GASTBEITRAG

Mifid II zwingt Produkthersteller und Vertrieb zu besserer Kooperation

Börsen-Zeitung, 5.11.2016 Die Chancen stehen gut, dass die europäische Finanzmarktrichtlinie Mifid II im Hinblick auf einen noch besseren Anlegerschutz ein Erfolg wird. Denn die Umsetzung, die ursprünglich für den 3. Januar 2017 geplant war, ist um...

Mifid II zwingt Produkthersteller und Vertrieb zu besserer Kooperation

Die Chancen stehen gut, dass die europäische Finanzmarktrichtlinie Mifid II im Hinblick auf einen noch besseren Anlegerschutz ein Erfolg wird. Denn die Umsetzung, die ursprünglich für den 3. Januar 2017 geplant war, ist um ein Jahr verlängert worden. Damit die Richtlinie tatsächlich den beabsichtigten Erfolg bringen kann, gilt es jedoch, noch einige Herausforderungen zu meistern. Diese betreffen sowohl die Produkthersteller als auch den Vertrieb und die Regulierer.Ziel der Mifid-II-Richtlinie ist es, den Anlegerschutz über neue Anforderungen an Vertriebsmodelle für Finanzprodukte zu stärken. Dabei haben es Produkthersteller und Vertrieb gemeinsam in der Hand, Anlegern bessere Produkte und Dienstleistungen zu bieten. Wird Mifid II wie geplant umgesetzt, werden Anleger insgesamt von einer Verbesserung der Product Governance und der Kostentransparenz profitieren, und zwar sowohl auf der Vertriebs- als auch Produktebene. Denn sie werden noch besser entscheiden können, ob das Preis-Leistungs-Verhältnis eines Anlageproduktes stimmt.Um zu gewährleisten, dass Verbrauchern die richtigen Produkte verkauft werden, beinhalten die neuen Regeln ein dreistufiges Screening. Dabei müssen die Produkthersteller erstens neue Anforderungen für die Zielmärkte ihrer Produkte erfüllen. Zweitens werden die Regeln für die Zielmärkte des Vertriebs noch genauer gefasst. Und drittens wird noch detaillierter untersucht, ob sich die Produkte für Privatanleger eignen.Auf Produktebene werden im Rahmen von Mifid II neue Standards für die Kostentransparenz eingeführt, mit denen auch die zugrunde liegenden Transaktionskosten sowie die Beratungs- und Vertriebskosten klar dargestellt werden. Die verbesserte Kostentransparenz stärkt den Schutz der Anleger, die so umfangreichere und besser vergleichbare Informationen über verschiedene Produktarten hinweg erhalten. Damit können Anleger künftig Kosten, Risiken und Wertentwicklung der Produkte besser vergleichen und genau sehen, wie viel Vermittlungs- und Transaktionsgebühren sie bezahlen.Für die Produkthersteller bedeutet dies, ihren Entwicklungsprozess ganzheitlicher zu gestalten. Dabei könnten Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie, die bei Anlageentscheidungen der Verbraucher eine Rolle spielen, ebenso berücksichtigt werden wie aktuellere Daten über die Wertentwicklungen ihrer Produkte. Die Herausforderung wird insbesondere darin bestehen, innovative Prozesse zu entwickeln, die ein einfaches und intuitives Screening der Produkte ermöglichen. Produkthersteller werden gewährleisten müssen, dass ihre Product-Governance-Prozesse besser mit dem Vertrieb und den klarer umrissenen Zielmärkten für ihre Produkte verzahnt sind.Der Vertrieb wiederum sollte anhand dieser Daten und Informationen ein besseres Verständnis für seine Zielkunden entwickeln. Denn nur so kann er entscheiden, ob ein Produkt für ein bestimmtes Risikoprofil geeignet ist. Die Mifid-II-Richtlinie schreibt vor, dass der Vertrieb seine Risikobewertungen regelmäßig aktualisieren und so jederzeit über das Risikoprofil der Kunden und deren Anlageportfolios im Bilde sein soll. Darüber hinaus ist eine Rückmeldung der relevanten Daten darüber, wie sich die Produkte verkaufen, an die Produkthersteller erforderlich. Beziehung wird entscheidendSchlussendlich wird die Beziehung zwischen Produktherstellern und Vertrieb für den Erfolg der Anlageprodukte entscheidend sein. Das macht neue Technologien für den Informationsaustausch zwischen beiden Seiten ebenso erforderlich wie die Kompatibilität der unterschiedlichen IT-Systeme auf nationaler wie internationaler Ebene. Um den gewünschten Erfolg des neuen Modells zu gewährleisten, sollten sich Vertrieb und Produkthersteller kontinuierlich und zeitnah darüber austauschen, wie gut die jeweils definierten Zielmärkte den Kundenbedürfnissen entsprechen.Insofern könnten der Investmentbranche als Ganzes der verstärkte Einsatz von Technologie und ein verbesserter Datenaustausch helfen, ihren Kunden bessere Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Mit Blick auf die Zukunft könnte das Innovationen wie etwa der Entwicklung von Fondsrechnern den Weg bereiten, mit denen Anleger die Kosten einer Vielzahl von Produkten mit wenigen Mausklicken zuverlässig vergleichen können.Auch die Regulierungsbehörden selbst müssen noch einige Hürden überwinden, damit Mifid II den beabsichtigten Erfolg bringen kann. Beispielsweise sollte die EU eine Angleichung der Anforderungen hinsichtlich der Kostentransparenz bei den verschiedenen EU-Initiativen wie der Fondsrichtlinie Ucits, der Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (Priips) sowie Mifid II in Erwägung ziehen, um den beabsichtigten Änderungen des Verbraucherschutzes durch die Richtlinie entsprechendes Gewicht zu verleihen. Das würde den Vorteil der besseren Kostentransparenz gemäß Mifid II stärken und echte, aussagekräftige Vergleiche über die verschiedenen Produkte hinweg ermöglichen. Einheitlich auslegenDarüber hinaus kann ein noch besserer Anlegerschutz nur mit einer europaweit einheitlichen Auslegung der Mifid-II-Richtlinie erreicht werden, die regionalen Unterschieden bei der Umsetzung des Regelwerks vorbeugt. Wir begrüßen daher die Vorgehensweise der BaFin, die weiteren Vorgaben der EU abzuwarten und so einer einheitlichen Auslegung der Mifid-II-Richtlinie in Europa nicht vorzugreifen.Zwar verschafft der neue Stichtag zur Umsetzung von Mifid II allen Beteiligten mehr Luft. Dennoch sollten Produkthersteller, Vertriebe und Regulierer die dafür notwendigen Vorkehrungen zügig angehen. Denn Mifid II dürfte die gesamte Branche entscheidend prägen. Wer entsprechend gerüstet ist, kann sich Wettbewerbsvorteile verschaffen.—-Peter Lohse, Head of Legal & Compliance für Deutschland, Österreich und Osteuropa bei BlackRock