Großbanken

Leichtsinn kommt Credit Suisse teuer zu stehen

Die Credit Suisse frustriert ihre Aktionäre: Nach einem miserablen Geschäftsjahr 2021 bleibt eine Erholung aus. Die Dividende verharrt auf dem im vergangenen Jahr reduzierten Niveau. Das Stammhaus benötigt Eigenmittel.

Leichtsinn kommt Credit Suisse teuer zu stehen

Von Daniel Zulauf, Zürich

Die weltweit 100 größten Banken haben im vergangenen Jahr im Durchschnitt 30% Mehrwert für ihre Aktionäre geschaffen. Die Credit Suisse ist die Ausnahme: Ihr Börsenwert ist 2021 um fast ein Viertel geschrumpft, und selbst die Dividende musste die Bank vor Jahresfrist entgegen der Planung kurzfristig um zwei Drittel auf nur noch 10 Rappen pro Titel kürzen.

Auf diesem tiefsten Niveau seit der Finanzkrise soll die Ausschüttung im laufenden Jahr bleiben, wie das Institut am Donnerstag zusammen mit den Geschäftszahlen bekannt gegeben hat. Die Credit Suisse beendet das Jahr wie erwartet mit einem Verlust von 1,6 Mrd. sfr. Es ist der vierte Milliardenverlust seit 2008.

Die Gründe für die jüngste Ergebnisenttäuschung sind hinlänglich bekannt. Die fehlgelaufene Finanzierung irrwitziger Börsenspekulationen des US-amerikanischen Hedgefonds Archegos schlagen in der Jahresrechnung mit weit über 4 Mrd. sfr zu Buche. Der als Konsequenz nötig gewordene Totalrückbau des sogenannten Prime-Brokerage-Geschäftes hat derweil zu einem herben Einnahmenverlust bei der vor 20 Jahren für umgerechnet 20 Mrd. sfr übernommen Wall-Street-Bank Donaldson Lufkin & Jenrette geführt. Dies wiederum zwingt die Credit Suisse, den verbleibenden Goodwill von DLJ aus der Bilanz zu streichen. Kostenpunkt: 1,6 Mrd. sfr. Zudem hat die Bank 2021 für mehr als 1 Mrd. sfr zusätzliche Rückstellungen bilden müssen, die sie zur Begleichung teilweise sehr weit zurückliegender Rechtsstreitigkeiten benötigt. Dabei geht es insbesondere um den Verkauf von US-Hypothekenanleihen, die sich in der Finanzkrise als wertlos erwiesen hatten.

In dieser Aufzählung noch nicht enthalten sind Schadenersatzleistungen in Milliardenhöhe, die Credit Suisse ihren Kunden im Zusammenhang mit der Greensill-Pleite dereinst noch schulden könnte. Zwar versucht die Bank verzweifelt, einen Teil der Zahlungsausstände in Höhe von über 2 Mrd. sfr via Versicherungen zurückzufordern. Ein soeben abgeschlossener Untersuchungsbericht zu dem Debakel soll Credit Suisse dabei auch Chancen einräumen, wie CEO Thomas Gottstein auf einer Telefonkonferenz mit Journalisten erklärte. Doch was in dem Bericht wirklich steht, bleibt der Öffentlichkeit vorenthalten. Man wolle das Dokument nicht veröffentlichen, um das eigene Vorgehen in der Angelegenheit nicht zu kompromittieren erklärte Gottstein.

Immerhin sind die vorgelegten Geschäftszahlen schlecht genug, dass sie zu einer substanziellen Kürzung der Boni führen. Die variablen Lohnkomponenten sinken für das zurückliegende Jahr um 950 Mill. sfr auf 2 Mrd. sfr, nachdem sie schon 2020 um 7% gekürzt worden waren.

Doch offenbar hat die Credit Suisse inzwischen Mühe, gutes Personal zu finden. In der Not hat sie den meisten Angestellten im Direktionsrang nun zusätzliche Bonusversprechungen im Blick auf die kommenden drei Jahre in Höhe von 500 Mill. sfr abgegeben, was sich schon im laufenden Jahr in Form höherer Kosten in der Erfolgsrechnung bemerkbar machen wird.

Credit Suisse bezeichnet 2022 denn auch als „Übergangsjahr“, das den Aktionären einmal mehr keinen substanziellen Mehrwert verspricht. Dies dürfte ein Teil der Erklärung für den Kursrückgang am Donnerstag von über 6% auf unter 8,7 sfr sein.

Der andere Teil der Erklärung weist in die Zukunft. Die Bank muss nach den vielen Katastrophen und leichtfertig verursachten Verlusten der vergangenen Jahre mit ihren Kapitalressourcen sorgsam umgehen. Das zeigt sich nicht zuletzt in der Bilanz des Stammhauses, welche die höheren, ab 2028 geltenden Eigenkapitalanforderungen derzeit klar verfehlt. Das Stammhaus ist wichtig für die Aktionäre, weil es mittels Dividendenzahlungen die Holding finanziert, die ihrerseits wieder die Dividenden für die Publikumsaktionäre leistet und den Gläubigern die Zinsen auf ihren Anleihen bezahlt.

Zwar dürfte das Credit-Suisse-Stammhaus in der Lage sein, die fehlenden Eigenmittel durch eine Konzentration der finanziellen Ressourcen im Konzern in nützlicher Frist zu beschaffen, wie Finanzchef David Mathers beteuerte. Doch die Situation zeigt symptomatisch, an welchem Punkt Credit Suisse angelangt ist: Die US-Investmentbank muss auf Biegen und Brechen Dividenden in Milliardenhöhe in die Schweiz abführen, das Gleiche gilt für alle anderen Tochtergesellschaften im Konzern. Dies aber verträgt sich schlecht mit der neuen Risikokultur, die Credit Suisse zugleich einführen will.

Credit Suisse
Konzernzahlen nach IFRS
in Mill. sfr20212020
Nettoertrag22 69622 389
Geschäftsaufwand19 01317 826
Rückstellungen Kreditrisiken4 2051 096
Reinergebnis– 1 5722 669
          je Aktie (sfr)– 0,641,06
        Divid. je Aktie (sfr)0,10,1
Bilanzsumme741781805822
Eigenkapital44 03242 677
Kernkapitalquote in %14,412,9
Verwaltetes Vermögen (in Mrd. sfr)1 6141 512
Neugeldzufluss (Mrd. sfr) 3142
Anzahl Beschäftigte 50 11048 770
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