BREXIT WIRFT VIELE FRAGEN AUF - IM INTERVIEW: CHRISTIAN ULBRICH, JLL

London bleibt "safe haven of the world"

Keine dramatische Verlagerung von Arbeitsplätzen

London bleibt "safe haven of the world"

– Herr Ulbrich, welche Auswirkungen erwarten Sie als Präsident von Jones Lang LaSalle (JLL) durch den Brexit auf den Londoner gewerblichen Immobilienmarkt?Entscheidend für die Immobilienwirtschaft sind die Fundamentaldaten. Großbritannien geht einer sehr ungewissen Zeit entgegen. Die Bank of England dürfte die Zinsen nochmals senken. Das wirkt unterstützend für den Immobilienmarkt. Die Nachfrage nach Flächen war schon in den letzten Monaten verhalten, dieser Trend wird kurzfristig anhalten. Längerfristig erwarte ich keine gravierenden Auswirkungen auf die Nachfrage nach Büroimmobilien.- Das heißt konkret?Bei Neuabschlüssen wird es eine gewisse Zurückhaltung geben. Das dürfte zu einer Abschwächung des Mietwachstums führen.- Erwarten Sie eine Verlagerung von Arbeitsplätzen?Ja, aber es wird keine dramatische Verlagerung geben, insbesondere nicht nach Deutschland. Entsprechende Prognosen halte ich für Unsinn.- Warum?Firmen richten sich nach den Talenten und die sitzen insbesondere für die Finanzindustrie in London. Außerdem spielt die Sprache eine große Rolle. In London wird Englisch gesprochen. Aber grundsätzlich gilt: Durch den Brexit verlieren wir alle. Unter den Verlierern wird Dublin noch am besten aussehen.- Wer wird nach Dublin gehen?Zuerst vor allem Amerikaner. Die Finanzinstitute werden Funktionen mit starkem EU-Bezug dorthin verlagern. Allerdings gibt es da Grenzen. Denn Dublin ist eine kleine Stadt. Die Gebäude für die neuen Mitarbeiter müssen erst gebaut werden.- Was erwarten Sie konkret für Frankfurt?Vielleicht 5 000 neue Arbeitsplätze über die nächsten drei bis fünf Jahre. Ich erwarte außerdem, dass die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA nicht in London bleibt. Wegen der EZB wäre eine Übersiedlung nach Frankfurt sinnvoll.- Frankfurt wird also nur sehr begrenzt vom Brexit profitieren?Ja, und zwar auch deshalb, weil ohne Großbritannien die EU Gefahr läuft, zu einem Club der Etatisten und Sozialisten zu verkommen. Wenn die EU sich vom marktwirtschaftlichen Gedankengut entfernt, wird auch Frankfurt letztlich vom Brexit nicht profitieren.- Wird sich der Brexit auf den Londoner Wohnimmobilienmarkt, vor allem das Luxussegment, auswirken?Nein. London gilt als “safe haven of the world”. Sehr vermögende Leute aus Ländern mit instabilen Rechtssystemen sind nach London gekommen, um dort ihr Geld für Immobilien und andere Assets auszugeben. Großbritannien bietet Rechtssicherheit und eine stabile Demokratie. Daran ändert sich nichts.—-Das Interview führte Thomas List.