Kollege Roboter übernimmt mehr Aufgaben
Robotic Process Automation betrachten viele Banken als kostengünstige Möglichkeit zu sparen. Diese Software-Programme arbeiten teils zusammen mit, teils statt Bankmitarbeitern strukturierte Prozesse nach Schema F ab. Im nächsten Schritt dürfte der breite Einsatz mit künstlicher Intelligenz folgen. Von Tobias Fischer, FrankfurtEinfache Roboter kommen im Finanzwesen immer häufiger zwecks Prozessautomatisierung zum Einsatz. Sparkassen und Banken haben Robotic Process Automation (RPA) als Möglichkeit ausgemacht, Kosten zu sparen und Mitarbeiter für höherwertige Tätigkeiten einzusetzen. Die Software-Programme arbeiten sich wiederholende und strukturierte Prozesse ab, etwa in der Pflege von Kundenstammdaten. Während die Systeme bei Sparkassen bereits großflächig in Betrieb sind, agieren die Genossenschaftsbanken bisher noch verhaltener. Mehrheit hat Erfahrung Über alle Säulen der Kreditwirtschaft hinweg beschäftigten sich derzeit 64 % der Sparkassen und Banken in Deutschland, Österreich und der Schweiz aktiv mit dieser Technologie, hat die Beratungsgesellschaft ZEB in einer Umfrage herausgefunden. Etwa 53 % der Befragten hätten bereits Prozesse mithilfe von RPA automatisiert. Dabei zeigen sich unterschiedliche Vorgehensweisen in den großen Verbünden. Von den Sparkassen heißt es, dass RPA bereits “sehr breit” in der Gruppe eingesetzt werde. “Ich gehe davon aus, dass fast alle Institute bereits Anwendungsbereiche für RPA ermittelt haben”, sagt ein Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV).Anders bei den Genossenschaftsbanken, wo der IT-Dienstleister der genossenschaftlichen Finanzgruppe, Fiducia & GAD IT, auf eine zentrale Lösung zur Prozessautomation hinarbeite, wie der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) sagt. “Wir stehen äußerst positiv zur Prozessautomation im Kernbanksystem, weil es der größte Effizienzhebel ist, den wir in den Prozessen haben.” Dabei konzentriere sich die Finanzgruppe auf Lösungen, die allen Genossenschaftsbanken zugutekommen sollen. Grundsätzlich strebt die Gruppe an, Automation über Fiducia & GAD IT direkt im Kernbanksystem Agree21 vorzunehmen, das so gut wie alle genossenschaftlichen Banken nutzen, als in einzelnen Instituten separate RPA-Lösungen einzusetzen. Eine zentrale Vorgehensweise, so die Argumentation, ermögliche Skaleneffekte und das Heben von Synergien.Eine Umfrage des BVR aus Juni/Juli unter den Genossenschaftsbanken, an der rund 260 Banken teilgenommen haben, hat ergeben, dass 7 % der Institute RPA operativ in der Breite einsetzen. Weitere 7 % sind dabei, RPA zu pilotieren oder Prototypen zu entwickeln. Und 21 % der Befragten sondierte, beschäftigten sich also mit dem Thema. 65 % nutzen folglich kein RPA und planen aktuell auch nicht, dies zu tun.Zu jenen 7 %, die Robotic Process Automation im Operativbetrieb einsetzen, gehört die Volksbank Rhein-AhrEifel mit Sitz in Koblenz. Das Institut mit einer Bilanzsumme von 3,7 Mrd. Euro ging 2019 aus der Fusion von Volksbank Koblenz Mittelrhein und Volksbank Rhein-Ahr-Eifel in Bad Neuenahr-Ahrweiler hervor. Zusammen mit ZEB als Berater hat die Bank zwei Roboter zum Einsatz gebracht und arbeitet nun an einem Baufinanzierungsprojekt, in dem RPA mit künstlicher Intelligenz (KI) gekoppelt wird, berichtet Marco Pradarutti, der seit 2018 vom Standort Mayen aus Themen rund um RPA und KI betreut. Volksbank entwickelt Roboter Sein erstes Projekt betraf die automatische Freischaltung des Online-Banking für Neukunden. Musste ein Bankmitarbeiter zuvor vielerlei Klicks und manuelle Schritte tätigen, so übernimmt seit Januar ein unter anderem von Pradarutti programmierter Roboter diese Aufgabe. Bei einer von ihm auf knapp 9 Minuten taxierten Zeitersparnis pro Fall und jährlich etwa 6 000 Anträgen summiert sich die gesamte eingesparte Zeit demzufolge auf 900 Stunden im Jahr. Ein zweiter Roboter ist seit Juni aktiv, der Anpassungen in Bestandsverträgen im Online-Banking vornimmt. Beziehen sich diese Tätigkeiten auf standardisierte Prozesse, so bietet die Verbindung aus RPA und KI weitergehende Möglichkeiten.Die Volksbank RheinAhrEifel arbeitet deshalb seit Februar daran, dies in der Baufinanzierung zu nutzen. Hierbei müssen Kunden bestimmte Unterlagen wie Gehaltsnachweise einreichen, welche die Bankmitarbeiter unter bestimmten Gesichtspunkten in Augenschein nehmen. Die KI sei bereits mit 1 000 Gehaltsnachweisen gefüttert worden. Nach Prüfungen, ob die erforderlichen Dokumente vorliegen, unterschrieben sind und beispielsweise der Personalausweis gültig ist, erhält ein Marktfolge-Mitarbeiter eine Ergebnismeldung. Fehlt etwas oder ist eine eingehendere Prüfung vonnöten, greift er ein.Auch das könnte künftig automatisiert ablaufen. “Im ersten Schritt soll die KI Antragsdokumente auf Vollständigkeit und Plausibilität prüfen. Im nächsten Schritt würden wir das gerne erweitern, sodass KI und Roboter vielleicht den gesamten Kreditantrag fallabschließend ohne die Kreditentscheidung bearbeiten”, erklärt Pradarutti. Die finale Entscheidung ist aber Menschen vorbehalten. “Die Kreditentscheidung soll nicht nur auf harten Fakten basierend getroffen werden, sodass durch die Einbindung unserer Spezialisten auch die persönliche Kreditwürdigkeit in unsere Kreditentscheidung einfließt.”Die Volksbank RheinAhrEifel versteht sich nach eigenem Bekunden als ein Vorreiter in der genossenschaftlichen Finanzgruppe, der eigenständig Themen wie Automatisierung vorantreibt und sich nicht abhängig von der Innovationskraft anderer macht. Als nach eigenem Bekunden eine der ersten Genossenschaftsbanken, die sich mit dem Thema Robotik auseinandergesetzt hat, verfolge sie das Ziel, sich überregional mit anderen Genossenschaftsbanken zusammenzutun, um Mehrwert aus Robotic Process Automation zu ziehen. Möglicher AnpassungsbedarfDer BVR sähe es lieber, wenn die Genossenschaftsbanken dem Verband und Fiducia & GAD folgten, anstatt allein oder grüppchenweise voranzugehen. Von jenen Mitarbeitern, die sich in den einzelnen Instituten RPA widmen, wünscht sich der Verband, sich in Arbeitsgruppen zu engagieren, um Automation aus dem Kernbanksystem heraus zu unterstützen, so dass alle Genossenschaftsbanken davon profitieren. Zudem könnten weitere Aufwendungen auf RPA-nutzende Mitglieder zukommen, gibt der BVR zu bedenken. So könne es passieren, dass von Einzelinstituten eingesetzte RPA nicht mehr richtig funktioniert, wenn Änderungen im zugrundeliegenden Kernbanksystem, auf dem die RPA aufsetzt, vorgenommen werden. Einzukalkulieren sei also, dass Anpassungen in Agree21 möglicherweise Anpassungsbedarf in RPA zur Folge haben.Die Sparkassen-Finanzgruppe beschäftige sich aktiv mit dem Thema “und steht RPA entsprechend offen gegenüber”, sagt ein Sprecher. Automatisiert würden insbesondere einfache, sich wiederholende Prozesse. KI werde hingegen noch nicht eingesetzt, von einzelnen Anwendungsfällen, teilweise im Rahmen von Pilotprojekten, einmal abgesehen. Im Sparkassenlager würden jedoch KI-Anwendungen “für den Dauereinsatz” entwickelt. “Wir setzen uns intensiv mit dem Thema auseinander”, heißt es. “Wir betrachten Chancen und Risiken und setzen sämtliche Technologien im Rahmen der rechtlichen und regulatorischen Möglichkeiten um. Den bestehenden regulatorischen Rahmen halten wir für angemessen.”Zum Einsatz kommt RPA nach Erkenntnissen von ZEB häufig im Back Office, das größtenteils mit repetitiven, regelbasierten und strukturierten Prozessen zu tun habe. “Erfolgreiche Institute zeigen aber auch Anwendungsfälle in anderen Bereichen wie Reporting, Einkauf oder Personal auf – hier sehen wir im Markt noch ungenutztes Potenzial”, sagt Senior-Consultant Michael Theisen, der zusammen mit Manager Christian Peltzer die Studie erstellt hat. “Zudem wird durch den Einsatz moderner Technologien, wie zum Beispiel automatische Text- und Bilderkennung, das potenzielle Einsatzgebiet von RPA erweitert.” Ängste bei MitarbeiternVorbehalten und Ängsten von Bankmitarbeitern, durch die Systeme ersetzt zu werden, könne mit Transparenz begegnet werden, sagen die Studienautoren. Diesen Weg ist die Volksbank RheinAhrEifel gegangen: Der Vorstand hat die Mitarbeiter nach eigener Aussage vor Einsatz der Technik informiert, niemanden ersetzen zu wollen, gleichwohl aber erklärt, natürliche Fluktuation zu nutzen, um gegebenenfalls Stellen nicht nachzubesetzen. Als Vorteile von RPA kehren die Berater hervor, dass keine Systemeingriffe notwendig seien und manuelle Prozesse, die repetitiv und regelbasiert ablaufen, fehlerlos automatisiert werden könnten. “Jeder einzelne Prozessschritt, sei es ein Klick, ein Eintrag in ein Textfeld oder der Aufruf von Datenbeständen in einer Datenbank, wird mithilfe dieser Software nachgeahmt – nur schneller, fehlerfrei und 24/7”, sagt Peltzer.Funktioniere RPA, das im Unterschied zu KI und Machine Learning Vorgänge nach Schema F abarbeitet, nach Ansicht der Berater schon allein sehr gut, so eröffne es kombiniert mit KI noch viel mehr Möglichkeiten, womit auch nicht strukturierte Prozesse automatisierbar würden. “Die Kombination von RPA und anderen Technologien wie zum Beispiel KI ermöglicht auch die Automatisierung von komplexeren Prozessen und kann so zusätzliche Effizienzpotenziale erschließen”, sagt Theisen. Von der Entscheidung für eine RPA-Lösung bis zum operativen Einsatz vergingen je nach Komplexität des Prozesses zwei bis drei Monate, berichtet Peltzer. Die Kosten für eine einfache Standardlizenz starteten bei etwa 3 000 Euro pro Jahr und ermöglichten daher auch die Automation von Prozessen, die wegen geringer Fallzahlen normalerweise aus dem Raster fallen würden.