IM INTERVIEW: MASSIMO GRECO, J.P. MORGAN ASSET MANAGEMENT

"Konsolidierung gehört dazu"

Der Head of European Funds des Vermögensverwalters zu Branchentrends, Multi-Asset-Fonds und Robo-Advisory

"Konsolidierung gehört dazu"

Massimo Greco hält nicht viel von der selbstgesteuerten Vermögensverwaltung per Robo-Advisory. Das Konzept sei in Europa ebenso wenig durchgestartet wie in Amerika, sagte der Head of European Funds von J.P. Morgan Asset Management. Neue Technologien brauche man, um Berater produktiver zu machen.- Herr Greco, was hat sich in den zurückliegenden zwölf Monaten verändert?Nicht viel. Aber wer hätte vor einem Jahr erwartet, dass der US-Aktienmarkt weltweit die beste Performance zeigen würde – angesichts der Erwartungen, dass die Fed die Zinsen erhöhen würde, und all der politischen Unwägbarkeiten? Die Stärke des US-Aktienmarkts und der US-Wirtschaft waren eine für uns und unsere Kunden eine große Überraschung.- Wie drückte sich das aus?Der Großteil unserer Kunden hatte US-Werte bestimmt nicht übergewichtet, ein Teil hatte sie untergewichtet. Das ging nicht nur uns so, das war über die ganze Branche hinweg zu sehen, etwa an der Performance von Fonds. Die Bemühungen der Fed, ihre Bilanz zu schrumpfen, sind bislang allen Befürchtungen zum Trotz gut gegangen. Dass wir so wenig Volatilität und eine positive Kursentwicklung beobachten konnten, war eine große Überraschung für die Märkte und für mich. Deshalb ist Diversifizierung immer wichtig. Und Demut. Niemand hat eine Kristallkugel, die ihm die Zukunft zeigt.- Wie geht es der Branche?Der Branche geht es weiterhin wirklich gut. Uns geht es sehr gut – in Kontinentaleuropa, in Deutschland. Wir haben uns in der Position eines Assetmanagers etabliert, dem die Kunden vertrauen. Wir bekommen Preise für die Qualität unseres Service, was ganz wesentlich für uns ist. Wir bekommen aus der Branche Komplimente für unsere Anstrengungen in Sachen Aus- und Fortbildung. Das ist alles sehr positiv.- Ist es schwieriger geworden, sich von den Wettbewerbern abzusetzen?Es ist schwierig. Was die Markenidentität angeht, sind wir sehr stark. J.P. Morgan ist ein starker Name. Aber auf der Ebene der einzelnen Fonds können viele als sehr ähnlich wahrgenommen werden. Es ist jede Menge harte Arbeit, darzustellen, was wir anders und was wir besser machen. Es nicht zu komplex auszudrücken, ist eine Herausforderung.- Werden Sie die Zahl der angebotenen Fonds weiter reduzieren?Das Produktangebot ist ein lebendiger Organismus und sollte immer dynamisch gemanagt werden, indem man neue Fonds einführt, wo Nachfrage da ist, und gleichzeitig alte eliminiert, die den Zweck nicht mehr erfüllen, für den sie vielleicht vor 20 Jahren geschaffen wurden. Ein gesundes Unternehmen wie unseres sollte das ständig tun und so gehen wir dieses Thema auch sehr aktiv an. Ein solcher Schritt ist keine Antwort auf das Marktumfeld, sondern Teil der treuhänderischen Verantwortung eines Assetmanagers. Und auch wenn wir in den letzten Jahren einige Fonds geschlossen oder zusammengelegt haben, bieten wir immer noch eine Menge Fonds an. Als wir dieses Jahr einige zusammengelegt haben, hatte das keine negativen Auswirkungen und es gab keine Beschwerden. Wir sind inzwischen so daran gewöhnt, dass wir auch diese Art der Kommunikation professionell und proaktiv managen können.- Aber es gibt nicht das Ziel, das Angebot um einen bestimmten Anteil zu reduzieren?Absolut nicht. Wir haben das sehr allgemein formulierte Ziel, das Produktangebot nicht allzu sehr auszuweiten. Wenn wir einen neuen Fonds auflegen, bedeutet das, dass wir darüber nachdenken, was wir vielleicht nicht mehr brauchen. Aber es gibt keine numerischen Ziele. Uns ist aber klar, dass wir die Gesamtzahl unter Kontrolle halten müssen.- Es gibt immer mehr differenzierte Multi-Asset-Angebote wie Multi-Asset Credit, grüne Multi-Asset-Fonds. Demnächst auch von Ihnen?Das Prinzip eines Multi-Asset-Fonds ist doch, dass er so diversifiziert wie möglich sein sollte. Unser Flaggschiff ist sowohl nach geografischen Regionen als auch nach Assetklassen sehr breit aufgestellt. Ich verstehe manchmal den Punkt nicht, wenn etwas Multi-Asset sein soll, aber eng begrenzt ist. In Asien haben wir aber die Nachfrage nach asienspezifischen Multi-Asset-Fonds, deshalb bieten wir sie an. Viele Wettbewerber versuchen, unseren Erfolg mit Multi-Asset-Produkten zu kopieren, und versuchen es mit solchen Nuancen, aber …- Marketing ist alles.Am Ende ist Diversifizierung besser. Für viele Endanleger, die beispielsweise in unseren Global Income Fund investiert haben, ist das der einzige Fonds mit globalem Exposure. Sie sind keine Kunden von Privatbanken, die ihnen ein komplexes Portfolio bauen. Für sie ist dieser Fonds der Kern ihrer Risikostreuung. Und weil das so ist, sollte der Fonds breit diversifiziert sein.- Und es geht bei Multi-Asset immer um Einkommen.Für diesen Anlegerkreis gilt das absolut. Das sind Anleger, die von ihren Spareinlagen die regelmäßigen Erträge gewöhnt sind und sie schätzen es sehr, dass sie mit den Ausschüttungen nachvollziehen können, was das Ersparte “verdient” hat.- Hat sich in der Branche etwas verändert? Es gab ein wenig Konsolidierung.Konsolidierung gehört dazu. Für mittelgroße Assetmanager wird es jeden Tag schwieriger. Wenn man sich auf ein oder zwei Dinge fokussiert, ist es vielleicht einfacher. Aber wenn man als mittelgroßer Player eine Menge machen und in mehreren Regionen vertreten sein will, wird es immer härter. Das erklärt einen Teil der M&A-Aktivitäten in unserer Branche.- Löst das die zugrundeliegenden Probleme?Manchmal funktioniert es, manchmal nicht. Es hängt stark von der Fähigkeit des Managements ab, von der Komplementarität. Wir haben als Haus in der Vergangenheit Vermögensverwaltungsgeschäfte erfolgreich zusammengeführt, weil sich Banken in unserer Gruppe zusammengeschlossen haben. Wir wünschen denen, die das versuchen, viel Glück. Man kann es schaffen. Aber es gibt noch einen anderen wichtigen Trend.- Und der wäre?Wir beobachten eine beschleunigte Transformation von der Lancierung von Fonds für Drittparteien zu White-Label-Fonds. Man könnte von einer zunehmenden vertikalen Integration sprechen. In manchen Ländern gibt es das stärker als in anderen. Als Ergebnis von Mifid II und der sich verändernden Branchendynamik bekommen Endkunden zwar weiterhin traditionelle Angebote von Drittparteien, aber auch Inhouse-Fonds, die von Dritten gemanagt werden. Der Markt “revertikalisiert” sich, nachdem er sich ein paar Jahre Richtung Drittparteien entwickelt hat.- Wird mehr Fondsmanagement ausgelagert?Nein, eigentlich ist es teilweise Insourcing. Wenn ein Kunde zuvor alle meine Bedürfnisse seiner Kunden mit dem J.P.-Morgan-Equity-Fonds adressiert hat, bietet er künftig einen eigenen Fonds an, oder ein Produkt einer Schwestergesellschaft seiner Gruppe, der aber am Ende immer noch von uns gemanagt wird.- Ist das denn von der Marge her attraktiv?Es ist eine andere Art, die Wertschöpfungskette zu managen. Deshalb gibt es da eine Mifid-Komponente. Das wird bei der europäischen Assetmanagementbranche unvermeidlicherweise zu einem größeren Fondsangebot führen. Wenn jeder sein eigenes Produkt anbietet, trägt das nicht unbedingt zur Skalierbarkeit bei, aber so ist das eben. Wenn es am Markt dieses Bedürfnis gibt, gehen wir gerne darauf ein und spielen eine wichtige Rolle in dieser Transformation.- Muss ich als Drittpartei für Ihr Produkt nicht noch zusätzliche Gebühren erheben, um Geld zu verdienen?Eigentlich nicht. Es ist ja nicht so, dass man ein Produkt, das man zuvor selbst gemanagt hat, an Dritte auslagern würde. Zuvor haben Sie dem Endkunden einen J.P.-Morgan-Fonds ins Portfolio gelegt. Jetzt legen Sie Ihren eigenen Fonds hinein, der von uns gemanagt wird. Das ist ein anderes Geschäftsmodell mit anderen wirtschaftlichen Gegebenheiten. Das treibende Element dabei ist die Vertriebsseite der Finanzinstitutionen, nicht das Assetmanagement. Es ist der Vertrieb, der entscheidet, es so zu machen.- Spürt man im Vertrieb schon die Auswirkungen der neuen Technologien?Die selbstgesteuerte Vermögensverwaltung per Robo-Advisory ist nicht durchgestartet, weder in Europa noch in den Vereinigten Staaten. Da wird nur viel darüber geredet. Schlaue Finanzintermediäre werden Ihnen sagen, dass Sie mehr und vor allem bessere Technologien brauchen, um Ihre Berater produktiver zu machen.- Wie würde das aussehen?Statt einen Beratertag damit verbringen zu müssen, einen personalisierten Bericht für den Kunden zusammenzustellen, der diverse Informationen zusammenfügt, wollen sie nur auf einen Knopf drücken und fertig. Sie wollen die eigene Organisation produktiver machen und den Kunden eine bessere Dienstleistung bieten. Denn sie bekommen den Bericht nun in zehn Minuten statt wie bislang nach zwei Tagen. Das ist wichtiger als einen eigenständigen Robo-Advisor aufzubauen.- Passiert viel in diese Richtung?Das ist meist nicht viel mehr als Marketing. In Europa gibt es zudem noch viel Nervosität, wenn es um die Geldanlage geht. Die Kunden wollen an die Hand genommen werden. Vor allem die ältere Generation, die mehr Geld hat, fühlt sich noch nicht wohl damit, so etwas am Bildschirm selbst zu machen. Von uns wird erwartet, dass wir Daten mit Hilfe von Technologie effizienter liefern. Wenn Sie an die ganzen Offenlegungspflichten denken, müssen wir wesentliche Investitionen tätigen, um diese Informationen in sinnvoller Form vorlegen zu können und keine Excel-Tabellen verschicken zu müssen. Da ist hinter den Kulissen viel passiert.- Aber auf den Vertrieb gibt es bislang keine Auswirkungen?Nein, nicht wenn man auf das Volumen blickt.- Man fragt sich immer, ob die Berater, die Fintech-Firmen gründen, am Ende nur übernommen werden wollen.Ja, das ist oft der Fall. Es ist schwierig und kostspielig, Kunden zu akquirieren. Das ist nicht so einfach, wie manche von diesen Start-ups denken.- Hat sich auf der Kundenseite viel getan?Ich denke, dass man bei den Marktanteilen keine großen Veränderungen sieht. Einige Finanzintermediäre wachsen schneller als andere. Aber das ist keine Branche, in der es zu großen Bewegungen auf der Kundenseite kommt.- Und wir wissen immer noch nicht, was aus dem Brexit wird, oder?Wir haben uns auf alles vorbereitet, was möglicherweise passieren könnte. Aber wir hoffen auf einen möglichst freundschaftlichen Brexit. Ein Hard Brexit würde allen schaden. Vielleicht gibt es ja schon bald etwas Bewegung.—-Das Interview führte Andreas Hippin.