IM INTERVIEW: CLAUDE MARX, CSSF

Luxemburger Aufsicht erteilt "Ideenreichtum" eine Absage

Finanzaufsicht dringt bei Geschäftsverlagerungen ins Großherzogtum auf klare Substanzerfordernisse - Finanzplatz genießt im Fondsbereich besonderen Ruf

Luxemburger Aufsicht erteilt "Ideenreichtum" eine Absage

Die Luxemburger Finanzaufsicht wird bei Anfragen bezüglich Brexit-bedingter Geschäftsverlagerungen offenkundig auch mit “Ideenreichtum” konfrontiert. Claude Marx, Chef der Aufsicht CSSF, erteilt diesen Überlegungen aber eine Absage. Substanzerfordernisse müssten im Großherzogtum eingehalten werden.- Herr Marx, rechnen Sie aufgrund des Brexit in den nächsten Jahren mit volumenmäßig hohen Geschäftsverlagerungen oder mit Blick auf die Institutionen mit zahlenmäßig vielen Verlagerungen von London nach Luxemburg?Der Finanzplatz Luxemburg ist spezialisiert auf verschiedene Geschäftsbereiche wie zum Beispiel die Fondsverwaltung, Vermögensverwaltung sowie Verwahraktivitäten, Fintechs sowie den Zahlungsverkehr beziehungsweise -dienstleistungen. Die meisten Akteure in diesen Bereichen sind bereits in Luxemburg präsent, es kann allerdings noch punktuell zu weiteren Verlagerungen durch den Brexit kommen. Handelsaktivitäten und das Investment Banking sind traditionell eher weniger stark beziehungsweise kaum in Luxemburg vertreten. Deshalb rechnen wir in diesen Bereichen auch nicht mit größeren Verlagerungen nach Luxemburg.- Die CSSF ist nun ein Jahr mit Anfragen von Finanzinstitutionen konfrontiert, wenn es um mögliche Verlagerungen oder Neuansiedlungen geht. Bekommen Sie sehr viele Anfragen, oder ist das aus Ihrer Sicht noch überschaubar?Die CSSF hat bis heute ungefähr 50 Anfragen erhalten, die im direkten oder indirekten Zusammenhang mit dem Brexit stehen. Das größte Interesse kommt aus den Bereichen Fondsverwaltung und Fintech. Es handelt sich hier allerdings um Anfragen und nicht schon um definitive Entscheidungen seitens der Unternehmen. Bei den Anfragen geht es teilweise um Neuansiedlungen, in den meisten Fällen jedoch wollen Finanzinstitutionen, die schon in Luxemburg präsent sind, ihre Aktivitäten hier weiter ausbauen.- Sind die Anfragen in Ihrem Haus immer ganz klar vom Brexit getrieben, oder lassen sich die Anfragen nicht immer klar dem Aspekt Brexit zuordnen? Anders ausgedrückt: Bekommen Sie mehr Anfragen, die nicht im Zusammenhang mit dem Brexit stehen?Die meisten Anfragen, die wir zurzeit erhalten, stehen in der Tat nicht in Bezug zum Brexit. Zum Beispiel gibt es Interesse im Fintech-Bereich oder von neuen chinesischen Banken an einer Präsenz in Luxemburg. Ebenso stehen viele Anfragen für neue Investmentfonds, besonders im alternativen Fondsbereich, in keinem Zusammenhang zum Brexit. Wir stellen aber auch fest, dass die Strategie verschiedener Unternehmen durch den Brexit beeinflusst wird, indem zum Beispiel neue Produkte eher in Luxemburg als in London aufgelegt werden. Auch haben einige Unternehmen OGAWs in Luxemburg aufgelegt mit der Absicht, diese gegebenenfalls weiter auszubauen, insbesondere durch Übertragung von britischen OGAWs nach Luxemburg.- Aus welchen Bereichen der Finanzindustrie kommen vornehmlich Anfragen bei Ihnen: Banken, Fonds/Assetmanagement, Fintech/elektronische Zahlungsdienstleister?Die meisten Anfragen, die an uns gerichtet werden, kommen von Fondsinitiatoren und Verwaltungsgesellschaften, Portfolioverwaltern, Fintech-Unternehmen sowie Zahlungsdienstleistern aus Großbritannien, aber auch aus Amerika und Japan.- Um was dreht es sich inhaltlich bei den meisten Anfragen?Dies ist abhängig von dem Bereich, aus dem die Anfragen kommen. So stellt sich zum Beispiel beim OGAW-Genehmigungsgesuch die Frage von Substanz nicht, hier geht es darum, ein OGAW in Luxemburg aufzulegen oder zu übertragen. Bei Verwaltungsgesellschaften ist das oberste Ziel der Anbieter, einen Zugang zum europäischen Markt für Mifid-Aktivitäten zu erhalten. Für Verwaltungs- und Wertpapiergesellschaften wendet die CSSF alle legalen Standards an, die auf der europäischen Regulierung basieren. Ein wesentliches Kriterium besteht darin, dass diese Gesellschaften über ausreichend Substanz in Luxemburg verfügen müssen, wie zum Beispiel ein Minimum an Personal inklusive aller wesentlichen Funktionen wie Management, Risk Management, interne Kontrolle, Internal Audit, IT und so weiter. Außerdem wendet die CSSF das Proportionalprinzip an abhängig von der Art, der Komplexität und der Größenordnung der in Luxemburg geplanten Geschäfte.- Sind Finanzinstitutionen auch daran interessiert, nur Teile zu verlagern, das heißt hierfür ein Outsourcing vorzunehmen und dann auf Strukturen zurückzugreifen, die in London angesiedelt sind oder an anderen Standorten der jeweiligen Gruppe?Outsourcing und Delegation sind des Öfteren ein Thema bei Anfragen bezüglich Brexit. Das Outsourcing gewisser Tätigkeiten in andere Einheiten der Gruppe, sei dies in Großbritannien oder anderswo, ist durchaus möglich, insofern eben genügend Substanz in Luxemburg vorhanden ist. Diese Problematik wird auch auf europäischer Ebene diskutiert, zum Beispiel gibt es Initiativen auf der Ebene der EBA und ESMA. Wir sind nicht an einem Wettlauf um die niedrigsten regulatorischen Standards interessiert, sondern setzen uns für ein Level Playing Field ein.- Werden Sie in dieser Hinsicht auch schon mit Ideenreichtum konfrontiert?Um es ganz klar zu sagen: Das Headquarter einfach nur nach Luxemburg zu verlegen und das bisherige Headquarter in London als Zweigstelle umzufirmieren, aber dann trotzdem alle Schlüsselfunktionen aus London heraus abzudecken und dann auch personell ohne Verlagerungen auszukommen wird mit uns nicht machbar sein.- Inwieweit werden Sie mit rein technischen Themen konfrontiert, zum Beispiel in Sachen Risikomanagement? Welche Aspekte sind hier relevant?Uns interessiert in erster Linie, dass alle regulatorischen Anforderungen erfüllt werden. So muss adäquates Personal und die nötige Infrastruktur in Luxemburg vorhanden sein, um ein für die geplanten Aktivitäten gerechtes Risikomanagement zu gewährleisten.- Wofür interessieren sich in erster Linie die Fondsgesellschaften?Die Fondsgesellschaften interessieren sich in erster Linie dafür, einen Zugang zum europäischen Markt zu behalten und ihre Cross-Border-Aktivitäten gegebenenfalls von Luxemburg aus zu tätigen.- Und um welche Inhalte geht es vornehmlich bei den Banken?Substanz ist sicherlich hier auch ein Thema. Andere Fragen betreffen zum Beispiel die Kapitalanforderungen und interne Modelle. Allerdings liegt die Zuständigkeit, um Banklizenzen zu erteilen, nicht bei der CSSF, sondern bei der Europäischen Zentralbank (EZB).- Was wollen die Fintechs wissen?Die Fintechs interessiert, welche Lizenz auf ihre Aktivität anzuwenden ist und wie die Überwachung verläuft. Weitere Fragen betreffen die Substanz sowie die Antrags- und Überwachungskosten.- Luxemburg, Frankfurt, Dublin und Paris stehen in Sachen Brexit im Wettbewerb. Wie schätzen Sie diesen Wettbewerb ein, und wo sehen Sie Luxemburg stehen?Wir sehen keinen Wettbewerb, da jeder Finanzplatz seine eigenen Stärken und Schwächen hat. Wir glauben auch nicht, dass durch den Brexit alle Aktivitäten in eine bestimmte Stadt verlagert werden. Die meisten Finanzinstitute sind in mehreren Ländern tätig und werden je nach Kompetenzen und Besonderheiten bestimmte Aktivitäten in verschiedenen Städten verstärken. Im Fondsbereich beispielsweise genießt Luxemburg einen besonderen Ruf, insbesondere wegen der internationalen Auslegung des Finanzplatzes sowie der Fähigkeit und der Kapazitäten luxemburgischer Dienstleister, internationale Lösungen anbieten zu können.- Jeder will in diesem Beauty Contest verständlicherweise eine gute Figur machen: Offerieren Sie den Brexit-Kandidaten spezifische Regeln für eine Ansiedlung im Großherzogtum?Für uns gibt es keinen Beauty Contest, und wir bieten Brexit-Kandidaten auch keine spezifischen Regeln für eine Ansiedlung in Luxemburg an. Wir wenden ausschließlich die allgemeingültigen Genehmigungsbedingungen an, welche europaweit stark harmonisiert sind. Im Bankenbereich ist Luxemburg in der Bankenunion und zu 100 % in den Single Supervisory Mechanism (SSM) eingebunden. Die Banklizenzen werden exklusiv von der EZB erteilt, die in der gesamten Eurozone dieselben Kriterien anwendet, unabhängig davon, ob es sich um ein großes, breit aufgestelltes Institut oder eine etwas kleinere Adresse handelt.- Gibt es von interessierten Institutionen auch ganz konkrete Anfragen, die sich an die CSSF selbst richten, das heißt an Ihre Aufstellung, das Know-how Ihrer Mitarbeiter, Ihre Größe und damit Ihre Fähigkeit, Anfragen zu Geschäften schnell und zuverlässig beantworten und auch nachhaltig begleiten zu können?Ja, konkrete Anfragen betreffen auch die Genehmigungsdauer sowie die Mehrsprachigkeit der Mitarbeiter. In der Tat können nicht nur die Anfragen an die CSSF in deutscher, französischer und englischer Sprache gestellt werden, sondern die gesamte Genehmigungsprozedur mit allen damit in Zusammenhang stehenden Dokumenten kann in einer dieser drei Sprachen erfolgen.- Gibt es Bereiche in Ihrem Hause, bei denen Sie in Sachen Brexit jetzt noch nachlegen müssen, das heißt, bei denen noch Aufbauarbeit zu leisten ist?Wir sind bereits gut aufgestellt und sind in der Lage, Interessenten auch kurzfristig einen Termin zu gewähren sowie Dokumente zügig zu bearbeiten.- Womit können Sie als CSSF bei interessierten Finanzinstitutionen besonders punkten?Die CSSF verfügt über reichlich Erfahrung, um Lizenzverfahren mit der notwendigen Sorgfalt zu bearbeiten. Tatsache ist, dass wir immer ein offenes Ohr für unsere Gesprächspartner haben sowie dass wir recht flexibel auf Marktneuheiten reagieren. Von Vorteil ist auch, wie bereits gesagt, dass Interessenten zwischen drei Sprachen wählen können, in denen sie mit uns kommunizieren wollen.—-Das Interview führte Kai Johannsen.