ENDE DER GEWISSHEITEN

Kontaktabbruch aus Unsicherheit

Wegen regulatorischer Unwägbarkeiten und hoher Kosten stutzen Institute internationale Verbindungen

Kontaktabbruch aus Unsicherheit

Von Tobias Fischer, FrankfurtSeit Jahren schwindet weltweit die Zahl der Korrespondenzbanken. Im vergangenen Jahr ging es um gut 4 % abwärts und in den sieben Jahren von 2011 bis 2017 um 15,5 %, wie der Finanzstabilitätsrat (FSB) festgestellt hat. Das Gremium zur Überwachung des internationalen Finanzsystems hat zwar keine Auswirkungen auf die Gesamtstabilität ausgemacht, betrachtet die Entwicklung aber mit Sorge, weil dadurch die Fähigkeit zur Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungen beeinträchtigt oder Geldflüsse in den Untergrund gedrängt werden könnten. Das wiederum hätte negative Konsequenzen für Außenhandel, Wirtschaftswachstum und finanzielle Inklusion, also den Zugriff auf Finanzdienstleistungen, und könnte das Risiko von Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierung erhöhen.Die Ursachen des Korrespondenzbankenschwunds sind vielfältig. Heraus stechen jedoch Unwägbarkeiten und Aufwendungen im Zusammenhang mit “Kenne deine Kunden”-Prozessen (KYC) und ihren Weiterungen, “Kenne die Kunden deines Kunden” (KYCC). “Steigende Kosten und Unsicherheit darüber, wie weit die Customer Due Diligence reichen soll, um sicherzustellen, dass regulatorische Compliance eingehalten wird – z. B. in welchem Umfang Banken die Kunden ihrer Kunden kennen müssen -, werden von Banken als Hauptgründe für die Kürzung ihrer Korrespondenzbankenbeziehungen genannt”, hat etwa das bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) angesiedelte Committee on Payments and Market Infrastructures (CPMI) herausgestellt. Eines der größten Probleme sei, dass Banken nicht wüssten, was die zuständigen Stellen von ihnen erwarten, um der Regulierung voll gerecht zu werden, heißt es. Risiken werden gemiedenUm Strafen und Reputationsschäden zu entgehen, suchen viele Institute ihr Heil demnach in der Vermeidung von Risiken. Konkret heißt das beispielsweise, dass Geschäfte mit Partnerbanken gestutzt oder eingestellt werden, die wenig Ertrag bringen, in als zu risikoreich erachteten Staaten beheimatet sind oder Produkte anbieten bzw. Kunden haben, die unter den Gesichtspunkten Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder Sanktionen als heikel eingestuft werden könnten. Die Entscheidung, Beziehungen zu kappen bzw. sich aus Regionen zurückzuziehen, hänge oft mit Zweifeln am Vermögen der Partnerbanken zusammen, Risiken richtig zu managen, bekundet der Internationale Währungsfonds. Höhere regulatorische Anforderungen und ein härteres Vorgehen von Strafverfolgungsbehörden gegen Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung, Sanktionsverstöße und Steuervergehen täten ihr Übriges.Wie sehr die Compliance ins Geld geht, hat der Datendienstleister Lexisnexis ermittelt: Er schätzt die Gesamtausgaben der Banken für Anti-Geldwäsche-Compliance (vgl. BZ vom 12.7.2017) in Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden und der Schweiz auf jährlich insgesamt gut 83 Mrd. Dollar (s. Grafik). Berücksichtigt sind dabei Arbeits- und IT-Kosten sowie die Ausgaben für die Überprüfung von Geschäftspartnern bzw. Kunden (Customer Due Diligence), für Sanktionslistenprüfungen, Transaktionsüberwachung, Reporting, Audits und Schulungen. Den größten Batzen nimmt der Erhebung zufolge mit einem Anteil von 40 % KYC ein. Um dem Niedergang des Korrespondenzbankensystems etwas entgegenzusetzen, hatte der FSB schon 2015 einen vier Punkte umfassenden Aktionsplan veröffentlicht, der laufend aktualisiert wird. Nationale Behörden und Banken stehen nun in der Verantwortung, die Umsetzung zu gewährleisten. Kernanliegen des FSB sind die weitere Beobachtung der Entwicklung, die Klarstellung der aufsichtlichen Erwartungen, Hilfestellung beim Aufbau nationaler Institutionen und Kapazitäten gegen Geldwäsche sowie Standardisierung in puncto KYC. So empfiehlt der FSB etwa, den “Wolfsberg Group Correspondent Banking Due Diligence”-Fragebogen ab Ende 2019 zur Datenerhebung zu verwenden. “Viel Verwirrung gestiftet”Die Vorstöße sollen der Verunsicherung in den Banken entgegenwirken, die erheblich ist, wie selbst die Financial Action Task Force (FATF) zugibt, der maßgebliche internationale Standardsetzer zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung: “Der Begriff KYCC hat viel Verwirrung gestiftet.” Dabei verlangt die FATF Banken nach eigenem Bekunden nicht ab, KYCC-Verfahren vorzunehmen. Ihre Erwartungen hat sie unter anderem im Leitfaden “Korrespondenzbankdienstleistungen” im Oktober 2016 formuliert: “Zur Klarstellung: Die FATF-Empfehlungen verpflichten ein Finanzinstitut nicht, seine Sorgfaltspflichten bei der Feststellung und Überprüfung der Kundenidentität auf die Kunden ihrer Kunden (d. h. jeden einzelnen Kunden) anzuwenden.”Die Notenbank der Notenbanken, die BIZ, betrachtet die Verhältnisse als geklärt. Sie verweist auf Anfrage auf den FSB-Aktionsplan, in dessen Rahmen FATF und die Geldwäsche-Expertengruppe (AMLEG) des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht für Orientierung bezüglich der regulatorischen Erwartungen gesorgt hätten. Nun überprüften sie, ob ihre Einlassungen auf nationaler Ebene umgesetzt werden.Derweil rät Christine Varga-Zschau, Geldwäsche-Expertin bei Rödl & Partner, Banken, sich besser schon einmal auf das KYCC-Prozedere einzustellen. Zwar seien sie hierzulande nicht angewiesen, in Erfahrung zu bringen, mit welchen Kunden es die eigene Kundschaft zu tun hat, doch geht ihrer Ansicht nach die Entwicklung klar in diese Richtung: “Noch gibt es keine gesetzliche Regelung, die Banken zur Einhaltung des weitgehenden KYCC-Prinzips verpflichtet, wenn auch die Zeichen gesetzt sind, welche auf eine Etablierung dieses Systems in naher Zukunft hindeuten.”Darauf deute zum einen das im Mai in den USA in Kraft getretene Customer-Due-Diligence-Gesetz hin. Es hält Banken dazu an, die wirtschaftlichen Eigentümer von Unternehmen, die Konten eröffnen, festzustellen sowie die Art und den Zweck der Geschäftsbeziehung zu klären, um so ein Kundenrisikoprofil anzufertigen. Zum anderen verpflichtet die 4. EU-Geldwäscherichtlinie die Nationalstaaten zur Einführung von Transparenzregistern, in denen die wirtschaftlich Berechtigten von juristischen Personen, Stiftungen und Vereinen verzeichnet werden müssen. Beabsichtigt sei das Durchleuchten aller Finanzströme und aller der an den Transaktionen beteiligten Personen, sagt Varga-Zschau, um so verdächtige Geldflüsse möglichst frühzeitig aufzudecken. Kunden der Kunden prüfenUm das zu erreichen, “wird man nicht umhinkommen, die Identifizierung nicht am eigenen Vertragspartner enden zu lassen, sondern auch die eigentlichen Nutznießer der Kunden zu erfassen”. Dies werde nur mit erheblichem Mehraufwand zu bewerkstelligen sein, sei aber unerlässlich, um hohe Geldstrafen und Reputationsschäden zu verhindern. “Finanzinstitute tun gut daran, sich bereits jetzt auf die gesteigerten Anforderungen der Zukunft einzustellen”, legt die Juristin den Banken nahe. “Denn wenn das entsprechende Gesetz erst einmal in Kraft tritt, wird dafür keine ausreichende Zeit zur Verfügung stehen.”