IM GESPRÄCH: BURKHARD BALZ

"Kein strategisches Interesse"

Der künftige Bundesbanker erklärt, woran es bei der Reform der europäischen Finanzaufsicht noch hakt

"Kein strategisches Interesse"

Die EU-Kommission hat bereits vor knapp einem Jahr Vorschläge für eine erstmalige Neujustierung der europäischen Finanzaufsichtsbehörden (ESAs) vorgelegt. Das Europaparlament hat sich im Juli dazu positioniert – aber noch viele Fragen offengelassen. Berichterstatter Burkhard Balz (CDU) erläutert warum.Von Andreas Heitker, BrüsselDer Europaabgeordnete Burkhard Balz, künftiges Bundesbank-Vorstandsmitglied, befürchtet, dass die geplante Reform der europäischen Finanzaufsicht durch die EU-Mitgliedstaaten vorerst auf die lange Bank geschoben wird. “Es gibt die begründete Sorge, dass der Rat nicht allzu ambitioniert an die Sache herangeht, weil einzelne Regierungen gar kein strategisches Interesse daran haben, hier schnell voranzukommen”, sagte der CDU-Politiker im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Balz hatte zusammen mit seiner Ko-Berichterstatterin im EU-Parlament, der französischen Sozialistin Pervenche Berès, im Juli einen Berichtsentwurf zum künftigen Gesetzesrahmen vorgelegt, der die Bankenaufsicht EBA, die Versicherungsaufsicht EIOPA, die Wertpapieraufsicht ESMA und darüber hinaus auch den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) betrifft. Der Wirtschafts- und Währungsausschuss im Parlament (Econ) wird voraussichtlich Anfang November über das Dossier abstimmen. “Die spannende Frage ist dann, ob die EU-Mitgliedsländer dann auch schon so weit sind”, betonte Balz. “Wenn der Rat im November keine allgemeine Ausrichtung erreicht hat, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Dossier in dieser Wahlperiode nicht mehr zum Fliegen kommt.” Denn aufgrund der Europawahl im Mai hat das aktuelle EU-Parlament in der ersten April-Hälfte seine letzte Sitzung. Sollte es keine Einigung über das Gesetzgebungsvorhaben mit dem Rat der Mitgliedstaaten spätestens Ende Januar geben, müsste das neue EU-Parlament entscheiden, wie mit dem Dossier weiter verfahren wird. In der aktuellen österreichischen Ratspräsidentschaft hat die Reform der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (ESAs) allerdings keine besonders hohe Priorität. Das Dossier gilt als schwierig, weil es zum einen gleich zwölf bestehende Gesetzgebungen wieder neu öffnet und es zum anderen sehr konträre Meinungen dazu gibt – sowohl innerhalb der EU-Staaten als auch im Europäischen Parlament -, wie viel Macht die einzelnen Aufsichtsbehörden künftig erhalten sollen. “Gute Expertise vor Ort”Berès unterstützt dabei den Vorstoß der EU-Kommission, die Aufsicht stärker auf europäischer Ebene zu bündeln. Vor allem die ESMA, die ja ebenso wie künftig die EBA in Paris ansässig ist, soll demnach neue Kompetenzen erhalten. Mehr Kompetenzen für diese Behörden würden automatisch auch auf eine weitere Stärkung des Finanzplatzes Paris hinauslaufen. Balz hält die Vorschläge der EU-Kommission dagegen für zu weitreichend und plädierte in dem Gespräch dafür, “eine faire Balance” zu halten zwischen Aufgaben, die auf europäischer Ebene erledigt werden müssen und die bei den nationalen Aufsehern bleiben sollten.”Ich glaube, dass wir herausragend gute Expertise vor Ort haben”, betonte er. Vielleicht sei er da auch sehr deutsch geprägt, weil er wisse, wie gut die BaFin funktioniere. “Doch selbst wenn das Niveau nicht überall in Europa so hoch ist, so denke ich doch, dass man die Dinge vor Ort besser beurteilen kann als in einer europäischen Behörde.”Nach Ansicht von Balz sollten sich die europäischen Aufsichtsbehörden auch mittel- bis langfristig darauf konzentrieren, einen Rahmen zu setzen, in dem die nationalen Aufseher dann im Detail weiter arbeiten können. Diese Meinung habe er auch versucht, in die Berichtsentwürfe mit einfließen zu lassen, sagt er. Der 49-Jährige hat in dieser Frage nicht nur Rückendeckung durch die deutsche Finanzwirtschaft erhalten, sondern auch aus anderen EU-Ländern, die einer weiteren Zentralisierung der Aufsicht ebenfalls skeptisch gegenüberstehen. Auch die Ergebnisse einer öffentlichen Anhörung zur ESA-Reform im Frühjahr haben Balz darin bestärkt, die nationale Aufsicht weiter zu stärken.Dies führte dazu, dass der Berichtsentwurf von Balz und Berès – die bei den Europawahlen im nächsten Jahr ebenfalls nicht noch einmal antritt – noch zahlreiche Fragen offenlässt. Beispiel Governance: Berès befürwortet ebenso wie die EU-Kommission ein kleines, straffes Führungsgremium in den Aufsichtsbehörden mit je drei bis fünf Mitgliedern. Einen nationalen Einfluss in diesen Executive Boards gäbe es nicht mehr. Balz setzt sich dagegen weiter für ein Management Board ein, in dem auch künftig Vertreter der nationalen Aufsichtsbehörden sitzen. Auch bei der Neuordnung der Finanzierung der ESAs konnten sich die beiden Abgeordneten nicht einigen. Eine Mischkalkulation aus öffentlichen und privaten Beiträgen ist zwar unstrittig. Balz sieht den Anteil der Finanzwirtschaft allerdings eher bei gut einem Drittel der Kosten, Berès bei fast zwei Dritteln. “Ich bin in diesem Punkt in den Verhandlungen sehr hart geblieben, weil ich der Meinung bin, dass auch weiterhin ein substanzieller Teil der Finanzierung der Aufsichtsbehörden von der öffentlichen Hand getragen werden muss”, sagt Balz.Allerdings gibt es auch heute schon gemeinsame Positionen innerhalb des Parlaments. So sollen etwa kleinere Banken bei den Aufsichtsanforderungen deutlich entlastet werden. “Wir haben uns auf die Einführung einer stärkeren Proportionalität als Grundprinzip in der Aufsicht geeinigt, was auch eine meiner zentralen Forderungen war”, unterstreicht der CDU-Politiker. Für Deutschland bedeute dies, dass es in zwei der drei Säulen des Bankensystems und auch für mittelgroße Versicherer künftig Erleichterungen geben werde. Damit ist klar, dass Größe, Art, Geschäftsmodelle und Risikoneigung von Finanzinstituten künftig bei der Aufsicht Berücksichtigung finden werden.Auch sind sich die Berichterstatter bereits einig, dass es eine Klarstellung des Mandats der Aufsichtsbehörden geben soll, da die ESAs ihre Kompetenzen in den vergangenen Jahren durchaus unterschiedlich interpretiert und gehandhabt hatten. Noch nicht klären konnten Balz und Berès hingegen, inwieweit auch das Thema Nachhaltigkeit künftig in die europäische Finanzaufsicht einfließen soll.Nur noch bis Monatsende wird sich Burkhard Balz an der Kompromisssuche beteiligen können. Anfang September wird er dann nach neun Jahren als EU-Abgeordneter Mitglied im Vorstand der Bundesbank. Sein Wechsel nach Frankfurt hatte sich bereits um einige Monate verzögert, weil Balz erst noch den ESAs-Berichtsentwurf fertigstellen und in den Verhandlungen mit Berès eine zu starke Kompetenzverlagerung auf die europäische Ebene verhindern wollte. “Die Berichte sind im Endeffekt gute und solide Grundlagen, um in den weiteren Gesetzgebungsprozess zu gehen”, zieht er ein positives Fazit. Wer von Balz die Berichterstattung in dem Dossier übernimmt, ist zurzeit noch unklar.