Macron kämpft für Standort Paris
Im Rennen der Finanzplätze sehen sich verschiedene Metropolen naturgemäß weit vorn – auch Paris. Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire zeigt sich sogar zuversichtlich, dass die Stadt den Rivalen London in fünf bis zehn Jahren überholen wird. Einige Neuansiedlungen an der Seine stimmen die Franzosen zuversichtlich.Von Gesche Wüpper, ParisErst lud er BlackRock-Chef Larry Fink ein, dann die Vertreter der weltweit 21 größten Investmentfonds und später 140 Firmenchefs, darunter Lloyd Blankfein von Goldman Sachs und Jamie Dimon von J.P. Morgan. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron umwirbt den Finanzsektor seit seiner Wahl im vergangenen Jahr nicht nur mit einer Charme-Offensive, sondern stellt Banken auch eine Reihe von Erleichterungen in Aussicht. Denn der frühere Rothschild-Banker weiß nur zu gut, dass die Äußerungen seines Vorgängers François Hollande für den Finanzplatz Paris nicht gerade förderlich waren. “Mein wahrer Feind, das ist die Finanzwelt”, hatte Hollande im Wahlkampf 2012 verkündet.Dass Macron die Branche gezielt hofiert und Paris zur Welthauptstadt der grünen Finanzwirtschaft machen will, dürfte sich nun auszahlen. So planen immer mehr Gruppen von der Wall Street, ihr operatives Geschäft in der französischen Hauptstadt auszubauen. Die nach dem Brexit-Votum vor zwei Jahren erhoffte Völkerwanderung von der Themse an die Seine ist jedoch ausgeblieben. Die meisten Finanzinstitute warten den Verlauf des Brexit ab. Wettlauf mit FrankfurtIn der Gunst scheint Paris jedoch inzwischen vor Frankfurt zu liegen. Laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters im Frühjahr in der Finanzbranche kann die französische Hauptstadt wegen des Brexit bereits auf 2 280 neue Stellen hoffen, Frankfurt dagegen nur auf 1 420, Dublin auf 612 und Luxemburg auf 407. Die Finanzplatzvereinigung Paris Europlace erwartet sogar 3 500 zusätzliche Arbeitsplätze und hält mit indirekten Effekten bis zu 20 000 neue Jobs für möglich. Es sind Zahlen über Zahlen. In Frankfurt wurde die Marke von 10 000 Stellen ausgerufen, die im günstigen Fall in der Finanzbranche und angrenzenden Sektoren im Zuge des Brexit entstehen könnten.Fest steht, dass die Europäische Bankenaufsicht EBA mit ihren knapp 200 Mitarbeitern bis März von London in das westlich von Paris gelegene Geschäftsviertel La Défense umziehen will. Die französische Regierung will ihre Ansiedlung mit bis zu 1,5 Mill. Euro unterstützen. HSBC wiederum hatte zunächst angekündigt, bis zu 1 000 Arbeitsplätze nach Paris verlagern zu können, wo die britische Bank bereits relativ stark vertreten ist. Bisher ist dies zwar nicht geschehen, doch die Bank hat bereits die Verantwortung für ihre irischen und polnischen Töchter von ihrem Londoner Zweig auf HSBC France übertragen. Ihre Töchter in Belgien, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Spanien und der Tschechischen Republik sollen künftig ebenfalls von der französischen Einheit kontrolliert werden.Französische Banken wie BNP Paribas und Société Générale könnten insgesamt rund 1 000 Mitarbeiter von London nach Paris holen. Doch auch bei ihnen sind bisher keine konkreten Schritte erfolgt. BlackRock hat sich laut “Financial Times” bei der französischen Aufsicht AMF um eine Lizenz beworben, um eine Gesellschaft für alternative Investmentprodukte in Paris zu gründen. Goldman Sachs wiederum will mehrere Dutzend Stellen nach Paris transferieren, wo die Bank bereits rund 100 Mitarbeiter beschäftigt.J.P. Morgan könnte knapp 200 Mitarbeiter, vor allem aus dem Bereich Marktaktivitäten, nach Paris holen. Morgan Stanley plant, nach dem Brexit 80 Stellen in Paris zu schaffen, und Bank of America erwägt laut Reuters, 400 Stellen an die Seine zu verlagern. Der US-Riese hat bereits Mietverträge für zusätzliche Räume im 8. Arrondissement unterzeichnet, die Platz für bis zu 1 000 Mitarbeiter bieten. Einen Teil wird die Bank jedoch untervermieten.Das britische Fondshaus Schroders hat im Herbst 2017 eine Filiale in Paris eröffnet – angeblich unabhängig vom Brexit. Die alternative Handelsplattform Aquis Exchange kündigte gerade an, ein Büro in der französischen Hauptstadt eröffnen zu wollen, um den Brexit vorzubereiten. Standard Chartered, Wells Fargo und der Versicherer Chubb haben sich ebenfalls für Paris ausgesprochen. Auch Banken aus dem Mittleren Osten sollen dazu tendieren, ihren Europasitz nach Paris zu verlagern.Die Steuer- und Arbeitsmarktreformen von Präsident Macron tragen zur Attraktivität des Standorts bei, wie der langjährige Europlace-Vorsitzende Gérard Mestrallet meint, den Augustin de Romanet gerade an der Spitze abgelöst hat. Zudem habe sich das Image Frankreichs durch den “jungen, modernen und unternehmensfreundlichen” Staatschef verbessert. Macrons Regierung hat Erleichterungen etwa für Lohnsteuerzahlungen im oberen Gehaltssegment und die schrittweise Senkung der Körperschaftsteuer von 33,3 auf 25 % in Aussicht gestellt. Auch Englisch ist erlaubtZudem wurden Rechtsvorschriften gelockert, um Paris als Finanzstandort wettbewerbsfähiger zu machen. So dürfen Dokumente von Anleihen für Institutionelle inzwischen auch nur auf Englisch verfasst werden. Vorher verpflichtete das sogenannte Toubon-Gesetz zum Schutz der französischen Sprache Emittenten dazu, die Dokumente auch auf Französisch zu veröffentlichen, selbst wenn die Verhandlungen auf Englisch geführt wurden.Wirtschaftsminister Bruno Le Maire zeigt sich zuversichtlich, dass Paris London in den nächsten fünf bis zehn Jahren als Finanzplatz überholen kann. Die Region Ile de France, die Stadt Paris, die Industrie- und Handelskammer Paris sowie Business France haben bereits Ende 2016 die Anlaufstelle “Choose Paris Region” eingerichtet, die Unternehmen mit Rat und Tat zur Seite steht, die sich im Großraum Paris ansiedeln wollen. Von den 120 Dossiers, die bei ihr seitdem eingegangen sind, stammen 70 % aus dem Finanzsektor.Nach Angaben von Paris Europlace gibt es in der Metropole neben 750 Fintechs insgesamt 630 Assetmanager und ein verwaltetes Vermögen von mehr als 4 000 Mrd. Euro.—-Zuletzt erschienen:- Talentschmiede mit Strahlkraft (11. September)- Beständige Verantwortung (7. September)- London liegt in Europa weit vorn (6. September)