Kleinaktionäre zeigen "ein gewisses Maß an rationaler Apathie"

Private Anleger beschäftigen sich wenig mit Geschäftsberichten und lassen Stimmrecht ungenutzt - Deutsches Aktieninstitut zeigt Verständnis für Zurückhaltung

Kleinaktionäre zeigen "ein gewisses Maß an rationaler Apathie"

jsc Frankfurt – Kleinaktionäre in Deutschland füllen ihre Rolle als Eigner und Kontrolleure eines Unternehmen nicht vollständig aus: Jenseits der Gewinn-und-Verlust-Rechnung sowie der Bilanz liest die deutliche Mehrheit der Privatanleger den Geschäftsbericht nicht intensiv, sämtliche Informationsquellen verlieren an Relevanz und jeder zweite Aktionär lässt die Stimmrechte ungenutzt, zeigt eine Studie der Ruhr-Universität Bochum in Kooperation mit dem Deutschen Aktieninstitut (DAI) am Beispiel der Deutschen Post.Wegen des geringen Einflusses von Kleinanlegern auf Hauptversammlungen sei “ein gewisses Maß an rationaler Apathie” nachvollziehbar, sagte Franz-Josef Leven, stellvertretender Geschäftsführer des Aktieninstituts, auf einem Pressegespräch am Mittwoch in Frankfurt. Geschäftsberichte wiederum seien wegen ihrer Fülle für viele Aktionäre “weniger bedeutsam” und “weniger verständlich”, sagte Bernhard Pellens, Professor an der Ruhr-Universität und Mitautor des Berichts.Die Forscher haben bereits im April 2018 alle rund 431 000 Privataktionäre der Post angeschrieben und danach rund 32 500 Antworten erhalten. Die Ergebnisse sind nach demografischen Faktoren gewichtet, damit die Gruppe der Befragten den geschätzt 4,5 Millionen deutschen Kleinaktionären ähnelt. Neben dem Aktieninstitut, das kapitalmarktorientierte Unternehmen, Banken, Börsen und Investoren vertritt, steht auch der Deutsche Investor Relations Verband (DIRK) hinter der Studie. Laien am Kapitalmarkt Von institutionellen Investoren werden Kleinsparer als Akteure am Kapitalmarkt oft nicht ernst genommen. 69 % der professionellen Anlageentscheider sehen keinen Einfluss privater Aktionäre auf die Informationseffizienz von Märkten für Eigenkapital, also auch von Aktienmärkten. Die meisten Privatanleger sind demnach also nicht in der Lage, durch den Kauf oder Verkauf einer Aktie zu einem angemessenen Preis an der Börse beizutragen – sei es, weil Kleinaktionäre kaum Gewicht haben, sei es, weil sie als Laien den Wert eines Unternehmens nicht erfassen können. Das Handelsvolumen ist nach Auffassung von 49 % der Profis nicht durch private Sparer beeinflusst. Ob Kleinaktionäre eine übergeordnete Funktion erfüllen, sei in der Kapitalmarktforschung umstritten und nicht ausreichend erforscht, erklärt Universitätsprofessor Pellens. Die Studienautoren haben rund 2 000 institutionelle Investoren der Post per Online-Umfrage erfasst.Aus Sicht des Bonner Konzerns lohnt es sich für Aktiengesellschaften aber, Privataktionäre als Zielgruppe zu pflegen: Die Kleinsparer, die einen Anteil von insgesamt 17 % des Streubesitzes der Deutschen Post kontrollieren, halten nach Worten von Investor-Relations-Leiter Martin Ziegenbalg Aktien besonders lange und bringen somit Stabilität in die Eignerstruktur. Im Durchschnitt besitzen die befragten Aktionäre – dazu zählen aktuelle und ehemalige Postmitarbeiter sowie andere Sparer – bereits seit knapp 20 Jahren Aktien. Das Papier der Deutschen Post, die im November 2000 und damit erst vor knapp 19 Jahren an die Börse ging, war für viele also nicht die erste Aktie. Auch streuen die Aktionäre breit: Durchschnittlich gut 13 Titel liegen laut Umfrage in jedem Depot.Private Aktionäre verfolgen die Lage eines Unternehmens regelmäßig, gehen dabei aber nicht so sehr in die Tiefe wie professionelle Investoren, wie der Bericht zeigt. Presseberichte haben eine hohe Bedeutung, etliche andere Quellen finden weniger Beachtung (siehe Grafik). Im Vergleich zur Umfrage 2013 hat die Bedeutung sämtlicher Informationsquellen, egal ob Presseberichte oder Tipps aus dem Freundes- und Familienkreis, sogar abgenommen. Im Geschäftsbericht finden am ehesten Gewinn-und-Verlust-Rechnung, Bilanz und mit Abstrichen der Lagebericht Beachtung. Nur etwas mehr als ein Viertel der befragten Privatleute nutzt derweil etwa die Kapitalflussrechnung oder den Brief an die Aktionäre “intensiv”. Noch seltener finden Berichte zur Corporate Governance und Nachhaltigkeit Beachtung. Um Privatleute zu erreichen, sollten Unternehmen die Informationen gezielter auf die Zielgruppen zuschneiden, forderte Pellens. In einer rudimentären Darstellung sollte ihnen zunächst Bilanz, Gewinn-und-Verlust-Rechnung sowie Kapitalflussrechnung auf einem Bildschirm dargestellt werden – das sei für viele bereits ausreichend. Details sollten aber auf Wunsch einsehbar sein. Getrennte WeltenDas Deutsche Aktieninstitut sieht Privataktionäre auch in der Rolle als Unternehmer und betont hier eine “gesellschaftspolitische Funktion”, wie Vize-Geschäftsführer Leven sagte. Private Aktionäre sind nach Lesart des Instituts tendenziell interessierter an Unternehmen und Märkten als Fondssparer, die oft erst in einer Beratung auf die Produkte aufmerksam werden. Die meisten Privatleute entscheiden sich für eine Rolle: Fondssparer oder Einzelaktionär. In Deutschland sind laut Schätzung des Instituts 10,3 Millionen Menschen direkt oder über Fonds in Aktien investiert, doch nur 2,0 Millionen davon besitzen beide Instrumente, also sowohl Fonds als auch Aktien.