Mit agilen Strategien durch holpriges Gelände
In den letzten zehn Jahren verzeichnete die europäische Fondsmanagementbranche einen starken Anstieg der in Multi-Asset-Strategien investierten Vermögenswerte mit einem mehr als doppelt so hohen Gesamtnettoumsatz als im Aktienbereich in den Jahren von 2007 bis 2017 *.Als eine Weiterentwicklung traditioneller Mischfonds gab es diese Strategien schon eine geraume Weile.Wie von Nobelpreisträger Harry Markowitz in seiner “Modern Portfolio Theory” in den frühen 1950er Jahren dargestellt, sollten Mischfonds von den Vorteilen der Diversifikation profitieren und – die klassische negative Korrelation zwischen Aktien und Rentenpapieren nutzend – zu höheren Renditen führen, bei gleichzeitig konstantem Risikoniveau. Jahrzehnte später betonte die Krise von 2008 wie nie zuvor die Bedeutung diversifizierter Portfolios, die ihre Allokation flexibel und reaktiv anzupassen vermögen: Multi-Asset-Portfolios, die zu dieser Zeit von Aktien auf Staatsanleihen umschwenkten, konnten ihre Rendite erheblich verbessern und gleichzeitig ihren Drawdown reduzieren. Dank einiger stark unterstützender Maßnahmen der Zentralbanken, wie z.B. das Quantitative Easing (QE) und die anhaltende Senkung der Leitzinsen auf ein niedriges Niveau, konnte sich die Weltwirtschaft allmählich von der Krise erholen.Diese Politik, die die Renditen nach unten drückte und die Aktienmarktperformance befeuerte, war sicherlich auch für Multi-Asset-Portfolios von Vorteil: Trotz des Anstiegs der Anleihen- und Aktienkurse blieb die tägliche Korrelation zwischen diesen beiden Anlageklassen negativ, was Diversifizierung und eine Verringerung der Gesamtportfoliovolatilität zur Folge hatte. Negative Phase möglichAber ist dieses günstige Umfeld endgültig vorbei, nachdem die Zentralbanken ihre Unterstützung zurückziehen, das Ende des QE in der Eurozone absehbar und das Zinsstraffungsprogramm der Federal Reserve (Fed) in vollem Gange ist? Und sollten wir uns auf eine neue negative Phase vorbereiten, in der alle Anlageklassen gleichzeitig und für lange Zeit fallen werden?Einige aktuelle Beispiele belegen, dass ein solches Szenario nicht ausgeschlossen werden kann, insbesondere, wenn die Märkte von Maßnahmen der Zentralbanken überrascht werden, die in Relation zur Stärke der Weltwirtschaft und ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber schwierigeren finanziellen Bedingungen sehr restriktiv erscheinen.Im Mai 2013 kündigte Chairman Ben Bernanke an, dass die Fed das seit 2008 aktive QE auslaufen lassen würde, da die US-Wirtschaft wieder zu erstarken begann. Die Finanzmärkte wurden überrascht und alle wichtigen Anlageklassen wurden in Mitleidenschaft gezogen. Ähnliches geschah auch in diesem Jahr, im Februar und im Oktober, als die Erwartung einer höheren Inflation und einer mehr hawkisch ausgerichteten Fed einen Ausverkauf an den Aktienmärkte auslöste, der zu einem starken Rückgang von Aktien und Anleihen führte.Diese Rückkorrelationen zwischen den Anlageklassen bei einem Marktabschwung sind tendenziell von kurzer Dauer, obwohl die Verluste beträchtlich und Fonds dennoch mit erheblichen Abwärtsbewegungen konfrontiert sein können. Es waren ein paar Wochen im Februar und Oktober, kaum mehr als ein Monat im Jahr 2013 und zwei Monate im Jahr 1994, in denen Alan Greenspan und die Fed eine straffere Geldpolitik machten, als die Wirtschaft aus einer großen Rezession hervorging. Dies führte zu einem Einbruch bei Treasuries, während die Zinssätze stark stiegen.Dafür kann es mehrere Gründe geben: Eine ausgeprägte “risk-off” Bewegung an den Aktienmärkten kann, wie dies kürzlich der Fall war, mit niedrigeren Zinsen enden, da Staatsanleihen der Kernländer als sicherer Hafen zum Schutz von Portfolios dienen. Oder die Aktienmärkte können sich von ihren Verlusten erholen und wieder steigen, da Maßnahmen der geldpolitischen Straffung durch die Zentralbanken die Stärke der Weltwirtschaft betonen, während die allmählich steigende Inflation für die meisten Unternehmen von Vorteil sein kann, die – wie im Juni 2013 geschehen – an Preismacht gewinnen.Alles in allem ist die Erfordernis der Anleger, in mindestens eine Anlageklasse abgesehen von reiner Liquidität investieren zu müssen, um ihre Renditeziele zu erreichen, einer der Gründe für den gleichzeitigen Rückgang and Aktien- und Rentenmärkten – insbesondere bei Negativzinsen, wie dies in Europa seit Jahren der Fall ist.Diese Entwicklung erfolgt hauptsächlich in vier Bereichen: Verfeinerung des Prozesses zur Asset-Allokation, Einbeziehung neuer Produkttypen zur Implementierung unterschiedlicher Auszahlungsprofile, Erschließung neuer Renditechancen in nicht traditionellen Asset-Klassen sowie die Risikokontrolle im Mittelpunkt des Anlageprozesses.Die taktische Asset Allokation wird zunehmend wichtiger, um die Agilität der Allokation zu erhöhen und bei sich ändernden Erwartungen reaktiv auf die attraktivsten Märkte umzusteigen. Dies wird der Schlüssel sein, um zu messen, wann der globale Wirtschaftskreislauf sich der Rezessionsphase nähert, in der zum Schutz des jeweiligen Portfolios Staatsanleihen gegenüber Aktien bevorzugt werden sollten. Derivate stärker eingesetztDas Multi-Asset-Universum wird fortlaufend erweitert, um neue Anlagemöglichkeiten zu finden: Rohstoffe werden immer mehr als Inflationsabsicherung eingesetzt; Volatilität ist im Falle von schnellen und scharfen Kursumschwüngen an den Aktienmärkten von Nutzen, und Factor Investing gewinnt an Raum.Während traditionelle Mischfonds im Wesentlichen nur in Aktien und Anleihen investierten, setzen die heutigen Produkte zunehmend auch Derivate ein: Futures, um die Liquidität und Flexibilität zu erhöhen und die Handelskosten zu begrenzen; Optionen zur teilweisen Absicherung von Portfolios mit einer geringen Kostenquote und noch komplexere Varianten zur Verfolgung von Renditeprofilen, die mit gewöhnlichen Aktien- und Anleiheengagements nicht erfasst werden könnten.Nicht zuletzt haben Asset Manager und Vermögensverwalter verstanden, wie wichtig es für Anleger ist, Risiken unter Kontrolle zu halten und extreme Verluste zu begrenzen, auch wenn dies einen Teil des Aufwärtspotenzials kostet. Dies führte zur Entwicklung des sogenannten “Risk Parity” – oder “Risk Budgeting” – Ansatzes, einer Allokationsart, die jedem Vermögenswert ein Gewicht antiproportional zu seinem Beitrag zum Gesamtrisiko des Portfolios zuweist.Das Ende der äußerst entgegenkommenden Geldpolitik der Zentralbanken nach einem Jahrzehnt starker Unterstützung eröffnet der Investmentbranche ein neues Gebiet, insbesondere dann, wenn diverse andere Faktoren (politische, wirtschaftliche und demografische) viele Veränderungen und neue Herausforderungen mit sich bringen.In einem solchen Szenario verstehen die Anleger immer mehr die Bedeutung gut diversifizierter, solide strukturierter Portfolios, und Multi-Asset-Experten haben definitiv ihren Teil dazu beigetragen, auf dieses Bedürfnis zu reagieren.—-*) Kumulierter Nettoumsatz nach Anlageklasse, Sept. 2007 – Aug. 2017 (Mrd. Euro): Renten 866, Multi-Asset 755, Aktien 323. Quelle: Broadridge FundFile Daten, unter Ausschluss von Geldmarkt- und Dachfonds—-Cédric Baron, Multi-Asset Strategien bei Generali Investments Partners S.p.A. Società di gestione del risparmio