Merkels Logik für den Finanzplatz

Von Claus Döring, Frankfurt Börsen-Zeitung, 6.9.2018 Natürlich kann man es schon als Erfolg betrachten, dass die Bundeskanzlerin nach mehr als drei Jahren überhaupt einmal wieder in die deutsche Finanzhauptstadt gekommen ist, um dort vor der...

Merkels Logik für den Finanzplatz

Von Claus Döring, FrankfurtNatürlich kann man es schon als Erfolg betrachten, dass die Bundeskanzlerin nach mehr als drei Jahren überhaupt einmal wieder in die deutsche Finanzhauptstadt gekommen ist, um dort vor der Financial Community eine Rede zu halten. Wer von den 350 geladenen Gästen aber an mehr als an der bloßen Präsenz Angela Merkels in Frankfurt interessiert war und beispielsweise erfahren wollte, was die Bundesregierung denn konkret zur Stärkung des Finanzstandortes Deutschland und insbesondere Frankfurts unternehmen wird, der dürfte den Abend im Ludwig-Erhard-Saal der Industrie- und Handelskammer als verlorene Zeit abhaken. Außer Allgemeinplätzen (“wir müssen uns den Wohlstand immer wieder neu erarbeiten”) und den schon im Koalitionsvertrag enthaltenen Absichtserklärungen hatte die Kanzlerin wenig im Gepäck. Dabei war die Erwartung groß, dass nach der vergeigten Bewerbung um den Sitz der Bankenaufsicht EBA, die von London nach Paris zieht, die Bundesregierung künftig etwas nachhaltiger Frankfurter Standortinteressen unterstützt. Zwar hatte wohl niemand die Erwartung, dass Merkel beim Werben um Londoner Banker der Charmeoffensive des französischen Präsidenten Emmanuel Macron nacheifern würde. Schon ihr Verhältnis zu deutschen Bankern gilt ja seit Jahren als unterkühlt. Doch etwas engagierter hätte der Kanzlerin Bekenntnis zum Finanzplatz schon ausfallen dürfen als die Zusicherung: “Wir werden alles tun, um Hessen dabei zu unterstützen, attraktive Rahmenbedingungen am Finanzstandort Deutschland zu ermöglichen.”Zur Agenda gehört dabei auch die Lockerung des Kündigungsschutzes für hoch verdienende Banker (Risikoträger), um Umzüge von London nach Frankfurt zu erleichtern. Dass für eine bestimmte Gruppe von Menschen plötzlich kein größerer, sondern ein kleinerer Kündigungsschutz gelten solle, bezeichnete die Kanzlerin als “interessanten Sachverhalt”, dem man aber in diesem partiellen Bereich entsprechen werde. “An dieser Regelung wird auch bereits gearbeitet”, so Merkel, ohne aber auf die Forderung der hessischen Landesregierung einzugehen, diese Gesetzesänderung doch bitte noch vor dem Brexit zu verabschieden.Immerhin sprach Merkel der Mainmetropole jetzt schon unübersehbare Standortvorteile zu, wie den Sitz einer der führenden Börsen und wichtiger Aufsichtsbehörden, wie BaFin, Bundesbank, EZB, Versicherungsaufsicht EIOPA und – “wir hätten gern noch was gehabt, aber egal, sehen wir darüber hinweg”. Nicht so leicht darüber hinwegsehen kann Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, der nun umso stärker darauf dringt, nach dem Brexit wenigstens das Euro-Clearing in Teilen an den Main zu holen, und dessen Ansage dazu im Grußwort an die Kanzlerin an Klarheit nichts vermissen ließ. Und Merkel? “Ich habe die Worte zum Euro-Clearing gehört”, und: “Wir denken konstruktiv mit.” Insgesamt leuchte die Aussage ja ein, dass das Clearing für den Euroraum “nicht sozusagen ganz woanders stattfinden solle”. Insofern könne man sagen, so die Bundeskanzlerin: “Die Logik spricht nicht dagegen – und den Rest machen die Fachleute.” Apropos Logik: Die Logik sprach auch nicht gegen den Sitz der EBA in Frankfurt, im Gegenteil. Aber seit wann werden hochpolitische Standortfragen nach der Logik entschieden?—–Wie die Bundeskanzlerin die Zukunft des Finanzplatzes sieht, hat sie in Frankfurt erläutert. —–