IM BLICKFELD

Kredite schieben Wohnungsneubau nicht genug an

Von Thomas List, Frankfurt Börsen-Zeitung, 31.3.2016 "Immobilienboom schiebt Sparkasse Nürnberg an" titelte diese Zeitung am 19. März mit Hinweis auf die Zusagen für Baufinanzierungen an Privatpersonen, die 2015 um 16 % zulegten. Bei den Sparkassen...

Kredite schieben Wohnungsneubau nicht genug an

Von Thomas List, Frankfurt”Immobilienboom schiebt Sparkasse Nürnberg an” titelte diese Zeitung am 19. März mit Hinweis auf die Zusagen für Baufinanzierungen an Privatpersonen, die 2015 um 16 % zulegten. Bei den Sparkassen in Rheinland-Pfalz lag das Plus bei Wohnungsbaukrediten sogar bei 21,2 %, während es bei allen deutschen Sparkassen 23,3 % waren. Und wieder: Niedrige ZinsenKein Zweifel, Immobilienkredite wurden im vergangenen Jahr kräftig nachgefragt, deutlich mehr als im Jahr zuvor. Nach den Ursachen muss man nicht lange suchen. Ganz zentral liegt das an den historisch niedrigen Zinsen, aber auch an der guten gesamtwirtschaftlichen Lage in Deutschland, die eine hohe Arbeitsplatzsicherheit mit sich bringt. Die Menschen trauen sich schlicht, Wohnungen und Häuser zu kaufen. Und sie können dies auch, weil sie über sichere (Arbeits-)Einkommen verfügen.Allerdings gilt auch: Die Preise für Wohneigentum sind hierzulande deutlich gestiegen. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) gibt die Preissteigerungen für selbst genutztes Wohneigentum für 2015 mit 4,5 % an, die höchste Steigerungsrate seit 2005. Ebenfalls Rekord ist das Plus bei Mehrfamilienhäusern mit 7,2 %. Damit sind die Preise seit 2010 um 17,5 % (Wohneigentum) bzw. 29,7 % (Mehrfamilienhäuser) in die Höhe geschossen. Der stärkere Anstieg der Preise für Mehrfamilienhäuser wird in der DZ Bank-Studie “Wohnungsbaugenehmigungen signalisieren Wachstum” mit der Suche von Versicherungen, Pensionskassen, Stiftungen und Family Offices nach Alternativen zum Kauf von Anleihen in Zusammenhang gebracht. Mietwohnungen gälten als “vergleichsweise risikoarme und zugleich halbwegs rentierliche Anlageform”. Bezogen auf das gesamte Bundesgebiet zeigt ein Blick in die Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis), dass Genehmigungen zum Bau von Wohnungen im vergangenen Jahr erstmals seit 2000 die 300 000er Grenze überschritten haben. Damit habe sich eine 2009 begonnene Entwicklung fortgesetzt, heißt es bei Destatis. Im Geschosswohnungsbau (Gebäude mit drei oder mehr Wohnungen) fiel das Wachstum mit 6,9 % auf 137 000 Wohnungen etwas schwächer aus – für den Autor der DZ Bank-Studie Thorsten Lange ein Hinweis auf fehlende Bauflächen in den Städten.Bei den vermutlich insbesondere für Flüchtlinge errichteten Wohnheimen stieg die Zahl der genehmigten Wohnungen 2015 um 12,5 % auf 12 000, nachdem sie bereits im Vorjahr um 31,1 % gestiegen war. Von 2013 bis 2015 schoss die Zahl genehmigter Wohnungen in Wohnheimen den Angaben von Destatis zufolge damit insgesamt um 47,6 % in die Höhe.2015 war auch ein deutlicher Anstieg der Wohnungsbaukredite feststellbar. In den letzten drei Quartalen waren die Wachstumsraten in Bezug auf das jeweilige Vorjahresquartal im Bestand zweistellig (bei langfristigen Krediten zwischen 11,6 und 13,7 %), zeigt sich in den Statistiken der Bundesbank (s. Grafik). Das Neugeschäft mit privaten Wohnungsbaukrediten erreichte im Juli des Vorjahres rekordhohe 25,3 Mrd. Euro – ein Drittel mehr als im gleichen Monat des Vorjahres. Zwar sank in den Folgemonaten das Neugeschäft wieder unter 20 Mrd. Euro. Doch lag das Neugeschäftsvolumen 2015 rund 22 % über dem von 2014. Den Rückgang im Januar 2016 schreibt Lange unter anderem Vorzieheffekten zu, die Mitte 2015 angesichts anziehender Zinsen zu beobachten gewesen seien.Nun müssen allerdings nicht alle diese Kredite in den Neubau bzw. den Ankauf von Wohnungen oder Häusern fließen. Für Michael Stappel von der DZ Bank zeigt die langfristige Entwicklung von Wohnungsbaugenehmigungen und Wohnungsbaukrediten jedoch, dass sich erhöhte Baugenehmigungen mit leichter Zeitverzögerung in der Kreditvergabe (Neugeschäft) widerspiegeln.Deutlich schwächer sei der Zusammenhang mit den Wohnungsbaukreditbeständen, die auch stark vom Tilgungsverhalten abhingen. Hier zeige sich, so Stappel, dass das niedrige Zinsniveau zu erhöhten Tilgungen führt. So ließen niedrigere Kreditzinsen mehr Spielraum für die Tilgung. Außerdem führten niedrige Anlagerenditen dazu, dass freie Mittel eher für Kredittilgungen verwendet werden als für die Geldanlage. Wachstum hält anFür das Gesamtjahr 2016 wird in der DZ Bank-Studie mit weiter wachsenden Wohnungsbaukreditbeständen gerechnet. Darauf deute nicht nur die steigende Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen hin. Helfen könnte auch die von der Bundesregierung beschlossene Förderung des Mietwohnungsbaus.Trotzdem dürfte die Zahl der fertiggestellten Wohnungen auch 2016 nicht reichen, um den Bedarf zu decken. 2014 waren es laut Destatis 245 000, immerhin deutlich mehr als 2013 (215 000). Für 2015 rechnet die DZ Bank mit rund 260 000. Der tatsächliche jährliche Bedarf wird auf 350 000 bis 400 000 Wohnungen geschätzt. Dem stehen zu wenige ausgewiesene Bauflächen sowie hohe Kosten für Grundstück und Bau (z. B. energetische Standards) entgegen. Da dürften auch günstige Kredite nur begrenzt helfen.