Kampf gegen Geldwäsche rückt auf der Agenda nach oben

Häufung und Ausmaß der Fälle nehmen zu - Operationelle Risiken stehen im Zentrum der Debatte - Sorge um Deutsche Bank

Kampf gegen Geldwäsche rückt auf der Agenda nach oben

Von Tobias Fischer, FrankfurtDas Jahr 2018 markiert angesichts einer Fülle von Geldwäsche-Affären die Rückkehr der operationellen Risiken im Finanzsektor. Die waren nach der weitgehenden Aufarbeitung der Finanzkrise in den Hintergrund getreten. Zwar ist es nicht so, dass Geldwäsche zuvor im Finanzsektor kein Thema gewesen wäre. Schließlich hatten sich, um nur einige zu nennen, folgende Institute in der Vergangenheit unrühmlich hervorgetan: die HSBC 2012 mit einer 1,9-Mrd.-Dollar-Strafe in den USA wegen Verwicklungen in Geschäfte der mexikanischen Drogenmafia, die Deutsche Bank 2017 mit einer Zahlung von 630 Mill. Euro wegen der Reinwaschung von 10 Mrd. Dollar aus russischen Quellen sowie die Commerzbank 2015 angesichts von Sanktionsverstößen und Mängeln bei der Verhinderung von Geldwäsche, was sie 1,2 Mrd. Euro kostete.Bemerkenswert ist jedoch die Vielzahl der Geldwäschevorfälle in diesem Jahr in Deutschland, Dänemark, Estland, Lettland, Malta, den Niederlanden und der Schweiz (s. unten stehenden Artikel) sowie die Ausmaße, die der Skandal um die estnische Niederlassung des dänischen Branchenprimus Danske Bank angenommen hat. Es handele sich um einen Sonderfall, der alles bislang Dagewesene in den Schatten stelle, befinden Analysten der Société Générale. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) spricht vom “vermutlich größten Geldwäscheskandal aller Zeiten”, in dessen Strudel mittlerweile auch die Deutsche Bank geraten ist. Die jüngsten Razzien, das Vorgehen der Finanzaufsicht BaFin und Forderungen von US-Senatoren, Ermittlungen gegen die Deutsche Bank anzustrengen, schürten die Angst der Investoren, dass sie ebenfalls zur Beschuldigten im Geldwäscheskandal der Danske Bank wird, sagt LBBW-Investmentanalyst Ingo Frommen. “Ausschließen kann man nicht, dass auch die Deutsche Bank hohe Vergleichszahlungen im Geldwäscheskandal der Danske Bank leisten muss.” Höhere Gewichte Die Dichte an Vorfällen in diesem Jahr deutet generell auf wachsende operationelle Risiken für Banken hin, die in den Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute (CRR) definiert werden als “das Risiko von Verlusten, die durch die Unangemessenheit oder das Versagen von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder durch externe Ereignisse verursacht werden, einschließlich Rechtsrisiken”. Rund zwei Drittel der operationellen Risiken in der Branche seien Fehlverhalten zuzurechnen (Conduct Risk), heißt es in einer Analyse der LBBW. “Dementsprechend große Bedeutung kommt der Aufsicht über die Einhaltung der Wohlverhaltensregeln sowie der Prävention von Verstößen etwa gegen Geldwäsche zu.” Diese Risikoform ist neben Kredit- und Marktrisiken nach Maßgabe der CRR mit Eigenmitteln zu unterlegen. An den risikogewichteten Aktiva (RWA) haben operationelle Risiken einen im Schnitt eher geringen Anteil von 15,6 %, wohingegen Kreditrisiken mit 76,5 % zu Buche schlagen. Sie dürften laut LBBW aber an Bedeutung gewinnen. Auch die jüngsten Aussagen des designierten Chefs der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria, dass Reputationsrisiken in der Vergangenheit zu wenig beachtet worden seien, legen nahe, wohin die Reise geht. Zudem werden vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht angestoßene Regelungen zum operationellen Risiko möglicherweise die RWA anschwellen lassen. 2022 soll mit “Basel IV” ein neuer, risikosensitiver standardisierter Ansatz (SMA) den bestehenden Standardansatz zur Berechnung des regulatorischen Eigenkapitalbedarfs für operationelle Risiken ersetzen, die Verwendung interner Modelle wird dann nicht mehr erlaubt sein.Der Zweck ist, so die Vergleichbarkeit zwischen Banken herzustellen, die bisher angesichts der Möglichkeiten, über interne Modelle Risiken kleinzurechnen, nicht gegeben ist. Die Bankenregulierungsbehörde EBA rechnet mit einem Anstieg des Mindestbedarfs an Tier-1-Kapital um bis zu knapp 6 %, weil dann Aktiva als risikobehaftet eingestuft würden, die zuvor bei der RWA-Berechnung nicht oder weniger stark ins Gewicht fielen. Für die Danske käme die Nutzung des SMA einer Erhöhung der Kernkapitalquote um 150 Basispunkte und somit einem Anstieg der operationellen Risiken um 100 % gleich, stellt Société Générale fest. Ihr zufolge befürchten Investoren, dass mögliche Prozesskosten aus Geldwäschefällen die RWA treiben und somit die Kapitalrendite schmälern könnten.Das Beratungsunternehmen Alix Partners hat allein in der ersten Jahreshälfte insgesamt 1,7 Mrd. Dollar an Strafzahlungen wegen Geldwäsche und Compliance-Verstößen ausgemacht, von denen mehr als 1 Mrd. Dollar auf Ermittlungen von US-Behörden zurückgehen. Die Geldbuße von 900 Mill. Dollar, welche der ING im September auferlegt wurde, um ein Verfahren der niederländischen Staatsanwaltschaft wegen Geldwäsche und Korruption beizulegen, ist darin noch gar nicht berücksichtigt. 2017 seien im gesamten Jahr Strafen von 2 Mrd. Dollar angefallen.”Die Panama-Paper-Untersuchungen und der aktuelle Fall der Danske Bank zeigen, dass Geldwäscheskandale immer weitere Kreise in der Finanzwelt ziehen – nicht nur in Europa, sondern weltweit”, stellt Alix Partners fest. Dabei seien viele Institute für die Herausforderungen (s. Grafik), so auch immer ausgefeiltere und damit schwerer aufzudeckende Geldwäschemethoden, unzureichend gewappnet. Demnach sehen sich zwar 69 % von befragten Finanzinstituten einer verschärften regulatorischen Kontrolle bzw. Aufsicht ausgesetzt, und drei Viertel erwarten, dass sie künftig mehr Geld in Anti-Geldwäsche- oder Sanktions-Compliance-Maßnahmen investieren müssen. Gleichzeitig geben aber 59 % an, dass ihr Budget nicht ausreicht. Im Jahr zuvor habe das nur jeder Dritte gesagt. Aufarbeitung dauert JahreDer Danske-Skandal hat Ermittlungen der verschiedensten Behörden in Dänemark, Estland, den Vereinigten Staaten, in Großbritannien und der Schweiz nach sich gezogen, des Weiteren haben sich die EBA und die Europäische Union der Angelegenheit angenommen, zu deren Aufdeckung der Whistleblower Howard Wilkinson, der die estnische Filiale der Danske Bank zwischen 2007 und 2014 geleitet hatte, maßgeblich beitrug. Seine Vorgesetzten, die er nach eigenen Angaben bereits 2013 auf die Missstände aufmerksam machte, sollen ihm Schweigegeld angeboten haben und ignorierten seine Warnungen. Der im Zuge der Affäre zurückgetretene Vorstandschef Ole Andersen räumte einst ein, dass auf eine Reihe von “Warnleuchten” nicht reagiert worden sei. “Verschiedene Behörden in Europa und den USA beschäftigen sich damit, und so dürfte die Thematik die Danske Bank in den kommenden Jahren begleiten”, erwartet Marcel Gaupp, Investmentanalyst bei der LBBW. Die dänische Regierung hatte von einer Buße in Höhe von 630 Mill. Dollar gesprochen, die allein von den heimischen Behörden verhängt werden könnte. Die Vereinigten Staaten könnten das Institut noch weitaus härter belangen. “Die drohenden Strafzahlungen im mittleren bis hohen einstelligen Milliardenbereich würden Danske spürbar treffen. Gefürchtet sind vor allem die möglichen Strafzahlungen der US-Behörden, welche in der Vergangenheit häufig sehr umfangreich ausfielen”, sagte Gaupp der Börsen-Zeitung. Mittlerweile sind die Aufpasser selbst ins Visier geraten, müssen sie sich doch die Frage gefallen lassen, ob sie ihren Aufgaben nachgekommen sind. So nimmt die EBA die dänische und die estnische Finanzaufsicht genauer unter die Lupe. In Malta hat sie sich die Finanzaufsicht MFSA und die Anti-Geldwäsche-Behörde FIAU angesehen, konnte der MFSA aber trotz schwerer Bedenken hinsichtlich ihrer Aufsichtspraxis gegenüber der Pilatus Bank, der inzwischen die Zulassung entzogen wurde, keine Verfehlungen nachweisen. Der FIAU warf die EBA erhebliche Kontrollversäumnisse vor.Eine weitere Folge der Skandale ist, dass Banken wegen der Verfehlungen ihrer Wettbewerber in Sippenhaft genommen werden – oder auch ganze Staaten mitgerissen werden könnten. So hat S & P das Rating der Bank of Valletta gesenkt, obwohl sie bislang in Sachen Geldwäsche unverdächtig ist. Zum Anlass für die Neubewertung nahm S & P die Verstrickungen der maltesischen Pilatus Bank, die operationelle wie Reputationsrisiken für den gesamten Bankensektor des Inselstaates berge. Und als die Swedbank in Geldwäscheverdacht geriet, gab der Aktienkurs nach und die Risikoprämien für Credit Default Swaps des Hauses stiegen. Die Gerüchte erwiesen sich allerdings bislang als haltlos. Vor derlei Spillover-Effekten warnte jüngst die dänische Zentralbank, sieht sie doch die Gefahr, dass der Danske-Fall den Bankensektor in Gänze in Verruf bringt und schließlich die Finanzstabilität des Landes aufs Spiel setzt. Die Bilanzsumme übersteigt mit rund 500 Mrd. Euro das Bruttoinlandsprodukt Dänemarks von etwa 300 Mrd. Euro bei Weitem.Zwar haben die Missstände bei Danske und Co. Finanzbranche, Regulierer, Aufseher, Strafverfolgungsbehörden und Politik aufgeschreckt und zu vielerlei ermutigenden Schritten veranlasst. So will etwa die EZB-Aufsicht ein Anti-Geldwäsche-Büro einrichten, die Kompetenzen der EBA in der Geldwäschebekämpfung sollen gestärkt werden, die EU hat einen acht Punkte umfassenden Aktionsplan verabschiedet, und die 5. EU-Geldwäscherichtlinie ist in Kraft getreten und muss von den Mitgliedstaaten bis Anfang 2020 in nationales Recht umgesetzt sein. Die LBBW geht generell davon aus, dass die Regulierungsbehörden in Europa die Vorschriften gegen Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierung verschärfen, und befürchtet, dass kleinere Institute überproportional stark darunter leiden werden.Doch auch dann, wenn etwaige Strafen für Danske und Deutsche Bank verkündet sind, die Aufräumarbeiten fortschreiten und sich die Protagonisten anschicken, aus den Fehlern und Geschehnissen zu lernen, bleibt die Frage, wie der Strom schmutzigen Geldes gen Westen unterbunden werden kann. Der Chef der dänischen Finanzaufsicht FSA, Jesper Berg, formulierte es in einem Interview jüngst so: “Das große Problem ist das Kapital, das Russland verlassen will.”