Kapitalerhöhungen transaktionssicher gestalten

Marktpreis- und Platzierungsrisiko durch clevere Strukturierung bei Bezugsrechtsemissionen reduzieren - Individuelle Konstellationen berücksichtigen

Kapitalerhöhungen transaktionssicher gestalten

Die Finanzierungssituation für deutsche Unternehmen gestaltet sich, speziell im Umfeld einer noch gelockerten EZB-Politik, positiv. Die Unternehmen sind in aller Regel gut aufgestellt und haben Kosten und Effizienz optimiert.Neben dem zinsbedingt günstigen Zugang zu Fremdkapital ist die Eigenkapitalausstattung ein wesentlicher Baustein der strategischen Finanzierung. Hierfür steht Unternehmen das Instrument der Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen zur Verfügung, im Rahmen derer den bestehenden Aktionären ein Bezugsrecht einzuräumen ist. Ausnahmen hiervon, sprich der Ausschluss des Bezugsrechts, sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig: bei börsennotierten Gesellschaften unter anderem wenn die Kapitalerhöhung 10 % des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag der neuen Aktien den Börsenkurs nicht wesentlich unterschreitet. Insofern bleibt den Unternehmen bei entsprechendem Bedarf an neuem Kapital nur die Bezugsrechtsemission.Die Anlässe zur Durchführung einer Kapitalerhöhung sind vielfältig: Primäre Gründe sind die Stärkung der Bilanz, die Sicherung oder Verbesserung von Ratingeinstufungen sowie Refinanzierungen. Weiterhin werden sie auch genutzt, um zukünftiges (operatives) Wachstum oder M & A-Transaktionen zu finanzieren. Prozedere verbessernBei der herkömmlichen Struktur einer Bezugsrechtsemission wird der Ausgabebetrag der neuen Aktien bereits vor dem Beginn der gesetzlich vorgeschriebenen Bezugsfrist festgelegt. Dies birgt ein Marktpreisrisiko insbesondere für den Emittenten. Diesem wird durch einen teilweise nicht unerheblichen Abschlag auf den aktuellen Börsenkurs bei der Festlegung des Ausgabebetrages begegnet. Somit ist dieses Prozedere aus Sicht der Gesellschaft, aber auch aus Sicht der bestehenden Aktionäre (mögliche Verwässerung durch höhere Anzahl neu ausgegebener Aktien) optimierungsbedürftig, um unterschiedlichen Interessen auf Emittenten- und Aktionärsseite Rechnung tragen, aber auch um flexibler in den jeweiligen Kapitalmarktsituationen agieren zu können. Alternativen kombinierenVor diesem Hintergrund und noch verstärkt durch die Finanzkrise haben sich inzwischen mehrere Strukturierungsalternativen herausgebildet, die dem Ziel dienen, das Marktpreis- und Platzierungsrisiko zu reduzieren und gleichzeitig auch großvolumige (Bezugsrechts-) Emissionen zügig und umsetzungssicher durchzuführen. Diese Alternativen stehen dabei nicht nur separat zur Verfügung, sondern sind teilweise auch kombiniert miteinander anwendbar. Dabei reflektieren sie bestimmte individuelle Konstellationen wie die generelle Aktionärsstruktur oder auch Möglichkeiten bzw. Absichten einzelner (größerer) Aktionäre hinsichtlich einer Teilnahme an der Kapitalmaßnahme. Geringerer Abschlag möglichZur Reduzierung des Preisrisikos bietet das Kapitalmarktrecht die Möglichkeit, den Bezugspreis spätestens erst drei Tage vor Ablauf der Bezugsfrist festzulegen. Dies kann entweder direkt durch Vornahme eines Abschlages gegenüber dem aktuellen Börsenkurs oder im Rahmen eines Bookbuilding erfolgen; grundsätzlich sollte diese “At market”-Struktur bei gutem Interesse einen deutlich geringeren Abschlag im Vergleich zur traditionellen Struktur ermöglichen. Gerade bei Transaktionen mit einer späten Festlegung des Bezugspreises kommt eine zusätzliche Variante zur Anwendung, in der ein maximales Volumen der Kapitalerhöhung angekündigt wird (sogenannte “Bis zu”-Kapitalerhöhung) und somit der Spielraum eröffnet wird, den endgültigen Umfang in Abhängigkeit von der tatsächlichen Nachfrage festlegen zu können.Die Transaktionssicherheit für den Emittenten adressiert eine andere Vorgehensweise, bei der sich Investoren im Vorfeld der Emission verpflichten, nicht bezogene Aktien – gegebenenfalls auch limitiert bis zu einem bestimmten Volumen – mindestens zum Bezugspreis zu erwerben. Dies kann durch Altaktionäre erfolgen, denkbar ist aber auch eine Konstellation, in der gerade ein neuer Investor Interesse an einem Aktienerwerb hat (oder z. B. auch in einem Restrukturierungsszenario die Notwendigkeit der Aufnahme eines neuen Investors besteht), welcher durch eine sogenannte “Backstop”-Struktur ermöglicht werden kann. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit, den Erwerb einer größeren Beteiligung eines neuen Investors mit weiteren Kapitalmaßnahmen (10 % Kapitalerhöhung oder Begebung einer Wandelanleihe vor oder nach der Bezugsrechtsemission) zu ergänzen. Innovation “Clawback”Eine noch etwas neuere Struktur, die vorteilhaft bei größervolumigen Emissionen sein kann, bietet sich insbesondere in Fällen an, in denen vorab ein oder mehrere Großaktionäre auf die Ausübung ihrer Bezugsrechte verzichten. Damit ist dies eine Platzierungsvariante, die auch den Interessen von Familienaktionären entgegenkommt. Dies kann dann der Fall sein, wenn diese Aktionäre kein Interesse haben, an der Bezugsrechtsemission teilzunehmen. In dieser Struktur können die auf diese Aktionäre entfallenden neuen Aktien bereits vor Beginn der Bezugsfrist bei institutionellen Investoren im Rahmen eines Bookbuilding-Prozesses platziert werden (sogenannte “Vorwegplatzierung”). Mittelzufluss optimierenEs besteht darüber hinaus sogar die Möglichkeit, das gesamte angestrebte Kapitalerhöhungsvolumen vorweg, d.h. vor Beginn oder während der Bezugsfrist zu platzieren. Hierbei kommt ein besonderes Merkmal zum Tragen, weil derjenige Teil der platzierten Aktien, auf die noch der Bezug ausgeübt werden könnte, unter Vorbehalt zugeteilt wird (“Clawback”). Soll ausnahmsweise, etwa aufgrund eines sehr hohen Kapitalerhöhungsvolumens, ein öffentliches Angebot – und somit auch an Privatanleger gerichtet – der nicht von Großaktionären bezogenen neuen Aktien erfolgen, kann sich dieses typischerweise nur auf das nicht dem “Clawback”-Vorbehalt unterliegende Platzierungsteil beziehen.Ein Vorteil der Vorwegplatzierung besteht darin, dass der im Rahmen eines Bookbuilding-Prozesses sehr marktnah ermittelte Platzierungspreis auch den Bezugspreis für das Bezugsangebot darstellt. Der oben erwähnte Verzicht eines oder mehrerer Aktionäre auf das Bezugsrecht ist aus dessen Sicht daher in der Regel wirtschaftlich dann für den Aktionär unschädlich, wenn aufgrund der marktnahen Vorwegplatzierung ein gegen null tendierender Wert des Bezugsrechts indiziert wird. Viel wesentlicher ist jedoch, dass mit Anwendung der Vorwegplatzierung und Nutzung des “Clawback”-Vorbehaltes der Mittelzufluss aus der Kapitalerhöhung für das Unternehmen optimiert und gleichzeitig die Transaktionssicherheit deutlich erhöht wird. Beispiel Biotest AGEine Transaktion in der jüngeren Vergangenheit, bei der die Strukturierung mittels Vorwegplatzierung mit “Clawback”-Vorbehalt erfolgte, ist die Kapitalerhöhung der Biotest AG. Finanzierungshintergrund war die geplante Ausweitung der Kapazitäten am deutschen Hauptproduktionsstandort. Die Großaktionäre der Gesellschaft haben hierbei auf die Ausübung ihrer Bezugsrechte verzichtet. Vor Beginn der Bezugsfrist wurde das komplette Volumen der Kapitalerhöhung mittels Bookbuilding bei institutionellen Investoren mit einem sehr geringen Abschlag zum aktuellen Börsenkurs – unter “Clawback”-Vorbehalt – platziert. Nach Beendigung der Bezugsfrist konnten von dem gesamten vorab unter Vorbehalt platzierten Kapitalerhöhungsvolumen rund 48 % final bei den Investoren verbleiben und zugeteilt werden, beim anderen Teil griff der “Clawback”, da diese Aktien von bestehenden Aktionären während der Bezugsfrist bezogen wurden.Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Emittenten und Emissionsbanken eine Vielzahl von Strukturierungsmöglichkeiten offensteht, um in Abhängigkeit von Finanzierungsbedarf, der Situation bei bestehenden Aktionären und dem Kapitalmarktumfeld den Emissionserlös und die Transaktionssicherheit zu optimieren.—Arne Laarveld, Managing Director bei der Equinet Bank