SERIE: FINANZPLÄTZE UND IHRE ZUKUNFT (11)

Madrid will die City Südeuropas sein

Spanien will auch nach der Übernahme des Börsenbetreibers BME im Konzert der Finanzplätze mitspielen

Madrid will die City Südeuropas sein

Unter den weltweiten Finanzplätzen ist Madrid nur ein kleines Licht. Und doch haben einige Finanzunternehmen die spanische Hauptstadt als Standort für die Zeit nach dem Brexit ausgemacht. Der Börsenbetreiber BME, der Stolz des Finanzplatzes, soll auch nach Übernahme durch die Schweizer Six die Stadt prägen.Von Thilo Schäfer, MadridIn den kommenden Monaten rollen im Norden Madrids die Bagger an. Nach einem jahrzehntelangen politischen Hin und Her gaben die Verantwortlichen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene Mitte Juli endlich grünes Licht für Madrid Nuevo Norte, zu Deutsch: Neuer Norden. Es ist ein pharaonisches Projekt, das die nördlichen Viertel der spanischen Hauptstadt komplett verändern wird. Neben 10 000 Wohnungen und dem mit 70 Stockwerken höchsten Wolkenkratzer des Landes sollen 1,5 Millionen Quadratmeter Bürofläche entstehen. Madrid soll nach dem Willen der öffentlichen und privaten Bauherren mit dieser nagelneuen City zum Finanzzentrum Südeuropas avancieren. Nicht in der ersten LigaBislang spielen die spanischen Märkte, im Gegensatz zu den heimischen Fußballclubs, international nämlich nur in der zweiten oder eher dritten Liga. In der letzten Ausgabe des Global Financial Centres Index belegte Madrid nur Platz 43, gleich hinter Mailand. Aber immerhin war die Tendenz in den letzten Jahren positiv.Vom Brexit hatten sich die Spanier ursprünglich einen größeren Anteil an der Erbmasse erwartet. “Madrid ist ein ausgezeichneter Finanzplatz, dank der Qualität seiner Infrastruktur und der spanischen Emittenten, wie auch der Verbindung zu Iberoamerika”, kommentiert Francisco Uría, der für die Finanzbranche zuständige Partner von der Beratungsfirma KPMG in Spanien. “Allerdings sind trotz der Bemühungen der Regulierer und der spanischen Behörden nicht so viele Institute nach Madrid gezogen wie nach Paris oder Frankfurt im Bankbereich und Luxemburg und Irland im Assetmanagement, obwohl es wichtige Ausnahmen gibt.”Eine dieser Ausnahmen ist Citi. Die US-Bank hat ihre Abteilung für das Private Banking in Südeuropa, die neben Spanien auch Portugal, Italien, Griechenland und die Türkei umfasst, von London nach Madrid verlegt. “Wir sind die erste Bank, die Angestellte herbringt, um andere Märkte von Spanien aus zu betreuen. Andere haben nur Mitarbeiter geholt, die Spanien von anderen Regionen aus betreut haben”, sagte der Leiter der Abteilung, Fernando López Muñoz, im März spanischen Medien. “Dieser Schritt ist wichtig, um der Branche zu zeigen, dass wir die Unterstützung der Regulierer haben und dass es hier großes Talent auf dem Niveau anderer internationalen Finanzzentren gibt.” BME soll eigenständig bleibenEbenso hat die Credit Suisse einen Teil ihrer Broker aus London in die spanische Metropole verlegt. Auch eine andere Schweizer Institution setzt auf Madrid. Six, der Betreiber der Züricher Börse, hat im Juni die Übernahme des spanischen Mitbewerbers Bolsas y Mercados Españoles (BME) erfolgreich abgeschlossen. Für 93 % der Anteile an der Betreibergesellschaft der vier spanischen Börsen in Madrid, Barcelona, Valencia und Bilbao zahlen die Schweizer knapp 2,6 Mrd. Euro. Der Preis sei “fast exzessiv”, meint Angel Berges, Vizepräsident der spanischen Beratungsfirma Analistas Financieros Internacionales (Afi). Andere Interessenten wie Euronext oder die Deutsche Börse hätten seiner Ansicht nach nie so viel bezahlt.Jahrelang hatte BME abseits der Konsolidierung anderer europäischer Marktplätze gestanden. Mit der Übernahme durch Six verliert die börsennotierte Madrider Börse, die einst sogar zum eigenen Schwergewichtsindex Ibex 35 zählte, nun ihre Unabhängigkeit. “BME hat seine Möglichkeiten gut genutzt”, sagt Berges von der Beratungsfirma Afi. “Mit Six haben sie viel mehr Spielraum. Euronext oder Deutsche Börse hätten die Zentrale nach Paris oder Frankfurt verlegt. Die Schweizer wollen aber einen Fuß in der Eurozone haben, weshalb sie bereit waren, einen sehr hohen Preis zu zahlen.”In der Tat hat Six von Beginn an gegenüber den Aktionären von BME und den spanischen Behörden größtmögliche Eigenständigkeit für die Bolsa de Madrid zugesichert. So hat man sich dazu verpflichtet, die Operationen zehn Jahre lang in Spanien zu belassen. Die Marke BME besteht vorerst weiter und Javier Hernani bleibt CEO. Die Schweizer wollen außerdem das Clearing der Gruppe in Spanien ansiedeln. “Die Integration unseres Angebots an Produkten und Dienstleistungen wird uns ermöglichen, Wert zu schöpfen, die Einnahmen zu erhöhen und international wettbewerbsfähig zu sei”, sagte der CEO von Six, Jos Dijsselhof, der seit kurzem auch Präsident des Aufsichtsrats von BME ist.Ein Aspekt, der oft zugunsten des Finanzplatzes Madrid angeführt wird und auch in den Plänen von Six eine Rolle spielt, ist die historische, kulturelle und wirtschaftliche Verbinden Spaniens zu Lateinamerika. Seit gut 20 Jahren gibt es an der Madrider Börse den Latibex, wo lateinamerikanische Firmen in Euro notieren. Uría von KPMG meint, dass die Erwartungen an den Latibex nicht ganz erfüllt worden sind, nicht zuletzt wegen der Konkurrenz der großen nordamerikanischen Märkte. Vergebene ChanceDie Spanier trafen in der Vergangenheit nicht immer die richtige Entscheidung. Madrid hatte sich nach dem Brexit für den Sitz der European Banking Authority (EBA) interessiert. Nach Ansicht von Berges, der bis vor kurzem Mitglied der Banking Stakeholders Group der EBA war, hätte die spanische Hauptstadt durchaus Chancen auf die Behörde gehabt, die schließlich an Paris vergeben wurde. Doch die damalige konservative Regierung in Spanien setzte alles auf die Bewerbung Barcelonas für die ebenfalls noch in London ansässige Europäische Arzneimittel-Agentur, im Glauben, damit dem katalanischen Separatismus etwas Wind aus den Segeln nehmen zu können. Am Ende ging Spanien leer aus. Am Finanzplatz Madrid trauert man heute noch der vertanen Chance auf die EBA nach – ähnlich wie im fernen Frankfurt. Zuletzt erschienen: Dezentrale Systeme für die Marktinfrastruktur (20. August) Gastbeitrag: Krisen taugen nicht für Experimente (19. August) “Es ist die Stunde des Kapitalmarktes” (18. August)