GastbeitragKünstliche Intelligenz in der Finanzbranche

KI kann Europas Banken aus der Legacy-Falle helfen

Veraltete Systeme und Datenmüll erweisen sich für viele Banken als Hürde bei der Digitalisierung. Künstliche Intelligenz kann helfen, das Problem zu lösen.

KI kann Europas Banken aus der Legacy-Falle helfen

KI kann Europas Banken aus der Legacy-Falle helfen

Europas Banken kämpfen verstärkt mit den Tücken ihrer IT. Altsysteme sind oft über Jahrzehnte gewachsen und können modernen Digitalisierungsanforderungen kaum genügen. Der Wust an ungeordneten Daten, hochkomplexen Prozessen sowie oft bereits ausgedienten Programmiersprachen sorgt für enorme Betriebskosten, erschwert Modernisierungsbemühungen und birgt erhebliche Ausfallrisiken.

Dokumentation oftmals veraltet oder unvollständig

Zur Komplexität bei Umstellungen trägt auch bei, dass die Dokumentation für diese Systeme häufig unvollständig oder veraltet ist und die IT-Fachleute, die die Systeme ursprünglich entwickelt haben, oft weitergezogen sind – oder sich bereits im Ruhestand befinden. Das demografische Risiko im Serverraum von Banken steht weit oben auf die Agenda von Entscheidern.

Entsprechend dringlich ist die Renovierung der Systeme. Unter den verfügbaren Optionen der Legacy-Modernisierung verspricht die Umstrukturierung der Altsystemanwendungen auf Cloud-basierte Microservices gute Potenziale.

Alessandro Corsi ist Partner bei Capco. Er leitet bei der Beratungsgesellschaft den Bereich Digital & Technology Zentraleuropa.

Dabei wird die Lösung neu konzipiert, was zu deutlichen Kosten- und Zeiteinsparungen bei der Entwicklung und Bereitstellung führt. Gleichzeitig lassen sich die Vorteile einer nativen Cloud-Architektur nutzen. Allerdings sind die Entscheidungen hinsichtlich der Zusammensetzung der Ziellösung zu Beginn des Transformationslebenszyklus von entscheidender Bedeutung. Sie wirken sich auf die Gesamtleistung und Skalierbarkeit des Systems sowie auf die monatlichen Betriebskosten aus.

Einmal getroffene Entscheidungen im Renovierungsprozess lassen sich nur sehr schwer wieder rückgängig machen. Insbesondere die Festlegung des idealen Umfangs sowie der Struktur von Microservices ist entscheidend für den Erfolg der Maßnahmen.

Generative KI kann monolithische Anwendungen zerlegen

Der Einsatz von generativer künstlicher Intelligenz sowie maschineller Lernalgorithmen hat sich bereits bewährt, um monolithische Anwendungen in kleinere, besser zu verwaltende Microservices zu zerlegen. Die verwendeten Algorithmen lassen sich so optimieren, dass Bauteile der Legacy-Lösung passgenau abgetrennt werden können, um diese durch Cloud-gehostete Microservices auszutauschen.

Institute können somit einen iterativen Prozess für die IT-Modernisierung entwickeln, ohne in einer Hauruck-Aktion das gesamte System umzukrempeln. In der Vergangenheit haben diese Megaprojekte häufig einen komplexen Ausfall sämtlicher Funktionen zur Folge gehabt. Eine schrittweise Optimierung reduziert die Ausfallrisiken und die Komplexität der Maßnahmen.

Machete im Datendschungel

Zu Beginn kommen sogenannte Code-Crawler zum Einsatz. Ihre Aufgabe besteht darin, den Quellcode der Legacy-Anwendung automatisch zu scannen, zu analysieren und Kerninformationen über den Anwendungsverlauf zu sammeln. Mithilfe von künstlicher Intelligenz kann es gelingen, auch vom Aussterben bedrohte Programmiersprachen zu reanimieren. Entsprechend werden verschiedene Crawler zum Einsatz gebracht, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der Quellcode in einer von vielen Sprachen geschrieben sein kann. Anhand der vom Crawler gesammelten Informationen lässt sich ein umfassendes Profil aller Geschäftsfunktionen und Datenobjekte erstellen.

Im Anschluss gruppieren Algorithmen Komponenten und Funktionen entlang einer fachlich orientierten Taxonomie auf Grundlage von Datenmustern. Als Ergebnis liefern sie eine Empfehlung für die angestrebte Komponentenzusammensetzung und weisen Prioritätsstufen für den Umbau zu.

Weg des geringsten Risikos

Beim Wechselprozess der Lösungen lässt sich vorab eruieren, wo die geringsten Risiken verursacht werden. So wird ein optimierter Pfad für die Zerlegung des Monolithen bereitgestellt. Es gilt stets, unternehmensspezifische Softwarestandards auf den resultierenden Quellcode anzuwenden. Außerdem stellt die Lösung sicher, dass umfassende Unit-Testfälle generiert werden.

Der finale Schritt sieht vor, den Quellcode des Ziel-Microservices-Stacks und eine neue API-Schicht zu erstellen. So wird die gemeinsame Nutzung von Daten zwischen den Services ermöglicht. Als Teil des Prozesses wird generative KI genutzt, um den neuen Code und die APIs automatisch zu dokumentieren. Individuell können Institute nun Lösungsanwendungen an ihr Kernbankensystem anbinden.

Abkürzung zur IT-Renovierung

Es ist bereits gelungen, die Schlüsselaspekte dieses Legacy-Modernisierungsansatzes im Rahmen eines Projekts mit einer Tier-1-Bank zu testen, die ein großes Mainframe-zu-Cloud-Migrationsprogramm durchführte. In diesem Rahmen wurden über 1,5 Millionen Zeilen Cobol-Code analysiert, um einen Aktionsplan für den Transfer von Microservices im Zielzustand zu erstellen.

Der Einsatz von KI verkürzte die in der Vergangenheit häufig monatelang andauernde Analysephase auf wenige Wochen. Entscheider sehen sich verschiedenen Herausforderungen gegenüber – Kostendruck, fehlende Fachkräfte und eine dramatisch beschleunigte Digitalisierung bringen bestehende Lösungen an ihre Grenzen. Dank des Einsatzes von KI kann es gelingen, komplexe Migrationsprojekte strukturierter, günstiger und effizienter umzusetzen.

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