Megatrend Demografie zahlt sich für Investoren aus
Dr. Christian KochPortfolio Manager & Equity Analyst bei BB BiotechNach Höchstständen im Sommer 2015 gerieten Biotech-Aktien unter Druck. Doch der Boden scheint erreicht. Die innovative Branche lockt mit historisch niedrigen Bewertungen, Übernahmefantasien und prall gefüllten Entwicklungspipelines. Langfristig treibt der Megatrend Demografie die Kurse an. Die wirklich großen und mächtigen Trends entwickeln sich langsam, verändern die Welt aber dafür grundlegend. Schritt für Schritt, von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, bahnen sie sich beharrlich, oft über Jahrzehnte ihren Weg. Einer dieser unaufhaltbaren Megatrends ist der demografische Wandel. Die Geschichte ist schnell erzählt: Laut Berechnungen der Weltbank wird sich der Anteil der über 60-Jährigen bis 2050 auf 22 % erhöhen und damit fast verdoppeln – für die gesamte Menschheit eine gewaltige Herausforderung. Aus Investorensicht – vor allem langfristig orientiert – stellt sich die Frage, wie man von diesem Megatrend profitieren kann. Eine Möglichkeit bieten Investments in die Hersteller und Entwickler von Medikamenten und sonstigen Therapien. Die zunehmende Überalterung der Gesellschaft bringt einen Anstieg von altersbedingten Krankheiten wie Krebs oder Alzheimer mit sich. Unternehmen aus der Pharma- und Biotechnologie, die sich mit der Entwicklung von entsprechenden Therapien beschäftigen, profitieren. Nicht nur durch ihre hohe Innovationskraft zeichnen sich die Unternehmen aus der Biotech-Industrie aus, denn Biotech-Standardwerte werden derzeit auch niedriger als große Pharmakonzerne und auch als der Durchschnitt des US-Leitindex S & P bewertet. Die Bewertungen vieler Small und Mid Caps bewegen sich gerade in Bezug auf ihre Entwicklungs-Pipelines weiterhin auf Rekordtiefs. So steht der Biotech Large Cap Gilead, bekannt für seine HIV- und HCV-Therapien, mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 7 zum Verkauf. Grund für die niedrigen Bewertungen ist nicht nur das rasante Gewinnwachstum, sondern auch eine herbe Korrektur. Nach einem jahrelangen Aufstieg (zwischen 2011 und 2015 vervierfachte sich der Nasdaq-Biotech-Index) begannen die Kurse der Biotech-Firmen im August 2015 einzubrechen. Ausgelöst wurde die Korrektur durch einen Tweet von Hillary Clinton als Reaktion auf einen “New York Times”-Artikel zu den Kosten im Gesundheitssektor. Eine öffentliche Debatte in den USA um eine stärkere Regulierung der in den vergangenen Jahren gestiegenen Medikamentenpreise setzte ein. Danach führte neben den makroökonomischen Unsicherheiten eine Mischung aus Gewinnmitnahmen, Sorgen über die US-Wahlen im Herbst und einigen schlechten Firmennachrichten zu Kapitalabflüssen und drückte die Kurse. Der größte Mittelabfluss von Seiten der institutionellen Investoren ereignete sich dabei in den beiden Monaten zum Jahresanfang. Diese Mittelabflüsse schwächten sich im zweiten Quartal ab. Mittlerweile scheint der Boden gefunden. Seit dem Frühjahr befindet sich der Nasdaq-Biotech-Index in einer stabilen Seitwärtsbewegung. Viele Firmen legten seit ihren Junitiefs um 20 % zu. Da Biotechnologie nach wie vor von US-Unternehmen dominiert wird, sorgt die US-Präsidentschaftswahlnoch für Unsicherheiten. Einiges spricht jedoch dafür, dass eine neue Aufschwungsphase bevorsteht. Einbußen bei Umsatz und Gewinn, die sich unter der neuen Präsidentschaft ergeben könnten, sind eingepreist. Zudem wird Hillary Clinton zunehmend positiv gesehen. Der größte Teil der Parteispenden von Mitarbeitern aus Pharma- und Biotech-Unternehmen ging an die Demokraten. Clinton ist berechenbarer, Trump hat immerhin erklärt, dass er die amerikanische Industrie weiterhin führend halten oder sogar führender machen will. Die Branche dürfte mit beiden Präsidenten zurechtkommen. Für wirksame Therapien werden auch in Zukunft hohe Kosten erstattet. Die Biotech-Unternehmen werden in Zukunft mehr Zeit und Energie dafür aufwenden müssen, den Behörden und der Öffentlichkeit nicht nur den medizinischen Nutzen, sondern auch den monetären Vorteil vor Augen zu führen. Ein Beispiel sind die beiden Hepatitis-C-Medikamente Harvoni und Sovaldi von Gilead Sciences. Weit über 90 % aller Betroffenen werden von dieser chronischen Erkrankung durch die Einnahme der Tabletten geheilt. Die noch viel kostspieligere und belastende lebensrettende Organtransplantation wird so aber vermieden. Mit einem Gesamtumsatz von 19 Mrd. US-Dollar im Geschäftsjahr 2015 stehen die beiden Megaseller von Gilead für das schnellste Umsatzwachstum in der Geschichte der Medikamentenentwicklung. Gilead verdient an diesen Medikamenten viel Geld, leistet den Patienten allerdings den größten Nutzen in Form von Heilung und hat dem Gesundheitssystem so auch hohe Ausgaben erspart. Gilead ist ein Beispiel für die operativen Fortschritte in der Branche. Die Umsätze der im Nasdaq-Biotech-Index (NBI) gelisteten Unternehmen schossen von 1995 bis 2015 von 6 auf 131 Mrd. Dollar in die Höhe. Der Reingewinn im Index legte von 1 Mrd. auf 23 Mrd. Dollar zu. Konnten früher nur wenige Biotech-Firmen die Gewinnschwelle überschreiten, weisen inzwischen rund 30 % der im NBI gelisteten Firmen Gewinne aus. 2018 sollen es bereits 60 % sein. Zudem werden zunehmend Dividenden ausbezahlt. Die niedrigen Kurse nähren die Übernahmefantasie. Weiterhin ist die Pharmaindustrie mit dem Ablauf einer Reihe von wichtigen Patenten, dem sogenannten Patentcliff, beschäftigt. Zur Nachahmung frei werdende Therapien reißen Löcher in die Umsätze. Gestopft werden sie unter anderem mit den innovativen und meist aufwendig zu kopierenden Produkten aus der Biotechnologie. Im Mittelpunkt des Interesses stehen mittelgroße Firmen, die bereits ein Produkt auf dem Markt haben und über eine volle Produktpipeline im reiferen Stadium verfügen. Ein Beispiel für die lebhaften M&A Aktivitäten im Biotech-Sektor ist Medivation. Die Übernahmeschlacht, die letztendlich Pfizer gewann, trieb den Aktienkurs in den vergangenen 12 Monaten von 40 auf mehr als 80 Dollar. Noch extremer zeigte sich der Kurssprung bei Tobira Therapeutics aufgrund ihrer Übernahme durch Allergan: Die Aktie stieg um 700 % während eines Handelstages. Neben den Übernahmen sind die Erfolge in der Forschung die größten Kurstreiber in der Biotech-Industrie. Oberstes Ziel bleibt die Zulassung am lukrativsten und größten Pharmamarkt, den USA. Allein im Vorjahr hat die Zulassungsbehörde FDA für 45 Produkte die Türen zum US Markt geöffnet. 1995 lag die Zahl der Zulassungen lediglich bei 28. Die Zahl der Zulassungen dürfte weiter hoch bleiben. Zu den spannendsten neuen Ansätzen zählt in der Krebsmedizin die Immuntherapie. Dabei werden die körpereigenen T-Zellen aktiviert, um Tumorzellen zu identifizieren und auszuschalten. Biotech-Firmen wie Kite Pharma oder Juno Therapeutics sind hier die Vorreiter. Schaffen die klinischen Kandidaten den Markteintritt, werden sie vor allem mit herkömmlichen Behandlungsmethoden zum Einsatz kommen. Dazu zählen die Strahlen- und Chemotherapie, aber auch die erste Generation von biotechnologisch entwickelten Krebsmitteln. Neben ganz neuen Produkten versuchen Biotechs, die bereits verkauften Produkte in zusätzlichen Krankheitsfeldern einzusetzen. Ein Beispiel ist das Leukämiemittel Revlimid, das bei Celgene für über 60 % der Umsätze verantwortlich ist. Wie sich zeigte, lässt sich der Wirkstoff auch als Entzündungshemmer einsetzen. Celgene gelang so der Einstieg in die Behandlung von Entzündungskrankheiten wie Morbus Crohn oder chronische Darmentzündung. Grundsätzlich sind Investments in einzelne Aktien riskant. Im Biotechnologie-Bereich sind die Ausschläge durch die klinischen Studien und Zulassungsentscheide jedoch besonders groß. Bei Unternehmen, die sich nur auf ein Produkt fokussieren, steht bei einem Misserfolg schon einmal die Existenz auf dem Spiel. Um die Risiken und Chancen einschätzen zu können, bedarf es in den sehr komplexen Forschungsgebieten besonderer Expertise. Die börsennotierte Beteiligungsgesellschaft BB Biotech beschäftigt zahlreiche Wissenschaftler, um Mehrwert für ihre Investoren zu generieren. Die Breite des Portfolios gibt zusätzliche Sicherheit. Aus Investoren-Sicht kann der demografische Wandel kommen.