Künstliche Intelligenz wird für Firmen zum Risiko
Künstliche Intelligenz wird für Firmen zum Risiko
Wirtschaft weltweit blickt gespalten auf IT-Revolution – Umfrage der Allianz sieht hohe Sensibilität für Cyberangriffe – Fachkräftemangel nur noch zweitrangig
mic München
Künstliche Intelligenz (KI) wird für Firmen zunehmend auch zum Risiko. Dies ermittelte Allianz Commercial in einer Umfrage unter 3.800 Risikomanagern aus 106 Ländern. Cyberattacken landeten demnach zum vierten Mal an der Spitze des Allianz Risk Barometers. Neue Technologien wie KI wurden erstmals unter den Top 10 der Risiken genannt. „Weltweit ist Cyber das absolute Top-Risiko“, sagte der Deutschland-Chef von Allianz Commercial, Michael Furtschegger, in einem Pressegespräch.
Cyberangriffe werden Furtschegger zufolge von 38% der Befragten genannt. Vor zehn Jahren rangierte das Cyberrisiko lediglich auf Platz 8 mit 12% der Nennungen. Im Jahr 2025 ist zudem der Abstand zum zweitplatzierten Risiko Betriebsunterbrechung mit 7 Prozentpunkten so groß wie nie zuvor. Die Online-Gefahren setzten in Deutschland sogar 47% der Befragten auf Platz 1. Dies sind drei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
Der Siegeszug von ChatGPT & Co. wird die Welt der Cyberattacken verändern, ist die Allianz überzeugt. „Künstliche Intelligenz zieht auch bei den Kriminellen ein“, sagte Jens Krickhahn, der die Cyber-Sparte von Allianz Commercial leitet. Er appellierte an die Unternehmen, KI-Abwehrsystemen ein eigenständiges Agieren zu erlauben: „Künstliche Intelligenz sollte bei den Unternehmen aktiv arbeiten dürfen.“
Wenn die KI lediglich zur Entdeckung von Angriffen eingesetzt werde, aber ohne Zutun der Menschen nicht reagieren könne, seien die Schäden im Schnitt 1.000-mal höher als bei einer automatisierten Abwehr, erläuterte Krickhahn. Daher schaue die Allianz darauf, wie die Firmen ihre Abwehr planten: „Dies hinterfragen wir im Risikodialog mit unseren Kunden.“
Neue Wege für Angreifer
Künstliche Intelligenz wird Krickhahn zufolge aber auch die Formen der Angriffe verändern. „Ich könnte mir vorstellen, dass es künftig neue Wege gibt“, erklärte er auf Nachfrage. So sei die völlige Automatisierung von Attacken eine derartige Variante. Es dauere nur Millisekunden, bis eine Maschine entstandene Lücken nutze.
Künstliche Intelligenz werde von Unternehmen allerdings auch als eigenständiges Risiko identifiziert, berichtet Furtschegger. Weltweit stuften sie neue Technologien wie KI erstmals auf dem 10. Platz ein. Allerdings glaubt rund die Hälfte der Befragten, KI bringe mehr Vor- als Nachteile. Nach Meinung von 35% halten sich beide Effekte die Waage, während 15% ein Überwiegen der Nachteile sieht.
Klimawandel wird immer wichtiger
Insgesamt werden Cyberattacken mittlerweile in 20 Ländern weltweit als die dominierende Gefahr wahrgenommen. Acht von 24 befragten Branchen definieren dieses IT-Risiko als Nummer 1. Erstmals dabei sind Luftfahrt, Chemie und die Unterhaltungsindustrie, erneut nennen es Finanzdienstleistungen, Medien sowie die Sektoren Dienstleistungen, Technologie und Telekommunikation.
Die Sorge vor Datenpannen und folgenden Schadenersatzklagen rangiert in dieser Kategorie mit 60% noch vor Angriffen auf kritische Infrastruktur/Vermögenswerte. „Es kommen Sammelklagen auf die Unternehmen zu“, erläuterte Krickhahn. In Deutschland seien die Angriffe auf kritische Infrastruktur oben auf der Liste des Cyberrisikos.
Der Klimawandel erreicht mit Platz 5 weltweit die höchste Platzierung seit Erstellung der Studie. „Das zeigt, dass er einen hohen Fokus bei den Unternehmen hat“, sagte Furtschegger. Aussagen über mögliche Belastungen der Allianz infolge der Waldbrände rund um Los Angeles wollte der Versicherer nicht machen. Die Lehre der Naturkatastrophen sei, dass man viel mehr Prävention brauche.
Lieferketten reißen häufiger
Im Risikobarometer für Deutschland spielt der Fachkräftemangel keine zentrale Rolle mehr. Während er im Vorjahr noch als viertgrößtes Risiko wahrgenommen wurde, rutschte er nun auf Platz 8 ab. Dies habe wohl mit der wirtschaftlichen Lage zu tun, sagte Furtschegger.
Deutsche Firmen haben die Ausfälle kritischer Infrastruktur im Blick. Das Risiko rückte auf Platz 10 vor. Weltweit und auch in Europa ist dieses Risiko dagegen nicht unter den Top10 zu finden. Das Risiko Betriebsunterbrechung notiert stabil ganz oben in den Listen weltweit. Disruptionen der Lieferkette, wie im vergangenen Jahr infolge der Huthi-Angriffe im Roten Meer oder des Einsturzes einer Brücke in Baltimore, träten Studien zufolge etwa alle eineinhalb Jahre auf, hieß es. Der Trend sei steigend.
Regulierung bleibt ein Problem
Das Risiko von Regulierung bzw. veränderten Gesetzen rutschte in Deutschland leicht auf Platz 4 ab. Chefvolkswirt Ludovic Subran, der auch die Funktion Allianz Group Chief Investment Officer übernehmen soll, wies jedoch darauf hin, nicht jede Regulierung sei von Natur aus „schlecht“: „In den meisten Fällen ist es die Umsetzung, die das Unternehmensleben erschwert.“ Daher sei eine gründliche Digitalisierung der Behörden dringend erforderlich. Vor der nahenden Bundestagswahl erklärte er jedoch, wohl auch im Jahr 2025 werde man vergeblich auf eine entsprechende digitale Strategie warten.
Besonders auffällig sei diesem Jahr die Vernetzung der Top-Risiken, kommentierte Vanessa Maxwell, die das Underwriting von Allianz Commercial verantwortet. Klimawandel, neue Technologien, Regulierung und geopolitische Risiken seien zunehmend miteinander verflochten.
Künstliche Intelligenz und Klimawandel kommen verstärkt auf das Risikoradar der Unternehmen weltweit. Dies ergibt das Risikobarometer 2025 von Allianz Commercial. Der Klimawandel rückte global von Rang 5 auf Rang 7 vor, in Deutschland rutschte er leicht ab. Regulierung bleibt ein wichtiges Thema.