Luxemburg bereitet sich auf Trends von morgen vor
Von Kai Johannsen, LuxemburgLaufende Modernisierung und Diversifikation sowie eine Fokussierung der Themen Green und Sustainable Finance, Digitalisierung und Fintech sind für Pierre Gramegna, Finanzminister des Großherzogtums Luxemburg, entscheidend, damit Finanzplätze, und nicht nur der seines Landes, in der internationalen Liga in den kommenden Jahren vorne mitspielen können. Wichtig ist für ihn dabei eine gewisse Grundeinstellung, bei der es darum geht, Aspekte zu erhalten und auszubauen, die für Investoren fokussiert werden.Dabei hat er drei Aspekte im Blick: “Investoren achten sehr stark auf ein Triple-A des betreffenden Staates und die Stabilität dieses Top-Ratings. Darauf bauen sie ihre Investitionen und damit künftige Geschäftstätigkeiten auf”, sagt Gramegna im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Wichtig sei zudem, dass Punkte erhalten bleiben, in denen der Finanzplatz eine führende Rolle einnehme. “Das ist für den Finanzplatz Luxemburg im Fondsgeschäft der Fall, in dem wir nach den USA in puncto verwaltetes Volumen weltweit die Nummer 2 sind und in Europa führend. Wenn es um den Aspekt der Internationalität des Fondsgeschäftes geht, ist Luxemburg sogar weltweit auf Platz 1”, führt Gramegna aus.Zentral sei dabei, dass auch die Produktpalette der Fonds immer wieder an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werde. In diesem Zusammenhang verweist er auf die Alternative Investment Funds, die in den vergangenen Jahren stark gewachsen sind und die ein sehr erfolgreiches Beispiel für eine solche Diversifikation der Produktpalette am Standort seien.Und drittens ist für ihn wichtig, dass das entsprechende Ökosystem am Standort möglichst breit aufgestellt ist und damit viele einzelne Berufsfelder vereint – angefangen bei den Banken über Fonds und Assetmanagement bis hin zu Fintech und Corporate Lending einschließlich vieler Facetten wie etwa Green und Sustainable Finance. “Dass diese Strategie richtig ist und sich auszahlt, zeigt sich am Global Financial Center Index, bei dem wir im aktuellen Ranking sechs Plätze gutmachen konnten, von Rang 18 auf nunmehr Platz 12 weltweit”, sagt er.Gramegna hebt in Sachen Zukunftsfähigkeit der Finanzplätze zwei wichtige Entwicklungen in den nächsten Jahren hervor: “Wir müssen zwei Übergänge schaffen, zum einen den hin zu Digitalisierung und den zu Green und Sustainable Finance. Dies ist für alle Finanzplätze und auch die Entwicklung der Gesellschaft ausgesprochen wichtig”, so seine Einschätzung. Luxemburg habe sich beim Thema Nachhaltigkeit schon lange positioniert und eine entsprechende Roadmap für das Land entwickelt, die man gerade umsetzt. Anfang September hatte das Großherzogtum auch seinen ersten Sustainability Bond emittiert, den Gramegna vor einem guten Jahr bereits angekündigt hatte. Bond war ein großer ErfolgIn diesem Zusammenhang hatte Luxemburg ein entsprechendes Rahmenwerk für solche nachhaltigen Anleihen konzipiert, das erstmals die EU-Taxonomie und die Green, Social und Sustainable Bond Principles der International Capital Market Association (ICMA), die internationaler Marktstandard sind, berücksichtigt. “Es war der erste Kapitalmarkttest unseres Landes mit einem solchen Sustainability Bond. Konsortialführende Banken und auch Investoren begleitete vor der Emission verständlicherweise auch eine gewisse Unsicherheit, wie die Anleihe aufgenommen wird, was immer auch vom Marktumfeld abhängig ist. Aber letzten Endes war es ein großer Erfolg”, so Gramegna.1,5 Mrd. Euro wurde der Bond schwer, und er sei knapp zehnfach überzeichnet gewesen. “Das zeigt ganz klar: Der Markt will solche grünen und nachhaltigen Investments.” Das sieht man auch bei solchen Emissionen anderer Adressen und dem allgemeinen Boom von Green und Sustainable Finance.Die Luxemburg Green Exchange schreibt in dieser Hinsicht auch eine Erfolgsstory. Mittlerweile sind dort mehr als 50 % aller weltweit begebenen grünen und nachhaltigen Anleihen gelistet. Gramegna weist in diesem Zusammenhang auf das luxemburgische Recht bei solchen Emissionen hin. “Europäische Institutionen machen hiervon immer mehr Gebrauch. Das war vor dem Brexit natürlich anders. Da wurde das englische Recht für die meisten Emissionen zugrunde gelegt”, merkt er an.Beim Thema Digitalisierung und Fintech ist das Großherzogtum mit dem Luxembourg House of Financial Technology seit dem Jahr 2017 sehr aktiv. Dort tummeln sich 75 Unternehmen, zumeist aus dem Bereich Fintech. “Wir haben uns mittlerweile zum Hub für Digital Payments in Europa entwickelt”, sagt der Finanzminister und verweist auf namhafte Unternehmen wie Paypal, Alipay oder Satispay, die allesamt am Platz vertreten seien, weil sie dort das richtige Umfeld vorgefunden hätten.Stark wachsende Aktivitäten in neuen Bereichen würden es mit sich bringen, dass auch anderswo aufgestockt werden musste, wie etwa bei der Finanzaufsicht CSSF (Commission de Surveillance du Secteur Financier). Dort habe sich der Personalbestand in den zurückliegenden fünf bis sechs Jahren auf mittlerweile rund 1 000 Personen verdoppelt.”Ich möchte angesichts des rasanten Wachstums in vielen Bereichen wie etwa Fintech betonen, dass wir kein Platz sind, an dem Lizenzen schnell vergeben werden. Das geht hier wahrlich nicht im Hauruck-Verfahren”, unterstreicht Gramegna. Er höre oft von Firmen, dass die Vergabe der Lizenz eine gewisse Zeit in Anspruch genommen habe. “Ich bin dann immer froh, dies zu hören. Denn dann weiß ich, dass bei der Prüfung genau hingesehen wird. Denn nur wenn eine Lizenz schwer zu bekommen ist, ist sie auch etwas wert. Aber wir erschweren solche Prozesse auch nicht unnötig durch überflüssige bürokratische Akte”, führt er weiter aus. Covid hat Spuren hinterlassenDie Covid-19-Krise hat auch am Luxemburger Finanzplatz zweifelsohne Spuren hinterlassen. Sie habe bestimmte Aspekte erst zutage gefördert, andere Entwicklungen stark beschleunigt und habe eine Sache ganz klar gezeigt: “Wenn menschliche Aktivität abgebremst wird oder gar völlig zum Stillstand kommt, dann geht es unserem Planeten besser”, sagt er und verweist darauf, dass der Planet in den ersten Krisenmonaten mit Lockdowns eine bessere klimatische Verfassung erlebt habe. Das habe man lange zuvor nicht in diesem Ausmaß gesehen. “Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass stark einbrechende wirtschaftliche Aktivitäten erhebliche Konsequenzen für Firmen und Angestellte haben. Wir sehen zweifelsohne riesige Probleme”, sagt der Finanzminister. “Aber als eine Schlussfolgerung aus der Covid-19-Pandemie muss man ziehen, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten sauberer und nachhaltiger gestaltet werden müssen, um unserem Planeten zu helfen”, führt er aus. Green und Sustainable Finance sei deshalb klar erforderlich, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Kein “Nice-to-have” Sustainable-Finance-Produkte seien deshalb für einen Finanzplatz auch nicht als “Nice-to-have” einzustufen, sondern sie seien ein Pflichtprogramm, um dem Planeten zu helfen. “Und wenn wir das nicht als unsere Pflicht begreifen, dann werden wir die damit verbundenen Ziele auch nicht erreichen.” Auch die EU habe das ganz klar auf der Agenda. Digitalisierung und Nachhaltigkeit hätten hier sehr hohe Priorität, und deshalb würden ja auch 30 % der Investitionen der EU in diese Bereiche gehen. “Von daher wird der Einfluss der Covid-19-Krise auf das Thema Nachhaltigkeit derzeit auch nicht überschätzt, sondern die Prioritäten realistisch gesetzt.”Mit Green und Sustainable Finance sowie der zunehmenden Digitalisierung der Welt in vielen Bereichen geht auch ein enormer Bedarf an Datenverarbeitung einher. Am entsprechenden Thema Big Data arbeitet Luxemburg laut Gramegna systematisch und schon seit langer Zeit. Vor kurzem wurde der Kaufvertrag für den Supercomputer Meluxina unterzeichnet. “Wir investieren aber bereits seit Jahren in Datenzentren und somit seit einer Zeit, als andere Länder das Thema noch nicht als so wichtig eingeschätzt haben”, sagt er. Bei Digital Payments gebe es natürlich auch das Problem der Datensicherheit, und dafür müssten dann rechtliche Rahmenwerke geschaffen werden. Das sei Aufgabe des Staates.Weiterhin werden in Luxemburg Innovation und Rechtssicherheit bei der Erlassung von Gesetzen großgeschrieben. “Wir haben ein Gesetz ausgearbeitet, mit dem Transaktionen über die Blockchain den gleichen rechtlichen Stellenwert erhalten wie diejenigen Transaktionen, die auf traditionellem Wege ausgeführt werden”, so Gramegna. Man arbeite auch an der Tokenisierung, die künftig immer mehr gebraucht werde. “Und natürlich bedeutet das immer einen Spagat: Wir müssen ein Gleichgewicht finden zwischen digitaler Förderung beziehungsweise digitalem Ausbau und der Sicherheit für Menschen und Institutionen”, führt er aus.Auch im Hinblick auf Digitalisierung und Datentransfer habe die Coronakrise mehr Opportunitäten hervorgebracht als negative Konsequenzen. Das habe sich etwa beim dezentralen Arbeiten (Telearbeit), also der Arbeit von zu Hause aus gezeigt. Homeoffice sei stark genutzt worden, und es habe eine gute Datentransmission gegeben. Der IT-Traffic am eigenen Platz sei mit dem Faktor drei während der Krisenzeit multipliziert worden. Viele Firmen hätten Laptops für die Mitarbeiter bereitgestellt, und nach kurzer Zeit habe der Arbeitsablauf wieder auf Normalniveau stattgefunden. Das habe so manchen überrascht, aber nur deshalb, weil es ja noch nie zuvor in diesem Ausmaß getestet worden sei. Auf gutem Niveau gebliebenDer Finanzsektor sei insgesamt in der Krise auf einem guten Niveau geblieben. Das sehe man an der Profitabilität der Banken, aber auch an der weiterhin guten Geschäftstätigkeit im Fondsgeschäft und im Assetmanagement. “Der Finanzsektor hat im Vergleich mit anderen Branchen in der Covid-19-Krise seine sehr hohe Widerstandsfähigkeit gezeigt”, betont der Finanzminister.China ist für den Finanzplatz Luxemburg historisch ein wichtiger Partner. Seit Jahrzehnten sind Banken aus dem Reich der Mitte in Luxemburg präsent. Mit der Bank of China kam Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die erste chinesische Bank ins Großherzogtum. Sie war zugleich die erste Niederlassung einer chinesischen Bank außerhalb von China. “Darauf wurde in der Folgezeit aufgebaut. Chinesische Banken wurden zum wichtigen Standbein nicht nur für den Finanzplatz, sondern auch für andere Bereiche der globalen Wirtschaft. Und das hatte nicht allein positive Auswirkungen für Luxemburg, sondern auch für Europa, wurden doch von hier aus auch andere Geschäfte in europäischen Ländern angegangen”, sagt er.Mit Blick auf den seit rund vier Jahren laufenden Handelskonflikt zwischen den USA und China plädiert Gramegna weiterhin für eine Offenheit der Wirtschaften, so zum Beispiel in Europa. Man müsse im Zusammenspiel mit China und den USA aber auch ein Level Playing Field gestalten. “Es ist wichtig, wenn sich Europa in solchen Situationen die Offenheit der Wirtschaft bewahrt. Natürlich muss man auch genau hinschauen, was die andere Seite macht. Wir werden als luxemburgische Regierung aus solchen Handelskonflikten nicht die Forderung nach Grenzschließungen und weniger Handel ziehen”, sagt er. Man sollte den Verbesserungsbedarf sehen und diesen aktiv mitgestalten.Das starke Wachstum des Finanzmarktes bringt auch ein Problem mit sich: Access to Talent, das heißt, der Zugang zu qualifiziertem Personal kann durchaus zur Herausforderung werden. “Dies ist ein wichtiger Punkt. Ein einheitliches Bild gibt es nicht. Manche Unternehmen oder Banken erklären, dass sie keine Probleme haben, ihre Positionen mit qualifiziertem Personal zu besetzen, andere sehen sich hierbei mit Schwierigkeiten konfrontiert”, sagt er. Um Expatriates für eine gewisse Zeit anzuziehen und ihnen auch einen Anreiz zu geben, zusammen mit ihren Familien ins Land zu kommen, wurde nun ein neuer Rahmen geschaffen.Für einen Anwesenheitszeitraum von acht Jahren wird laut Gramegna nun ein bestimmter Prozentsatz des Gehalts eines Expatriate in Luxemburg einem geringeren Steuersatz unterworfen, um für die Mehrbelastungen einen Ausgleich zu realisieren. Das soll Anreiz schaffen, ins Land zu kommen. Auch Firmen bekommen ähnliche Anregungen: Wenn ein Unternehmen einen gesetzlich festgelegten Prozentsatz seines Gewinns dafür verwende, um ihn an die Belegschaft in einer Art Gewinnbeteiligung zu verteilen, dann werde dieser Teil ebenfalls mit einem geringeren Steuersatz besteuert. So bekämen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen Anreize.In dem europäischen Binnenmarkt sieht Gramegna auch den Grundstein für die Entwicklung der Finanzplätze in Europa: “Ohne den Binnenmarkt hätten wir uns alle nicht so entwickeln können, wie es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist”, sagt er. Er plädiert auch weiterhin für offene Finanzplätze, auch um realwirtschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen; dabei stünden wiederum Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Vordergrund. Der Brexit und seine FolgenIn dem Brexit sieht Gramegna für die europäischen Finanzplätze insgesamt Opportunitäten. Britische Banken oder andere Finanzdienstleister, die bislang keine Niederlassung im Binnenmarkt hatten oder immer noch nicht haben, müssten nun eine schaffen, wollten sie weiterhin in der EU agieren. Luxemburg habe in den vergangenen drei bis vier Jahren davon profitiert. Mehr als 60 Banken, Assetmanager und Versicherer haben sich seit dem Brexit-Votum im Großherzogtum angesiedelt. “Umgekehrt müssen wir aber auch immer berücksichtigen, dass London über viele Jahrzehnte stets ein wichtiger und verlässlicher Partner für uns gewesen ist”, sagt er.Man müsse nun sehen, wie sich London positioniere. “Schaffen sie die gleichen Regeln wie Europa oder distanzieren sie sich? Wenn sie sich distanzieren, dann wird es schwer, Brücken für ihre Produkte zu bauen”, führt er aus. Er verweist auch darauf, dass auch andere Finanzplätze profitiert hätten, wie Frankfurt, Paris, Dublin, Madrid oder Brüssel. Die Investments aus London heraus nach Kontinentaleuropa seien doch sehr weit aufgeteilt worden, je nachdem, um welchen speziellen Finanzbereich es ging. So habe Frankfurt etwa von Verlagerungen im Investment Banking profitiert, Luxemburg dagegen von Fonds, Private Banking und Versicherungen. “Das zeigt umgekehrt aber auch, wie vollumfänglich der Londoner Finanzplatz aufgestellt und ausgestaltet ist. Dort sind alle Aktivitäten angesiedelt, und es gibt ein feingliedrig ausgestaltetes Ökosystem am Londoner Platz, das eben sehr viele Interessen und Anforderungen der Finanzbranche bedient.Das finden wir in Europa nirgendwo sonst”, sagt er. Das lasse sich auch am Global Financial Center Index ablesen. Kein anderer europäischer Finanzplatz spiele in der gleichen Liga wie London. “Die übrigen europäischen Finanzplätze sind da etwas ins Hintertreffen geraten.” Deswegen sei es wichtig, dass die europäische Finanzwelt mit der City weiterhin über die nächsten Jahre zusammenarbeite.Bestimmte Aktivitäten im Finanzsektor werden seiner Ansicht nach in den kommenden Jahren noch mehr ihren Stellenwert verlieren, den sie in früheren Jahren hatten, auch das hänge mit der Digitalisierung zusammen. Das gelte etwa für viele Prozesse und Dienstleistungen im Bankensystem. Vieles davon betreffe das Filialgeschäft. Zahlungsverkehr, Anlageprozesse, Beratungen, Prüfungs- und Genehmigungsverfahren liefen heute automatisiert und digital ab. Das zeige Auswirkungen. “Wenn vor der Finanzkrise Bank A die Bank B übernommen hat, galten 3 000 oder 5 000 Filialen der Bank B als klares Asset und erhöhten den Wert der Übernahmetransaktion. Das hat sich ins Gegenteil verkehrt: Heute schlägt das mit Kosten zu Buche und verringert den Wert der Transaktion. Die Digitalisierung vieler Aktivitäten in der Finanzbranche wird die Transformation dieser Prozesse in den nächsten Jahren enorm vorantreiben”, prognostiziert Gramegna. Luxemburg setze alles daran, den Finanzplatz weiter auf die Trends von morgen vorzubereiten und dadurch einer der Leader in Europa zu bleiben.