LEITARTIKEL

Kampf im "weichen" Markt

Im Gegensatz zum Bankensektor sind die Rückversicherer von der Finanzmarktkrise weitgehend verschont geblieben. Ein umfangreiches Kapitalpolster ermöglicht es den etablierten Anbietern, besser als zuvor extreme Verwerfungen an den Kapitalmärkten...

Kampf im "weichen" Markt

Im Gegensatz zum Bankensektor sind die Rückversicherer von der Finanzmarktkrise weitgehend verschont geblieben. Ein umfangreiches Kapitalpolster ermöglicht es den etablierten Anbietern, besser als zuvor extreme Verwerfungen an den Kapitalmärkten relativ gut zu überstehen. Und dennoch verändert sich die Branche tiefgreifend. Ursache dafür ist ein “weicher” Markt. Überkapazitäten sorgen seit Jahren für fallende Preise.Das Zinstief als Resultat der ultralockeren Geldpolitik der Notenbanken verschärft diesen Trend, drängten doch Branchen-Newcomer wie Pensionskassen und Hedgefonds auf der Suche nach lukrativen Anlagemöglichkeiten in den Rückversicherungsmarkt. Das schmälert die Renditen, befeuert aber den Wettbewerb. Das Buhlen um die Kunden – Erstversicherer und große Industriekonzerne – belebt den Rückversicherungssektor. Allerdings nimmt die Nachfrage bei den großen Erstversicherern tendenziell ab, weil diese einen wachsenden Teil ihres Rückversicherungsbedarfs aus Kostengründen im eigenen Hause abwickeln.Bei einer zugleich steigenden Zahl von Anbietern wird der zu verteilende Kuchen damit kleiner. Das führt zu einem Verdrängungswettbewerb. In der schwieriger gewordenen Lage versuchen kleine bis mittelgroße Anbieter, sich mit Hilfe von Fusionen und Zukäufen über Wasser zu halten. Denn größere Einheiten bieten im komplexen Rückversicherungsgeschäft mehr Dienstleistungen als Nischenanbieter. Das erhöht die Überlebenschancen.Für die “Big Three” der Branche – Munich Re, Swiss Re und Hannover Rück – lohnen sich solche Schritte nicht. Aufgrund ihrer Größe liefen sie Gefahr, bei Mega-Übernahmen per saldo mehr Kunden zu verlieren als zu gewinnen. Das ist eine spezifische Logik der Branche. Erstversicherer wandern tendenziell bei solchen Entwicklungen ab, um vor dem Hintergrund der Preispolitik die wachsende Marktmacht eines neuen Rückversicherungsgebildes zu begrenzen. Trotz des härter gewordenen Konkurrenzkampfs bleibt der weltweite Rückversicherungsmarkt daher fragmentiert. Bei der Suche nach zusätzlichen Ertragsquellen (unter anderem Schutz gegen Internetkriminalität und Cyberangriffen) befinden sie die etablierten Häuser derweil noch in einem Experimentierstadium. Das alles hat Konsequenzen für die Raten gegen Großschäden. Zwar fiel der Preisrückgang im vergangenen Jahr aufgrund zurückgenommener Kapazitäten etwas geringer aus als in den Berichtszeiträumen zuvor, von einer Stabilisierung auf breiter Front kann dennoch keine Rede sein. Der seit einigen Jahren bestehende Marktzyklus wird 2016 anhalten.Die Hoffnung mancher Rückversicherer auf eine Trendumkehr wird sich in absehbarer Zeit nicht erfüllen. Infolge des glimpflich verlaufenden Schadensjahres 2015 fehlen ihnen die Argumente für Preiserhöhungen. Singuläre Großschäden aus Naturkatastrophen – so zynisch es klingen mag – reichen nicht für eine Wende aus, da sie nur ein spezifischen Versicherungssektor betreffen. Die Erfahrung der Vergangenheit lehrt, dass tropische Wirbelstürme – sofern sie in Ballungszentren Schäden in Milliardenhöhe anrichteten – zwar die Raten für Naturkatastrophendeckungen zeitweilig in die Höhe schießen ließen, um danach aber wieder zu purzeln. Insofern wird es spannend, wie die diesjährige Hurrikan-Saison im Sommer und Herbst verläuft. Die Wahrscheinlichkeit von Wirbelsturm-Großschäden im Südosten der USA hat sich aufgrund von Klimaphänomen (Wechsel von El Niño zu La Niña) erhöht.In Folge der Nullzinspolitik der Notenbanken können die Rückversicherer derweil ihre in der Vergangenheit bewährte Strategie, Margenrückgänge im Kerngeschäft durch hohe Kapitalanlageergebnisse auszugleichen, nicht mehr umsetzen. Dauern die Börsenturbulenzen wegen China an, werden ihre Kapitalanlageerträge erodieren. Das dämpft die Gewinne. Die Aktionäre werden sich künftig also mit geringeren Dividenden zufriedengeben müssen.Eine Trendumkehr könnte hingegen das Ende der expansiven Geldpolitik bringen. Insofern ist die von der Federal Reserve eingeleitete vorsichtige Zinswende für die Rückversicherer ein Hoffnungsschimmer. Denn bei steigenden Marktzinsen dürften sich die Neueinsteiger vom Rückversicherungsgeschäft aller Voraussicht nach wieder abwenden. Dies würde den Druck von den Preisen nehmen. Nicht von ungefähr ist Nikolaus von Bomhard, Vorstandsvorsitzender der Munich Re, ein scharfer Kritiker von EZB-Chef Mario Draghi. Bis dieser Umschwung aber einkehrt, dürfte der Kampf im “weichen” Markt andauern.——–Von Stefan KroneckEine Zinswende könnte den Preisverfall in der Rückversicherungsbranche stoppen. Solange dies aber nicht eintrifft, hält der harte Wettbewerb im Sektor an.——-