwicklungsfonds. Hier wäre es notwendig, viel deutlicher zwischen den unterschiedlichen Risikoprofilen von Geschäftsmodellen zu differenzieren, sollte eine wirksame Bankenregulierung doch zuerst diejenigen Gruppen erfassen und wirtschaftlich belasten, von denen aufgrund ihrer Größe oder Kapitalmarktverflechtung systemische Risiken ausgingen. Umverteilung statt LösungTatsächlich, so Nesemann, geschehe auf europäischer Ebene mit der Bankenunion das Gegenteil. Das Problem der systemischen Risiken werde nicht bereinigt, sondern zum Beispiel durch den europäischen Einlagensicherungsfonds und die Abwicklungstöpfe im Wege der Umverteilung anderen Marktteilnehmern auf die Schultern gelegt. “Ungefragt werden die nicht systemrelevanten Wettbewerber in Anspruch genommen, die gänzlich andere Geschäftsmodelle und Risikoprofile haben.” Nach dieser Logik müssten auch gleichermaßen an stabilen Märkten interessierte Versicherungen, Hedgefonds, Industrieunternehmen, Staaten oder gar Bürger haften. “Letztlich wird doch hier eine europäische Willkür deutlich”, so Nesemann. Weil das Notwendige nicht ohne Weiteres durchzusetzen sei, packe man jene, derer man habhaft wird. Im Ergebnis sollten dezentrale Kreditinstitute wie Sparkassen und Kreditgenossen in einen Fonds einzahlen, aus dem sie selbst mangels Systemrelevanz niemals Zahlungen empfangen könnten. Obendrein sollten sogar Häuser einzahlen, die selbst über eine Institutssicherung verfügen, um Dritte gerade nicht zu belasten.Zu den Absurditäten der Regulierung gehört für den Chef der Sparkasse Bremen auch, dass mit kaum noch zu bewältigenden Datenerhebungen bei den Banken letztlich nur eine Scheinsicherheit geschaffen werde. Man könne heute zwar mit Rechenmodellen die dritte Nachkommastelle einer Risikokennziffer ermitteln, aber das große Ganze, die Säulen der Finanzarchitektur, werde aus den Augen verloren. Ferner würden etwa im Namen des Verbraucherschutzes Regeln eingeführt, die am Ziel vorbeigingen oder sogar kontraproduktiv wirkten, während gleichzeitig ungebremst neue Wettbewerber und Strukturen entstünden, für die sich niemand zuständig fühle: neben Schattenbanken auch Internetplattformen oder praktisch unregulierte Kreditportale. Haspa kritisiert EZBHarald Vogelsang, Chef der Hamburger Sparkasse (Haspa) und Vizevorsitzender im Verband der Freien Sparkassen, kritisierte, dass auch bei der derzeitigen Bilanzprüfung und beim Stresstest der EZB der Grundsatz der Proportionalität nicht eingehalten werde. So müsse die lokal tätige Haspa die gleichen Datenblätter ausfüllen wie beispielsweise der Global Player Deutsche Bank.