"Libra mit klassischer Regulierung kaum zu fassen"

Bundesbank-Vorstand plädiert für neuen, international abgestimmten Ansatz - Gegen schnelles Verbot

"Libra mit klassischer Regulierung kaum zu fassen"

ahe Brüssel – Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling hält es für “nicht sinnvoll”, von vornherein zu negativ an eine Prüfung des Facebook-Projekts Libra heranzugehen und die geplante Digitalwährung zu schnell zu verbieten. In einer Rede in Brüssel plädierte Wuermeling stattdessen dafür, “mit einer angemessenen Regulierung und Aufsicht” auf die Facebook-Pläne zu reagieren sowie eine markt- und technologieneutrale Herangehensweise zu wählen. Libra könne “zu einer massiven Disruption” im Zahlungsverkehr führen – mit negativen, aber möglicherweise auch positiven Folgen, betonte der 59-Jährige, der in der Bundesbank die Themen Bankenaufsicht, Informationstechnologie und Risiko-Controlling verantwortet.Wuermeling räumte zugleich allerdings auch ein, dass für die Regulierung sogenannter Stablecoins eigene, ganz neue Regulierungsansätze entwickelt werden müssten. Projekte wie Libra mit einem globalen Ansatz und einer globalen Bedeutung seien “mit klassischer Regulierung kaum zu fassen”.Da die Libra-Stiftung ihren Sitz in der Schweiz hat, sieht Wuermeling zunächst einmal die dortigen Behörden in der Verantwortung. Allerdings seien auch die europäischen Zentralbanken und die EU-Politik herausgefordert, nach internationalen Lösungen zu suchen. Auf Seiten Facebooks seien zwar noch viele Fragen offen. Aber “das Risiko, zu spät zu reagieren, ist in diesem Fall größer als die Gefahr, zu früh zu reagieren”, stellte der Bundesbank-Vorstand klar. Aktuell gebe es noch die Chance, eine von vornherein international abgestimmte, harmonisierte Lösung zu erarbeiten. Geschehe dies nicht, bestehe die Gefahr, dass jede Region und Jurisdiktion eigenständige Stablecoin-Regulierungen erlasse.Zur Libra-Regulierung müsste nach Ansicht von Wuermeling ein völlig neues Gremium entstehen, in dem die verschiedenen nationalen Regulierungsansätze koordiniert werden könnten. Dieses Gremium könnte bei einer internationalen Institution wie etwa der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) angesiedelt werden.Von Libra profitieren würden nach Ansicht von Wuermeling vor allem Facebook-Nutzer, die viele grenzüberschreitende Überweisungen tätigen. Libra könne aber auch die Inklusion im internationalen Finanzsystem vorantreiben, weil viele Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern damit erstmals überhaupt Zugang zum Finanzsystem erhielten. In Europa gebe es diesen Bedarf zwar nicht, erläuterte Wuermeling. Libra könne aber Wegbereiter für ein ganz neues Ökosystem im Zahlungsverkehr sein, das sich dann auch in Europa entfalte.Zu den größten Risiken von Libra zählte Wuermeling den unklaren rechtlichen Anspruch der Nutzer auf Rückzahlung. “Die größte Gefahr ist, dass der Nutzer sein Geld nicht zurückbekommt. Da gibt es noch Klärungsbedarf.” Hinzu kämen systemische Risiken im Zahlungsverkehr. Facebook könne über den Kauf von Staatsanleihen auch zum größten Gläubiger von einzelnen Staaten werden. Wettbewerb der PlattformenWuermeling stufte das Libra-Projekt auch als Versuch von Facebook ein, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen großen Online-Plattformen zu generieren. Zu den Unternehmen, die Libra bislang nicht unterstützt hätten und dies auch nicht vorhätten, gehörten Konzerne wie Amazon, Google oder Alibaba, sagte er. Dies seien auch die eigentlichen Konkurrenten zu Libra.Die EU sieht der Bundesbank-Vorstand aufgrund ihrer Erfahrung mit supranationaler Regulierung und supranationaler Aufsicht gut aufgestellt, einen wichtigen Beitrag zu einer globalen Libra-Regulierung zu liefern. Die EU-Finanzminister wollen sich in der nächsten Woche mit dem Thema befassen.