Konsumfinanzierer rüsten sich für Pleitewelle von Privatleuten

Targobank, TeamBank und Santander schrauben Risikovorsorge hoch - Branchenbeobachter erwarten Anstieg der Insolvenzverfahren

Konsumfinanzierer rüsten sich für Pleitewelle von Privatleuten

Von Antje Kullrich, Düsseldorf, und Jan Schrader, FrankfurtNoch herrscht Ruhe. “Der normale Konsument ist im Moment sehr liquide und zahlt seine Rechnungen”, sagte Creditreform-Hauptgeschäftsführer Volker Ulbricht am Mittwochabend vor der Wirtschaftspublizistische Vereinigung Düsseldorf. “Im Konsumentenbereich gibt es keine Zahlungsprobleme.” Doch schon bald dürfte die Zahl der Privatinsolvenzen wieder anziehen, wie Branchenbeobachter warnen – mit Folgen für die Kreditwirtschaft. Die Konsumentenfinanzierer bereiten sich auf rauere Zeiten vor, wie eine Umfrage der Börsen-Zeitung zeigt.So haben die Institute ihre Risikovorsorge deutlich aufgestockt: Die Düsseldorfer Targobank hat wegen der Pandemie im ersten Halbjahr zusätzlich 116 Mill. Euro gebildet, wie aus einer Präsentation der französischen Mutter Crédit Mutuel hervorgeht. Die TeamBank, Konsumfinanzierer der Kreditgenossen, hat die Risikovorsorge im Halbjahresvergleich um 17 Mill. Euro auf 71 Mill. Euro erhöht, wie im Bericht der Konzernmutter DZ Bank zu lesen ist. Und der spanische Bankenriese Santander hat im Segment Consumer Finance, das neben Deutschland auch andere Länder umfasst, vorsorglich 501 Mill. Euro gebildet, 177 % mehr als in der ersten Hälfte 2019.Zugleich beschwichtigen die Häuser die Lage: Die Targobank blickt “verhalten positiv” nach vorne. Entscheidend für den weiteren Verlauf der Krise sei nun, ob es zu einer zweiten Infektionswelle komme und wie die Behörden reagierten. Auch die TeamBank blickt “optimistisch” in die Zukunft und erklärt, die Beratung in der Krise hochzufahren. Die Bank hat demnach die Risikovorsorge erhöht, weil Kunden häufiger nach Änderung der Kreditraten gefragt haben oder eine Restschuldversicherung in Anspruch nahmen. Die deutsche Santander Consumer Bank berichtet von einer rückläufigen Nachfrage nach Kreditstundungen. “Bei einer Vielzahl der Kunden waren die Einkommenseinbußen nur vorübergehend.” Die Bank gehe von einem moderaten Anstieg der Privatinsolvenzen aus, für eine Bewertung sei es aber zu früh. S-Kreditpartner der Sparkassen wollte auf Nachfrage keine Auskunft geben, Consors Finanz der Großbank BNP Paribas reagierte zunächst nicht.Von einer Krise ist bisher noch wenig zu sehen, berichtet die Auskunftei Crifbürgel: Im ersten Halbjahr 2020 gingen die Privatinsolvenzen in Deutschland trotz Coronakrise um 8,4 % zurück. Knapp 39 000 Menschen mussten ihre Zahlungsunfähigkeit anmelden – und damit so wenig wie seit 2004 nicht mehr. Ein Grund für die niedrige Quote sind nicht nur die staatlichen Hilfen in der Coronakrise wie das Kurzarbeitergeld und die Möglichkeit zur zeitweiligen Kreditstundung, sondern auch die eingeschränkte Tätigkeit der Insolvenzgerichte in der Phase des Lockdowns, wie das Statistische Bundesamt vermutet. Durch die aktuelle Wirtschaftskrise dürfte die private Verschuldung deutlich zunehmen, erwartet nun Crifbürgel. “Für das laufende Jahr gehen wir von bis zu 85 000 Privatinsolvenzen aus – 2021 könnten es über 100 000 werden”, sagt Geschäftsführer Frank Schlein.Bereits jetzt gelten rund 6,8 Millionen Bürger als überschuldet. Banken sind dabei nicht die einzigen Geldgeber, besonders häufig zählen öffentliche Stellen wie die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung, Telekommunikationsanbieter, Gewerbetreibende sowie Versicherungen zu den Gläubigern. Gleichwohl hat die Kreditwirtschaft das höchste Gewicht, wie das Statistische Bundesamt in einer Erhebung über Schuldnerberatungsstellen ermittelt hat: Im Jahr 2018, dem jüngsten Berichtsjahr, stand jede ratsuchende Person mit durchschnittlich rund 29 000 Euro in der Kreide – davon entfielen rund 13 000 Euro auf Bankdarlehen, vor allem auf Ratenkredite, aber auch auf Baufinanzierungen und Disposchulden.Für viele dieser Menschen könne ein Schock auf der Einkommensseite wie geringer Verdienst infolge von Kurzarbeit für ein erhöhtes Risiko einer Privatinsolvenz sorgen, schreibt Crifbürgel. Hinzu kommt, dass Soloselbstständige und Honorarkräfte aus unterschiedlichsten Branchen von einem Tag auf den anderen ihr komplettes Einkommen verloren haben. Durch die Pandemie seien so viele Bürger unerwartet in eine finanzielle Schieflage geraten.Das Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen, das jährlich einen Überschuldungsbericht aus Verbrauchersicht herausgibt, rechnet ebenfalls mit einer bevorstehenden Welle von privaten Pleiten. Dabei könnte auch die geplante Verkürzung des Privatinsolvenzverfahrens eine Rolle spielen: Voraussichtlich ab dem 1. Oktober wird die Restschuldbefreiung bereits nach drei Jahren statt wie bisher in der Regel nach sechs Jahre möglich sein. Einige Privatleute halten ihren Antrag offenbar vorerst zurück.