SERIE: FINANZPLATZ FRANKFURT (17) - DER BREXIT UND DIE FINANZPLÄTZE

London liegt in Europa weit vorn

Finanzplatzranking: Deutschland deutlich abgeschlagen - Immer mehr britische Firmen zieht es in die Provinz

London liegt in Europa weit vorn

Die Denkfabrik New Financial hat den Werbern für den Finanzplatz London den Rücken gestärkt. Sie hat ein Ranking entwickelt, das die Größenverhältnisse im Standortwettbewerb deutlich macht. Die Briten liegen demnach zwar weit hinter den USA, die Rivalen aus Resteuropa können es aber nicht mit ihnen aufnehmen. Von Andreas Hippin, LondonIn der Londoner City hat die Angst vor dem Brexit trotz des herannahenden EU-Austrittstermins nicht nennenswert zugenommen. Das ist zumindest der Eindruck, der sich ergibt, wenn man die zahllosen Baukräne, die stets ausgebuchten Restaurants und den ohne jede Scheu zur Schau getragenen Wohlstand ihrer Beschäftigten sieht. Ein neues Finanzplatzranking bestätigt die Briten jetzt in ihrer Selbstsicherheit.Die kapitalmarktnahe Denkfabrik New Financial verortet Großbritannien mit 40 von 100 möglichen Punkten zwar weit abgeschlagen hinter den Vereinigten Staaten (79 Punkte). Das liegt aber nur daran, dass die Verfasser bei ihrer Bewertung weniger Wert auf qualitative Aspekte legen als andere Studien. Sie konzentrieren sich in erster Linie auf den Umfang des dort stattfindenden Geschäfts. Daraus ergibt sich, dass der Abstand zwischen der City und den Finanzplätzen Resteuropas weitaus größer ist als etwa in der Rennliste der Z/Yen Group. Deutschland erreicht 23 Punkte, Frankreich 22. Geht es allein um das internationale Geschäft, liegt der Indexwert für das Vereinigte Königreich mehr als dreimal so hoch wie das Resultat von Deutschland oder Frankreich (siehe Grafik). Dabei handelt es sich etwa um das Geschäft mit OTC-Derivaten, die Zahl der ausländischen Gesellschaften, die an den jeweiligen Börsen notiert sind, die Assets von Auslandsbanken oder das von Hedgefonds verwaltete Vermögen. Der Verfasser der Studie, Panagiotis Asimakopoulos, ist alles andere als ein Brexiteer. Er arbeitete zuvor für die Europäische Kommission.Nur ein Teil des Geschäfts der City ist durch den Brexit bedroht, etwa das sogenannte Euro-Clearing. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich zuletzt, wenn auch mit eher zurückhaltenden Worten, für eine Verlagerung des Clearing auf Euro lautender Derivate nach Frankfurt aus (vgl. BZ vom 5. September). Solche Auftritte sorgen dafür, dass die Stimmung in der britischen Metropole nicht überbordet. Ansonsten wälzt sich ein scheinbar nie versiegender Strom von Liquidität durch London wie die Themse. New Financial hat die Finanzplätze auch unter rein qualitativen Gesichtspunkten wie der Lebensqualität oder der vorhandenen Infrastruktur verglichen. Großbritannien rangiert dann auf Platz 11, Deutschland lediglich auf Platz 14.Für Londoner Mitarbeiter des Finanzgewerbes mag beunruhigender sein, dass die Suche nach kostengünstigeren Standorten intensiviert wurde. Was nicht unbedingt in London angesiedelt sein muss, wird anderswo untergebracht. Die London Office Crane Survey von Deloitte zeigte schon im vergangenen Jahr einen drastischen Rückgang neuer Bauvorhaben in der Hauptstadt. Die Retailbank von HSBC entschied sich für Birmingham. Nicht nur Dickschiffe, auch Innovatoren zieht es in die Provinz: So sitzt etwa die App-Bank Atom in Durham im Nordosten Englands. Die Firma des britischen Star-Fondsmanagers Neil Woodford hat ihren Sitz in einem unspektakulären Bürogebäude am Rande von Oxford. Und ginge es nach dem Willen von Jeremy Corbyns Labour Party, könnte sich demnächst auch die altehrwürdige Bank of England, die ihren Sitz seit 1694 in London hat, nach Birmingham aufmachen.—-Zuletzt erschienen:- Fondsgeschäft hat noch reichlich Luft nach oben (4. September)- “Es wird immer zu wenig gebaut” – Interview mit Georg Hoogendijk (31. August)