Lob für die Qualität der EZB-Aufsicht

SSM schneidet in PwC-Umfrage besser ab als nationale Behörden - Banken vermissen aber Transparenz

Lob für die Qualität der EZB-Aufsicht

Rund anderthalb Jahre nach Einführung der europäischen Bankenaufsicht fällt eine erste Bilanz der kontrollierten Institute weniger harsch aus, als manche Äußerung in der Vergangenheit hätte erwarten lassen können. Ihre Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Aufsichtsteam schätzen die Banken sogar als besser ein als zuvor mit den nationalen Aufsehern. Kritik wird vor allem laut wegen des Grads der Transparenz von Entscheidungen.Von Bernd Neubacher, FrankfurtGute Noten für die Arbeit der EZB-Bankenseher, schlechte Zensuren für die Transparenz ihrer Entscheidungen: So lässt sich das Ergebnis einer Umfrage von PwC im Auftrag des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) zusammenfassen. Während die Institute die Zusammenarbeit mit ihrem jeweiligen, international besetzten Aufsichtsteam deutlich positiv bewerten, hadern sie mit der Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen des im November 2014 eingeführten Single Supervisory Mechanism (SSM), insbesondere was die aufsichtliche Überprüfung und Bewertung (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) sowie die daraus folgende individuelle Vorgabe für die Eigenkapitalquote angeht.Die Umfrage, an der 20 Institute aus Deutschland und Österreich teilgenommen haben, ist die erste Erhebung zur Qualität der europäischen Bankenaufsicht unter deren Adressaten, anderthalb Jahre nach Einführung des SSM. “Ziel war eine relativ unabhängige Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Analyse, um der EZB einmal Feedback zu geben”, erläutert VÖB-Hauptgeschäftsführerin Liane Buchholz das Kalkül.Während die European Banking Federation (EBF), der europäische Verband privater Banken, vor allem die Interessen der global systemrelevanten Banken gegenüber der EZB bündelt, koordiniert der VÖB eigenen Angaben zufolge inzwischen 35 mittelgroße Institute aus Deutschland, Österreich, Spanien, den Niederlanden, Frankreich und Belgien. “Wir wollen keinen neuen Interessenverband, uns geht es vielmehr um einen effektiven Zugang zur EZB”, sagt Buchholz. Sichtbare HarmonisierungErstaunlich: Waren die deutschen Banken den europäischen Bankenaufsehern zunächst mit einer Menge Vorbehalte begegnet, so scheinen sie diese inzwischen ihren nationalen Aufsehern, also der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie der Deutschen Bundesbank, vorzuziehen: “Die Banken haben eine vernünftige Zusammenarbeit mit der EZB, und es ist interessant, dass sie diese als besser als mit den nationalen Aufsehern empfinden”, erklärt Burkhard Eckes, Leiter des Bereichs Banking & Capital Markets bei PwC in Deutschland: “Denn eigentlich erwartet man doch das Gegenteil, da man vermutet, dass sich Banken und nationale Aufseher schon seit Jahren kennen und sich aneinander gewöhnt haben.”Ein erklärtes Ziel der Einführung des SSM war es schließlich gewesen, die Befangenheit auf Ebene der nationalen Aufseher im Umgang mit den Schwergewichten ihres Landes durch Einrichtung europäischer Aufsichtsteams zu überwinden. Deren Kopf stammt deshalb jeweils auch nicht aus dem Land, in dem die jeweilige Bank ihren Sitz hat.Im Falle der deutschen Banken hat die EZB inzwischen eigens einen Verantwortlichen für die Koordination der Aufsichtsteams berufen, um dabei Einheitlichkeit in der Aufsichtspraxis sicherzustellen und zu verhindern, dass die Art der Überwachung wiederum zu stark von der Nationalität des jeweiligen Teamleiters abhängt. Eine Harmonisierung der Aufsicht sei sichtbar, bekunden die Banken. Kooperation klapptIn der Kooperation mit den gemeinsamen Aufsichtsteams sähen die befragten Banken einen wichtigen Grund für die Stärke des SSM, heißt es in der Studie. Verglichen mit früheren nationalen Systemen sähen die Banken in den Joint Supervisory Teams “eine Verbesserung im Detailverständnis” sowie unter anderem eine “angenehme Gesprächskultur”. Den Austausch mit dem SSM nennt eine Bank “mehr faktenbasiert und weniger politisch” als in der Vergangenheit. Die Kompetenz der Aufseher werde generell als “angemessen” empfunden, auch wenn einige Befragte sich über Sprachprobleme beschwerten. Insgesamt meinen die Banken, dass es dem SSM gelungen sei, Vertrauen in Europas Bankensektor wieder herzustellen. Eckes: “Die Banken begegnen der Leistung der EZB beim Aufbau des SSM mit großem Respekt.”Die Zusammenarbeit zwischen SSM und den nationalen Aufsehern werde zwar zunehmend besser, verbesserungswürdig sei sie aber noch bei Datenabfragen zur Abwicklungsplanung sowie bei differierenden regulatorischen Anforderungen zwischen den Mindestanforderungen ans Risikomanagement (MaRisk) der BaFin und den Anforderungen der EZB an die Risikosteuerung, heißt es. Überhaupt machen die Banken die Informationsabfragen des SSM als eine Hauptschwäche der einheitlichen Aufsicht aus. Sie beklagen “doppelten Aufwand mangels harmonisierter Berichtsanforderungen” sowie unter anderem einen Mangel an Rücksicht auf nationale Bilanzierungsvorgaben, unpräzise Datenanforderungen sowie kurze Fristen.Einhellig Kritik setzt es, was die aufsichtliche Überprüfung und Bewertung (SREP) sowie die Transparenz von Entscheidungen angeht. Beinahe alle befragten Banken beklagten “die undurchsichtige Black Box der SREP-Bewertung”, heißt es. Die EZB solle offenlegen, wie sie ein Institut hinsichtlich seiner Größe und Komplexität einordne, wird gefordert. Dies würde es Banken erleichtern, die SREP-Ergebnisse in ihrem internen Management zu berücksichtigen und würde das “Risiko impulsiver und nachteiliger Management-Entscheidungen” reduzieren.Die Bildung von Peergroups von Banken, mit deren Hilfe die EZB Benchmarking betreibt, wird zwar begrüßt, aber nur prinzipiell. Konkret bemängeln die Banken vielmehr, dass nicht transparent sei, mit welchen Banken sie verglichen würden. Andere Institute, die ihre Peergroup kennen, halten diese wiederum vielfach für unpassend.Die EZB lässt sich bei ihrem SREP nicht gerne in die Karten schauen. Monatelang beharrte sie etwa darauf, dass Banken die ihnen vorgegebene Eigenkapitalquote öffentlich machen. Erst nachdem auch die European Banking Authoritiy (EBA) in dieser Frage auf Konfrontationskurs zur Notenbank gegangen war, lenkte der SSM ein. Entscheidungen dauernDass die Aufseher zuletzt vorzeitig ihre Aufsichtsprioritäten fürs kommende Jahr öffentlich machten, beurteilen die Institute denn auch entsprechend wohlwollend. Auch inhaltlich setzt der SSM demnach die richtigen Schwerpunkte. So geben die Banken an, Datenqualität sei tatsächlich ein großes Problem im Sektor. Zugleich äußern sie unter anderem die Sorge, dass die Überprüfung der Geschäftsmodelle deren Diversität reduziere. Bemängelt werden nicht zuletzt erhebliche Verzögerungen im Entscheidungsprozess des SSM. Entscheidungen dauerten bis zu zwei Jahre, beklagt etwa eine Bank.Für die Zukunft fordern die Banken neben mehr Transparenz vor allem eine verstärkte Harmonisierung und Standardisierung von Berichts- und Datenanforderungen. Der Berichtsaufwand müsse überprüft und zu einem effizienteren und zielgerichteteren Prozess weiterentwickelt werden, heißt es etwa. Erreicht werden könnte dies durch eine Harmonisierung der Anforderungen von IFRS- und EZB-Daten und einer erhöhten Koordination zwischen der EZB, der EBA und anderen Instanzen, heißt es. Auch sollten Abfragen “weniger datengetrieben” und “weniger granular” werden.Nicht zuletzt fordern die Banken ein, dass der SSM die Besonderheiten spezifischer Geschäftsmodelle stärker berücksichtigt. Banken mit einem einfachen Geschäftsmodell sollten dabei in der Aufsichtspraxis einer “reduzierten Komplexität” unterliegen. Anstatt der Marke von 30 Mrd. Euro Bilanzsumme sollten “relevantere Aspekte wie die Komplexität und Bedeutung grenzüberschreitender Aktivitäten” oder die Vernetzung mit anderen europäischen Banken darüber entscheiden, ob eine Bank der direkten Aufsicht durch die EZB unterstellt wird, wird etwa angeregt.