Konjunkturzyklus befeuert Rohstoffe

Die Anlageklasse fristet nach wie vor ein Schattendasein

Konjunkturzyklus befeuert Rohstoffe

Thomas BenedixSenior Portfoliomanager Commodities bei Union InvestmentRohstoffe eröffnen Investoren im aktuellen Marktumfeld attraktive Anlagechancen. Vor allem das solide Wachstum der Weltwirtschaft sollte für eine weiterhin positive Kursentwicklung bei Öl und auch Industriemetallen sorgen. Spätzyklische Marktphasen wie die aktuelle waren bereits in der Vergangenheit gut für die Anlageklasse. Allerdings dürfte Gold etwas an Glanz verlieren.Im vergangenen Jahr waren bei Rohstoffen beträchtliche Kurszuwächse zu beobachten, die aber an vielen Anlegern vorbeigingen. Denn die Anlageklasse fristet in den Portfolios vieler institutioneller Investoren nach wie vor ein Schattendasein. Dafür gib es eine Reihe von Gründen. So erfordern Rohstoffinvestments häufiger als in anderen Anlageklassen einen Einsatz von Derivaten, der nicht allen Anlegern regulatorisch erlaubt ist. Als weiterer Bremsklotz kam eine in den letzten Jahren insgesamt eher dürftige Wertentwicklung hinzu, die wenig Anreiz bot, in diesem Bereich zu investieren.Zuletzt haben sich die Perspektiven für die Anlageklasse jedoch deutlich verbessert. Diese Entwicklung sollten Anleger nutzen, sich wieder mit Rohstoffinvestments auseinanderzusetzen. Denn gerade im derzeitigen Investmentumfeld bieten sie die Chance auf dringend benötigte Zusatzerträge und gleichzeitig eine gute Möglichkeit, das Portfolio zu diversifizieren.Eine weltweit synchrone Aufwärtsbewegung der Wirtschaft war im vergangenen Jahr der primäre Treiber der Rohstoffmärkte. Daran sollte sich auf absehbare Zeit wenig ändern, denn der globale Konjunkturmotor läuft weiterhin auf allen Zylindern. Die Weltwirtschaft dürfte den Volkswirten von Union Investment zufolge im Jahr 2018 um bis zu 4 % wachsen. Besonders in der Eurozone hat sich die Lage signifikant verbessert. Hier ist beim Bruttoinlandsprodukt ein Anstieg von 2,1 % zu erwarten. Und in den USA, wo der Konjunkturzyklus weiter fortgeschritten ist als in Europa, könnte das Wachstum mit 2,5 % in diesem Jahr sogar stärker ausfallen als 2017. Auch in den Emerging Markets sieht die Lage insgesamt erfreulich aus. Der Rohstoffhunger Chinas bleibt unverändert groß, und mit Brasilien und Russland haben zwei weitere große Schwellenländer die Rezession hinter sich gelassen. Das wirtschaftliche Umfeld ist damit auf breiter Front so stabil wie lange nicht mehr und wird an den Rohstoffmärkten auch in diesem Jahr für Rückenwind sorgen.Im Januar 2016 kostete ein Fass der Sorte Brent weniger als 30 Dollar. Doch seitdem kennt der Ölpreis im Grunde nur noch eine Richtung: nach oben. Inzwischen notiert er aktuell bei knapp 70 Dollar. Und eine Fortsetzung der positiven Preisentwicklung ist durchaus möglich. Nachdem sich die Opec-Staaten und ihre Verbündeten darauf verständigt haben, ihre im Herbst 2016 beschlossene Förderbegrenzung bis Ende 2018 aufrechtzuerhalten, dürfte die Nachfrage am Ölmarkt in diesem Jahr nochmals größer sein als das Angebot – trotz einer steigenden Schieferölproduktion in den USA.Das Angebotsdefizit im Ölmarkt zeigt sich unter anderem daran, dass sich die weltweiten Rohöllager mit zunehmendem Tempo leeren. Absolut betrachtet befinden sich die Bestände zwar immer noch auf relativ hohem Niveau. Im Vergleich zu den Höchstständen der vergangenen Jahre kam es jedoch bereits zu einem spürbaren Rückgang, beispielsweise in den Ländern der OECD. Mitte dieses Jahres könnten die Bestände sogar erstmals seit 2014 wieder unter den Fünfjahresdurchschnitt fallen – dies ist auch erklärtes Ziel der Opec. Und noch ein weiterer Punkt spricht für Öl. Kurzfristig ist nur die nordamerikanische Schieferölindus­trie in der Lage, eine signifikante Produktionserhöhung darzustellen. Die großen Ölmultis haben dagegen nur begrenzte Möglichkeiten, auf die anziehende Nachfrage mit einer Ausweitung der Produktion zu reagieren, da in den vergangenen Jahren Investitionen vielfach ausgeblieben sind.Der Blick auf den Terminmarkt erklärt diese Zurückhaltung: Der Preis für Rohöl, den man für die Lieferung in fünf Jahren zahlen muss, liegt unter dem aktuellen Kassapreis. Das ist besonders für Anbieter mit höheren Kosten wie Ölsandfirmen oder Unternehmen in der Tiefseebohrung entscheidend. Sie investieren nämlich nur dann in neue Großprojekte, wenn der längerfristige Preis mindestens ihre Produktionskosten decken kann. Ihre Förderung ist teurer als die der Schieferöl- und Opec Produzenten. Bis Plattform und Infrastruktur einer Tiefseebohrung stehen, vergehen Jahre. Da der Terminpreis derzeit unter den Produktionskosten dieser Anbieter liegt, investieren sie zu wenig. Daher gibt es Spielraum für höhere Preise, die sich unter anderem positiv auf die Gewinnerwartungen von Ölaktien auswirken können, in welche diese Entwicklung noch nicht vollständig eingepreist ist.Ein weiterer zyklischer Rohstoffsektor sind Industriemetalle wie Kupfer, Aluminium, Nickel oder Zink. Diese erzielten im abgelaufenen Jahr Preissteigerungen von durchschnittlich etwa 25 %. Der Preis für eine Tonne Aluminium erreichte zwischenzeitlich den höchsten Stand seit fünfeinhalb Jahren. Hintergrund war unter anderem, dass in China eine Vielzahl von Hüttenwerken ihre Produktion in den Wintermonaten aufgrund der hohen Luftverschmutzung drosseln musste. Die Preise für Nickel zogen ebenfalls deutlich an. Das Metall findet vor allem bei der Herstellung von Edelstahl Verwendung. Für zusätzliche Kursfantasie sorgt der zu erwartende Ausbau der Elektroflotte bei den Automobilherstellern: Da der Nickelanteil in Batterien der neuesten Generation stetig zunimmt, rechnen viele Marktteilnehmer mit einem dynamischen Nachfragewachstum aus diesem Industriebereich – und das bei einem bereits bestehenden Defizit im Markt. Ähnliche Lieferengpässe zeigen sich auch bei Zink und Zinn.Diese Versorgungsengpässe bereiten den Unternehmen zunehmend Kopfzerbrechen. Zu diesem Ergebnis kam im November des vergangenen Jahres eine Studie der Boston Consulting Group. Befragt wurden Vorstände, Einkaufsleiter und Geschäftsführer in Europa. Mehr als drei Viertel der Teilnehmer befürchten Preissteigerungen, oftmals ausgelöst durch drohende Handelsbarrieren. Fundamental spricht also einiges für die Industriemetalle. Denn auch im Jahr 2018 werden bei allen maßgeblichen Industriemetallen Angebotsdefizite erwartet. Allerdings sind die guten Nachrichten hier in gewissem Rahmen bereits eingepreist. Die künftige Preisentwicklung wird folglich davon abhängen, ob der globale Konjunkturmotor weiterhin so hochtourig läuft. Aktuell ist jedenfalls noch keine Verlangsamung in Sicht.Im Gegensatz zu den übrigen Rohstoffsektoren konnten Edelmetalle zuletzt nicht zulegen. Gold schaffte es im Januar 2018 erneut nicht, die wichtige Marke von 1 350 Dollar je Unze nachhaltig zu überschreiten. Steigende Zinsen, eine gute konjunkturelle Lage sowie der große Risikoappetit der Anleger lassen auch im weiteren Jahresverlauf kaum Spielraum für steigende Preise. Einzig ein weiter schwächelnder Dollar könnte helfen. Aufwärts ging es hingegen für Palladium, dessen Preis im vergangenen Jahr um fast 60 % in die Höhe schnellte. Erstmals seit 2001 war Palladium damit wieder teurer als Platin. Auch in diesem Fall spielen die Entwicklungen in der Automobilbranche eine wichtige Rolle: Während Palladium für Katalysatoren bei Benzinern verwendet wird, kommt Platin bei Dieselmotoren zum Einsatz. Die Verschiebung der Marktanteile von Dieselfahrzeugen zu Benzinern findet somit auch am Rohstoffmarkt ihren Niederschlag. Während bei Platin in diesem Jahr mit einem leichten Angebotsüberschuss zu rechnen ist, sollte der Palladiummarkt weiterhin von einem Angebotsdefizit geprägt sein.Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Anlageklasse Rohstoffe institutionellen Anlegern wie Pensionskassen und Stiftungen im Ertragsdilemma als Beimischung im Portfolio zusätzliche Renditechancen und Diversifikationspotenzial eröffnet. Ein starker makroökonomischer Datenkranz deutet auf eine weiter anziehende Nachfrage hin. Davon sollten im aktuellen Stadium vor allem der Energiesektor und Industriemetalle profitieren. Edelmetalle hingegen müssen sich eher auf Gegenwind einstellen. Sie behalten angesichts schwelender geopolitischer Risiken jedoch ihre Funktion als sicherer Hafen.