GastbeitragImmobiliensektor

Kapitalpuffer bremsen den Wohnungsbau

Der Systemrisikopuffer bremst den Wohnungsbau in Deutschland 2025, erschwert Kredite und gefährdet Investitionen im Immobiliensektor, schreibt Heiner Herkenhoff vom Bundesverband deutscher Banken (BdB).

Kapitalpuffer bremsen den Wohnungsbau

Gastbeitrag

Kapitalpuffer bremsen den Wohnungsbau

Von Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes

Der Wunsch, in den eigenen vier Wänden zu leben, ist hierzulande weiterhin stark ausgeprägt: Laut der Interhyp-Wohntraumstudie 2024 steht ein schönes Zuhause auf Platz 2 der Liste der wichtigsten Dinge im Leben; nur der Wunsch nach Gesundheit rangiert noch höher. Doch die Rahmenbedingungen für den Erwerb von Immobilien sind in den vergangenen Jahren deutlich schwieriger geworden. Die bis 2022 in den meisten Städten und Ballungsgebieten stark gestiegenen Preise haben es auch Gutverdienenden kaum noch möglich gemacht, Wohneigentum zu erwerben. Die rasant steigenden Zinsen ab 2022 haben dann die Nachfrage nach Hypothekendarlehen verringert und die Preise für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen wieder sinken lassen – aber eben auch die Finanzierungskosten nach oben getrieben.

Baugenehmigungen weiter gefallen

Inzwischen hat die Kreditvergabe für Wohnimmobilien wieder angezogen. Doch an dem Grundproblem hat sich nichts geändert: In Deutschland wird zu wenig und zu teuer gebaut. Aktuell ist die Zahl der Baugenehmigungen auf den tiefsten Stand seit 2010 gefallen. Vor dem Hintergrund, dass Hunderttausende von Wohnungen fehlen, ist dies eine besorgniserregende Nachricht. Die Wohnungskrise in Deutschland birgt enormen gesellschaftlichen Sprengstoff. Und zugleich ist sie ein negativer Standortfaktor, wenn es darum geht, Deutschland attraktiver für ausländische Fachkräfte zu machen.  

Ist es in einer solchen Situation wirklich sinnvoll, die Vergabe von Wohnimmobilienkrediten zusätzlich zu erschweren? Die Antwortet lautet eindeutig nein – aber genau dies geschieht durch den sogenannten sektoralen Systemrisikopuffer. Dabei handelt es sich um einen speziellen Kapitalpuffer für Wohnimmobilienfinanzierungen, den die Bankenaufsicht im April 2022 eingeführt hatte und der von den Banken innerhalb eines guten Dreivierteljahres aufgebaut werden musste. Damals wurde befürchtet, dass die Rekordpreise für Häuser und Wohnungen weiter nach oben schießen würden und es irgendwann zum Platzen einer Blase mit all den damit verbundenen unangenehmen Begleitumständen kommen könnte.

Falsches Signal

Doch von diesem Punkt sind wir heute weit entfernt. Unverständlich ist daher, dass an dem Systemrisikopuffer für Wohnimmobilienfinanzierungen weiterhin festgehalten wird. Konkret bedeutet der Puffer, dass eine Bank bei jeder Wohnimmobilienfinanzierung über die übliche Eigenkapitalanforderung hinaus 2% des Kreditbetrages zusätzlich als Vorsorgekapital beiseitelegen muss. Der Puffer erschwert damit die Kreditvergabe für Wohnimmobilien. Angesichts der Lage auf dem Wohnungsmarkt ein völlig falsches Signal.

Der Systemrisikopuffer für Wohnimmobilienfinanzierungen ist allerdings nicht das einzige Hemmnis, denn zusätzlich müssen die Banken den antizyklischen Kapitalpuffer vorhalten, was zu einer doppelten Belastung von Wohnimmobilienkrediten führt. Der antizyklische Kapitalpuffer gilt – anders als der Systemrisikopuffer – für sämtliche Kredite und belastet damit jede kreditfinanzierte Investition. Wie der Name schon andeutet, ist die Grundidee des antizyklischen Kapitalpuffers folgende: In Boomphasen mit hohem Kreditwachstum legen die Banken zusätzlich Geld beiseite und bauen damit einen Puffer auf. Im Krisenfall darf der Puffer aufgebraucht werden und dient zur Abfederung von Verlusten.

Antizyklischer Kapitalpuffer ist kontraintuitiv

Im gegenwärtigen wirtschaftlichen Umfeld erscheint ein antizyklischer Kapitalpuffer kontraintuitiv. Die Kreditnachfrage ist schwach und das reale Bruttoinlandsprodukt zwei Jahre in Folge gesunken. Die Prognosen für 2025 sind ungewiss, da die künftige schwarz-rote Regierung mit dem Sondervermögen und der Änderung der Schuldenbremse die Voraussetzung für ein Anziehen der öffentlichen Investitionen schaffen will. Doch Stand heute ist Deutschland das Wachstumsschlusslicht unter den Industriestaaten. Vordringliche Aufgabe der neuen Bundesregierung muss es daher sein, Impulse für einen Aufschwung zu setzen, der auch den Bausektor erfasst. Deswegen kommt es nun zum einen darauf an, den Systemrisikopuffer für Wohnimmobilien schleunigst abzuschaffen. In der gegenwärtigen Lage ist er eine Belastung, hat er doch eine eindeutig dämpfende Wirkung auf die Nachfrage nach Wohnraum.

Weichen für Investitionen stellen

Und zum anderen sollte der antizyklische Kapitalpuffer zumindest so lange auf Null herabgesetzt werden, bis die Wirtschaft wieder Fahrt aufgenommen hat. Die Argumentation, dass die Puffer aufgrund allgemeiner Unsicherheiten und geopolitischer Risiken weiterhin benötigt werden, überzeugt nicht. Ohne Frage ist die ökonomische Lage derzeit außergewöhnlich fragil. Der antizyklische Kapitalpuffer ist jedoch nicht dafür konzipiert, Risiken und Eintrübungen jedweder Art, hervorgerufen durch geopolitische Änderungen und eine schwache Konjunktur, auszuschalten. Es ist Teil des normalen Bankgeschäfts, diese Risiken sorgfältig zu bewerten. Klar ist: Die Kapitalpuffer bremsen die wirtschaftliche Erholung. Im Wohnungsbau müssen jetzt die Weichen für Investitionen und Wachstum gestellt werden.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.