GELDWÄSCHEPRÄVENTION - IM GESPRÄCH: PAUL-GERHARD HAASE

KYC-Datenpool geht Ende des Jahres in Betrieb

Größte deutsche Banken aller drei Säulen einigen sich auf Standard - Geschäftsführer der Bertelsmann-Gesellschaft BFS Finance hat das Projekt mit entwickelt

KYC-Datenpool geht Ende des Jahres in Betrieb

Ein einheitlicher Standard bei der Erhebung von Kundendaten zur Geldwäscheprävention (KYC) ist in Sicht. Deutsche Großbanken hätten sich darauf verständigt, berichtet der Geschäftsführer der zum Bertelsmann-Konzern gehörenden BFS Finance, Paul-Gerhard Haase. Die Gesellschaft hat einen KYC-Datenpool geschaffen. Von Tobias Fischer, FrankfurtEinige der größten deutschen Banken, darunter offenbar Deutsche Bank und Commerzbank, haben sich auf einen gemeinsamen Standard zur Erhebung und zum Austausch von Unternehmensdaten verständigt, die zur Geldwäscheprävention nötig sind. Ein vergleichbarer Versuch war vor zwei Jahren gescheitert. Nun nimmt die zum Bertelsmann-Konzern gehörende BFS Finance, die eine Art institutsübergreifenden Datenpool (Utility) geschaffen hat, einen neuen Anlauf.Aktuell laufe die Pilotphase ihrer Blockchain-basierten, “Cinfoni” getauften Plattform, was für Customer Information Network Intelligence steht. Für Ende des Jahres sei der kommerzielle Start vorgesehen, berichtet BFS-Finance-Geschäftsführer Paul-Gerhard Haase, der das Großprojekt mit angestoßen hatte, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Die Aufsicht hat das Modell datenschutzrechtlich als auch finanzaufsichtsrechtlich geprüft. Es bestehen keine Bedenken.” Von Anfang an mit dabei seien sechs Schwergewichte der deutschen Bankenlandschaft. Namen will Haase nicht nennen. Nach Informationen der Börsen-Zeitung haben sich zumindest Deutsche Bank, Commerzbank, DZ Bank, Helaba und LBBW auf einen gemeinsamen KYC-Standard geeinigt. Zwar würden nicht alle davon Cinfoni auch vom kommerziellen Start an begleiten, heißt es, doch sollen voraussichtlich noch einige andere Finanzinstitute mit im Boot sein. In jedem Fall wird die gesamte Branche abgebildet. “Uns ist sehr wichtig, dass alle drei Bankensäulen gleichberechtigt vertreten sind”, sagt Haase. “Wir haben auch ein Gremium gegründet, in dem sich Vertreter über die Standardisierung von KYC austauschen.” Von der BaFin reguliertBFS Finance ist als Teil der Bertelsmann-Tochter Arvato Financial Solutions bislang vor allem als Factoring-Gesellschaft in Erscheinung getreten und verfügt über eine entsprechende Lizenz. Das in Verl bei Gütersloh ansässige Institut wird mithin von der Finanzaufsicht BaFin reguliert. BFS Finance wird für die an Cinfoni teilnehmenden Banken jene Daten von Unternehmen sammeln, die im Zusammenhang mit “Know your Customer”-Vorschriften (KYC) anfallen, also bei der Identifikation von Neukunden. Damit soll verhindert werden, dass sich die Finanzinstitute auf heikle Geschäftspartner einlassen, gegen Geldwäsche-, Sanktions- oder Terrorfinanzierung-Bestimmungen verstoßen und sich damit erhebliche rechtliche und Reputationsrisiken ins Haus holen.Der Vorteil von Cinfoni: Unternehmen laden ihre KYC-relevanten Daten nur einmal auf dem Portal hoch oder ändern und aktualisieren sie dort und können sie dann jeder Bank, die an Cinfoni teilnimmt, zur Verfügung stellen. Die Daten kann der Firmenkunde entweder im eigenen Rechenzentrum anlegen, dann erhält er eine sogenannte Corporate Wallet, über die er an das Cinfoni-Netzwerk angebunden wird.Oder er entscheidet sich dafür, seine Daten direkt an zentraler Stelle abzulegen, also bei Cinfoni. “Letztlich entscheidet der Firmenkunde, was mit seinen Daten geschieht. Wenn er die Daten dezentral hält, also in seiner Wallet, dann hat er volle Datenkontrolle und kann für jedes einzelne Datenfeld bestimmen, ob er es frei gibt.”Das ist freilich mit mehr Aufwand verbunden, weil das Unternehmen mehr Anfragen selbst bearbeiten muss. “Entscheidet sich der Firmenkunde für das Rundum-sorglos-Paket, also die Utility als zentral aufgesetztem Netzwerkzugang, so gibt er dort seine Daten ein, legt sie dort ab und gibt sie dann bankenweise frei.” So kann der Datensatz für bestimmte Institute offengelegt werden, gleichzeitig für andere aber unter Verschluss bleiben, ganz nach Belieben.Darüber hinaus ist Haase zufolge eine dritte Variante möglich, die im internationalen Umfeld zum Tragen kommt. Die Daten einer Konzernmutter können beispielsweise in der in Deutschland ansässigen Utility erfasst und abgelegt werden, die einer ihrer Tochtergesellschaften aber in einem anderen Land, um so regulatorischen Vorgaben etwa zum Datenschutz Genüge zu leisten.Im kompletten Service-Modus stellt die Gesellschaft einen voll validierten Datensatz zur Verfügung, der in einem festen Prozess erhoben und validiert wurde und zu dem auch Data Provider/Register herangezogen werden. “Dann besteht eine Prozesshaftung der BFS Finance, das heißt wir sind in der Sorgfaltspflicht, diesen Prozess sauber durchzuführen”, sagt Haase. Sollten sich allerdings beispielsweise von Firmenkunden eingegebene Daten als falsch erweisen oder sollten sich beim Datenlieferanten Fehler eingeschlichen haben, stehe die der Arvato Financial Solutions zugehörige BFS Finance dafür nicht in der Haftung. Erster Anlauf 2018 misslungenHierzulande ist eine ähnliche KYC-Initiative 2018 fehlgeschlagen, in der BFS Finance als ein Dienstleister einer gemeinsamen Gesellschaft großer deutscher Banken aufgetreten wäre. Das Projekt von Commerzbank, Helaba, LBBW und Deutscher Bank scheiterte allerdings an der Aufsicht, die Bedenken gegen das Governance-Modell mit doppelter Auslagerung hegte. Daraufhin habe er den Aufbau einer eigenen Plattform unter Ägide der regulierten BFS Finance vorangetrieben, sagt Haase.Als besonders diffizil hat sich bislang die Entwicklung gemeinsamer KYC-Standards erwiesen. Auf internationaler Ebene hat sich der Dienstleister für Finanznachrichten, Swift, hervorgetan. Die in Belgien ansässige Genossenschaft bietet seit Dezember auch ein KYC-Register an, in dem entsprechende Unternehmensdaten nach einheitlichen Standards gepoolt werden. Aber auch selbst Swift, das von sich behaupte, seinen globalen KYC-Standard zu 90 % fertiggestellt zu haben, sei längst nicht so weit, gibt Haase zu bedenken. Bei Cinfoni hätten sich die teilnehmenden Banken bereits auf einen KYC-Standard verständigt, berichtet er. Um Bedenken zu zerstreuen, dass Informationen über ihre Firmenkunden weitergegeben könnten, die Konkurrenten in die Hände spielen, sammelt Cinfoni laut Haase “nicht differenzierende Stammdaten”.Der KYC-Standard werde immer weiter entwickelt, könne aber allen Anforderungen der Banken zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht komplett gerecht werden. Deshalb kommt ein Modell zum Einsatz, das der BFS-Finance-Geschäftsführer als einzigartig beschreibt: einen dynamischen Standard. Demnach sind pro Bank etwa 150 Datenfelder für KYC-Zwecke verbindlich auszufüllen, und je nach Bankerfordernis können weitere hinzukommen.Gibt sich das eine Institut mit der Minimalanforderung zufrieden, so können bei einem anderen, gerade, wenn es international agiert, noch Hunderte weitere erforderlich werden – seien doch bei vereinzelten Banken im internationalen Umfeld mehr als 1 000 Datenfelder auszufüllen. “Diese zusätzlichen Informationen werden dann aber in einer Auftragsdatenverarbeitung erhoben”, sagt Haase. “Das heißt wir spielen in zwei Welten. Teils sind wir netzwerkbasiertes Utility, teils bankindividueller Dienstleister. Für den Firmenkunden ist das aber nicht ersichtlich.” Zentrale AnlaufstelleVorteil des dynamischen Standards sei, von Anfang an bankindividuell alle KYC-Daten abdecken zu können, und zwar so standardisiert wie möglich, so dass hier auch die Synergieeffekte eines Utilities inklusive dezentraler Netzwerkeffekte zum Tragen kämen. “Firmenkunden wünschen sich einen Single Point of Contact, einen einzigen Kontaktpunkt. Das ist der Bündelungseffekt, den wir bewerkstelligen können.”Für Cinfoni hat der BFS-Finance-Geschäftsführer große Ziele. “Wir planen, dieses Modell in die wichtigsten Jurisdiktionen zu bringen. Bisher ist die Abstimmung in Deutschland erfolgt.” Derzeit befinde sich BFS Finance mit internationalen Aufsehern im Austausch – in Luxemburg etwa, in Frankreich und Großbritannien – um das Modell dort zu etablieren. “Wir suchen natürlich Partner in den Ländern, die vor Ort als Betreiber auftreten. Wir wollen nicht alles allein machen, sondern brauchen auch Local Heroes, die ihren Markt kennen und das Vorhaben dort zum Erfolg führen.”Auch wenn die Chancen für Cinfoni gut stehen, da sich die größten Banken der Republik auf einen gemeinsamen Standard einigen konnten und die Aufsicht grünes Licht gegeben hat, ist noch nicht ausgemacht, dass sich der Standard tatsächlich durchsetzt. “Es handelt sich um ein wachsendes Ökosystem”, sagt Haase. “Ich gehe davon aus, dass wir angesichts der Komplexität einen langen Atem brauchen.”