Kollateralschäden bei der Regulierung vermeiden

Unterschiede in den Strukturen beachten

Kollateralschäden bei der Regulierung vermeiden

Bestens bewährte nationale Strukturen kommen immer öfter unter die Räder, wenn international einheitliche Regeln in gemeinsamen Märkten durchgesetzt werden. Ob es um das Freihandelsabkommen TTIP geht, um eine gemeinsame Europäische Einlagensicherung oder um Richtlinien für die Vergütung von Bankvorständen – unterschiedliche nationale Gefüge müssen sich einem gemeinsamen Regeldach unterordnen und dabei Abstriche hinnehmen. Doch wo individuelle Kulturen und Strukturen die Volkswirtschaft stärken, muss auch gefragt werden dürfen, wie viel Einheitlichkeit überhaupt zweckmäßig ist. Ist es richtig, funktionierende Systeme aufs Spiel zu setzen, allein um homogene Regelwerke einzurichten?Regulierungsmaßnahmen, die an zentraler Stelle in Brüssel, Basel oder London verhandelt werden, sollten natürlich so aufgesetzt sein, dass alle Marktteilnehmer nach denselben Grundsätzen behandelt werden. Ein Blick auf deren unterschiedliche Strukturen muss aber auch differenzierte Regelwerke nach sich ziehen. Andernfalls werden Nebeneffekte provoziert, die an der ursprünglich geradlinigen Intention vorbeigehen.Ich denke hier an die deutschen Regionalbanken wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken – ein Modell, das es außerhalb Deutschlands in dieser Art nicht gibt. Viele der international einheitlichen Regulierungsmaßnahmen gehen über die regionale Struktur des deutschen Bankensystems hinweg und belasten die Regionalbanken damit überproportional. “One size fits all” geht nichtGerade aber Sparkassen stehen als Finanzierungspartner Nr. 1 hinter unserer mittelständisch geprägten Wirtschaftsstruktur, auf die so mancher europäische Nachbar neidisch schielt. Die 71 bayerischen und 409 deutschen Sparkassen sind wie der Mittelstand in den Regionen zu Hause. Ihre genaue Kenntnis der Lage vor Ort erlaubt es ihnen, die Kreditrisiken sehr klar einzuschätzen und optimal angepasste Finanzierungsbedingungen anzubieten. Die meist weit entfernte Konzernzentrale einer internationalen Großbank hingegen ist mit ihrem Geschäftsmodell von Beginn an anders ausgerichtet. Dass sich die Regionalbanken heute so schwer mit der Finanzmarktregulierung tun, liegt vor allem in dieser Unterschiedlichkeit von Strukturen, Größen und eingegangenen Risiken begründet. Verschärfte Finanzmarktregulierung zur Begrenzung von Risiken ist ganz sicher ein gebotenes Ziel – doch “one size fits all” funktioniert weder europa- noch weltweit.Auch der Blick auf die geplante gemeinschaftliche Europäische Einlagensicherung zeigt, wie der Fokus auf einen einheitlichen Ansatz nationale Strukturen belastet. Erstens: Mittel, die zur Sicherung deutscher Sparer zurückgelegt wurden, sollen direkt in einen europäischen Gemeinschaftstopf fließen. Zweitens: Die heute noch daran geknüpften Institutssicherungssysteme der Regionalbanken, die nicht zuletzt auch Rückgrat ihrer Wirtschaftsverbünde sind, können wegen der bevorstehenden Doppelbelastung kaum weitergeführt werden. Ein bewährtes und gleichzeitig mit dem neuesten europäischen Recht konformes, allerdings nationales System soll geopfert werden auf dem Altar der europäischen Vereinheitlichung. Auch das ist ein Nebeneffekt, der bereits weit jenseits der Ziellinie liegt. Kapital sinnvoll einsetzen”Single rule book” oder “level playing field” sind die Leitworte, die dazu führen, dass en passant Strukturen, die der Mittelstandsfinanzierung dienen, der Gleichmacherei hingegeben werden. Kollateralschäden bei den Regionalbanken und der regionalen Wirtschaft könnten aber vermieden oder zumindest reduziert werden. Die Stichworte dazu heißen:- Proportionalität in der Finanzmarktregulierung wahren!- Keine Vergemeinschaftung der Europäischen Einlagensicherung!- Konstruktion der Europäischen Kapitalmarktunion, die Kreditfinanzierung genauso wie Kapitalmarktfinanzierung stärkt!- Weiterentwicklung von Basel III ohne Erhöhung der Kapitalunterlegung für Mittelstandskredite!Kollateralschäden in der Finanzmarktregulierung abzuwenden bedeutet, die Kreditinstitute stark zu halten für die Marktherausforderungen, denen sie in einer Zeit der Digitalisierung und Niedrigzinsen gegenüberstehen. Es heißt, Kapital dort planvoll einsetzen zu können, wo es Unternehmen und Haushalte voranbringt und produktiv macht.Sparkassen als kommunale, regionale Institute nutzen ihre Spielräume: Sie erneuern ihr Dienstleistungsspektrum und ihre Kommunikations- und Vertriebskanäle. Sie senken ihre Kosten, heben Synergien und steigern ihre Effizienz. Damit bleiben sie auch in Zukunft Finanzierungspartner Nr.1 in den Regionen. Global ausgerichtete Großbanken hingegen haben sich noch nie in der regionalen Finanzierung des klassischen Mittelstands hervorgetan. Das sollten auch internationale Regulierer im Hinterkopf behalten.—Von Ulrich Netzer, Präsident des Sparkassenverbands Bayern