IM INTERVIEW: TIM ADAMS, INSTITUTE OF INTERNATIONAL FINANCE (IFF)

"Keine schlaflosen Nächte mehr"

Der Präsident des internationalen Finanzverbands über die Regulierung der US-Banken unter Präsident Trump, Basel III und das Too-big-to-fail-Problem

"Keine schlaflosen Nächte mehr"

Für Tim Adams, Präsident des Institute of International Finance (IIF), ist noch lange nicht ausgemacht, dass der gewählte US-Präsident Donald Trump die Regulierung der US-Großbanken lockern wird. Regionalbanken aber dürften sich auf Erleichterungen freuen, sagt er im Interview der Börsen-Zeitung.- Herr Adams, als die im Regelpaket Basel III vorgesehenen Liquiditäts- und Kapitalanforderungen beschlossen wurden, warnte das IIF vor deutlich höheren Kreditzinsen, unerfüllbaren Kapitalanforderungen und in der Folge mehr Arbeitslosigkeit sowie schwächerem Wirtschaftswachstum. Das alles ist aber nicht eingetreten. War Ihr Verband zu pessimistisch?In der Tat ist das Finanz- und Bankensystem, gemessen an Kapitalisierung, Liquidität und Schuldenabbau, während der letzten Jahre so viel stabiler geworden, dass dies unterm Strich eher positiv auf die Gesamtwirtschaft durchgeschlagen hat. Dazu beigetragen hat auch, soweit es schon umgesetzt wurde, Basel III. Auf der anderen Seite schlug die striktere Regulierung einige Zeit auf die Bereitschaft der Banken zur Kreditvergabe durch. Gerade in Europa wächst die Wirtschaft auch, aber nicht allein deswegen, weiterhin sehr langsam. Genau zu quantifizieren, wie viele Arbeitsplätze unter einem anderen regulatorischen Umfeld zusätzlich entstanden wären, ist aber schwierig. Für die Banken ist es derzeit vor allem schwierig, angesichts regulatorischer Veränderungen, fortlaufender technologischer Innovation und einem nicht sonderlich günstigen konjunkturellen Umfeld, ihre Geschäftsmodelle anzupassen beziehungsweise neu zu erfinden.- Sie weisen darauf hin, dass die Banken über enorme Kapitalpolster verfügen, und behaupten, dass das System so stabil ist wie nie zuvor. Auch räumen Sie ein, dass die neue Finanzmarktarchitektur dazu beigetragen hat. Dennoch fordern Sie weitere Revisionen von Basel III. Wie sollen diese denn genau aussehen?Mit der Infusion von 3,7 Bill. Dollar an Tier-1-Kernkapital sind die Banken besser kapitalisiert als zu jedem Zeitpunkt in ihrer Geschichte. Angesichts des damit einhergegangenen Schuldenabbaus verfügen sie über deutlich stabilere und stärkere Bilanzen. Gelöst werden muss im Zusammenhang mit Basel III allerdings noch die geplante, aber durchaus umstrittene Einführung eines Output Floor. Dieser bestimmt, wie weit die von Banken verwendeten Risikomodelle zur Ermittlung des Kapitalbedarfs von dem Standardverfahren abweichen dürfen. Klärungsbedürftig ist zudem, wie der Output Floor kalibriert werden kann.- Der künftige Präsident Donald Trump plant ja eine Kombination aus Steuersenkungen und massiven Ausgabenprogrammen im Wert von etwa 1 Bill. Dollar. Was erwarten Sie konkret von Trumps Konjunktur- und Steuerpolitik?Trumps Ausgabenprogramm mit einem konkreten Preisschild zu versehen, noch ehe er das Amt angetreten hat, wäre voreilig. Viele der wirtschaftlichen Beraterpositionen, auf denen die wichtigsten Details ausgehandelt und entschieden werden, sind noch gar nicht besetzt. Gleichwohl nehmen die Märkte und natürlich auch die Finanzinstitutionen zur Kenntnis, dass von einer Kombination aus niedrigeren Einkommens- und Körperschaftssteuern sowie fiskalischem Stimulus auszugehen ist. Auch wird Deregulierung in wichtigen Wirtschaftssektoren bereits einkalkuliert.- Und die gesamtwirtschaftliche Wirkung?Zusammengenommen dürften diese Maßnahmen das Verbrauchervertrauen stärken und zu höherem Privatkonsum führen, der den mit Abstand größten Teil unserer Wirtschaftsleistung ausmacht. Auch ist anzunehmen, dass Unternehmen die gewaltigen Barreserven, auf denen sie sitzen, produktiv einsetzen werden, nämlich zur Vermögens- und Kapitalbildung, aber auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Unterm Strich herrscht meines Erachtens jedenfalls völlig berechtigter Konjunkturoptimismus.- Wird der fiskalpolitische Impuls denn die Notenbank insofern entlasten, als ihr nicht mehr die Aufgabe zukommen wird, eine konjunkturbelebende Geldpolitik zu verfolgen, und kann sie dann umso schneller den Leitzins hochschrauben?Ich glaube nicht, dass sich an dem Tempo der Zinserhöhungen etwas ändern wird. Schließlich sahen wir nach der letzten Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC), dass die Konjunkturprognosen der Fed praktisch unverändert blieben, dies ungeachtet der erwarteten Ausgabenprogramme. Wenn der konjunkturelle Stimulus allerdings die Wirtschaft stärker beflügelt, als die Fed dies bisher unterstellt hat, dann könnte der Normalisierungsprozess auch beschleunigt werden. Diese potenzielle Entwicklung haben die Anleihenmärkte ja auch teilweise schon vorweggenommen.- Wenn so massive Ausgabenprogramme nicht gegenfinanziert sind, und Finanzierungsvorschläge liegen keine vor, könnte dann angesichts einer Schuldenquote von 105 % nicht erneut eine Krise ausbrechen wie 2011, die auch an den Märkten Chaos auslöst? Damals führte das Unvermögen des Kongresses, sich auf Sparmaßnahmen zu verständigen, sogar zum ersten Downgrade für US-Staatsanleihen.Zunächst halte ich es für einen Trugschluss, zu glauben, dass die neue Regierung mit Geld um sich werfen und ein riesiges Loch im Staatshaushalt aufreißen wird. Sie dürfen nicht vergessen, dass Trumps Haushaltschef Mick Mulvaney ein ausgewiesener Falke ist, der weniger Staat bevorzugt und nichts von verschwenderischem Haushaltsgebaren hält. Was das allgemeinere Phänomen hoher Verschuldung und das Potenzial für eine neue Krise auch an den Märkten angeht, weisen wir schon seit geraumer Zeit auf die weltweiten Risiken steigender Schulden hin. Gemeint sind aber nicht nur die Staatsschulden, sondern auch die der Unternehmen und speziell Banken. Natürlich birgt das Zündstoff, der in Zukunft eine neue Krise herausbeschwören könnte. Das ist aber kein rein amerikanisches, sondern ein globales Phänomen.- Sie haben selbst auf eine ganz andere Gefahr für die zunehmende Globalisierung des Bankensystems hingewiesen, nämlich auf den weltweiten Trend zu Populismus, der in Europa im Brexit und in den USA in Trumps Wahlsieg seinen Niederschlag fand. Wie akut ist dieses Risiko für das Bankensystem?Zunächst ist es für Entscheidungsträger in unserer Branche entscheidend, die Ursachen des sich ausbreitenden Populismus in vollem Umfang zu begreifen. Ursachen, die sowohl ökonomischer als auch politischer und sozialer Natur sind. Wenn die Antwort auf Populismus darin besteht, dass die Gewinne und der Nutzen aus Globalisierung gerechter verteilt werden, dann müssen wir als Finanzdienstleistungsbranche auch unseren Beitrag leisten. Da der zunehmende Hang zu Populismus ein fließender Prozess ist, obliegt es auch unserer Branche, darüber nachzudenken, worin solche Beiträge konkret bestehen können.- Wie wird denn die Zukunft der Finanzmarktregulierung aussehen? Trumps designierter Finanzminister Steve Mnuchin will ja unter anderem das Dodd-Frank-Gesetz aufschnüren, die Volcker-Regel abschaffen und vor allem Investmentbanken vom Zugriff der staatlichen Aufsichtsbehörden befreien. Würde dies nicht den Weg pflastern für die nächste Finanzkrise?Gewiss hat der Kandidat Trump gesagt, dass er Dodd-Frank kippen will. Doch das ist einer von zahlreichen Punkten, wo man allmählich zwischen Wahlkampfrhetorik und politischer Realität unterscheiden muss. Ich bin so gesehen bezüglich des damals angedrohten Aufschnürens von Dodd-Frank und der neuen Finanzmarktarchitektur äußerst skeptisch. Insbesondere glaube ich nicht, dass Großbanken und vor allem global tätige Finanzdienstleistungsunternehmen einer Lockerung der staatlichen Aufsicht und Regulierung entgegensehen können. Regulatorische Entlastung ist vielmehr für Regionalbanken und kleinere Institutionen zu erwarten, und das ist gut so. Deren Wettbewerbsfähigkeit hat unter dem neuen regulatorischen Rahmenwerk nämlich am stärksten gelitten.- Also können sich die Großbanken nicht auf Deregulierung freuen?Sie können allein deswegen aufatmen, weil dieser regulatorische Moloch, der ihnen in den letzten Jahren aufgezwungen wurde, nun wenigstens gebremst wird. Wäre die Wahl anders ausgegangen, dann hätte es sein können, dass der Würgegriff der Behörden sogar stärker werden würde. Zu beachten ist übrigens, dass keine der führenden Finanzinstitutionen, die wir vertreten, überhaupt gefordert haben, dass die bestehende Regulierung zurückgerollt wird.- Wie schätzen Sie den Umgang sowohl in den USA als auch in Europa mit systemrelevanten Banken und der Too-big-to-fail-Problematik ein?Sicher wird das Thema der Cross Border Resolution, also grenzübergreifender Abwicklung, auch in den kommenden Jahren ein akuter Diskussionsgegenstand bleiben. Speziell in den USA wird die Frage lauten, ob es nun Gegnern von Dodd Frank gelingt, Paragraf 2 des Gesetzes aufzulösen. Diese Passage sieht vor, dass sowohl unter Konkursverwaltung befindliche Großbanken als auch Nichtbanken unter die Kontrolle der Aufsichtsbehörden gestellt werden. Diese wären dann für die Liquidierung der Institutionen verantwortlich. Ich glaube zwar nicht, dass es dazu kommt. Doch muss man die Eventualität im Auge behalten. Dann müsste allerdings ein alternativer Abwicklungsmechanismus gefunden werden. Zu keinem Zeitpunkt in der moderneren Geschichte waren die Gefahren durch Too-big-to-fail-Institutionen jedenfalls so gering wie heute. Mir bereitet die Problematik schon längst keine schaflosen Nächte mehr.—-Das Interview führte Peter De Thier.