Paneuropäischer Börsenbetreiber

Mit welcher Strategie Euronext in Zukunft wachsen will

Börsenbetreiber Euronext will sich weiter diversifizieren, um unabhängiger vom Aktienhandel zu werden. Sein neuer Strategieplan basiert auf drei Säulen.

Mit welcher Strategie Euronext in Zukunft wachsen will

Paneuropäischer Börsenbetreiber

Die drei Säulen der neuen Euronext-Strategie

Mehrländerbörse will sich weiter diversifizieren – Organisches Wachstum hat Vorrang, aber weitere Zukäufe sind nicht ausgeschlossen

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Von Gesche Wüpper, Paris

Euronext will beim Wachstum stärker Gas geben und sich weiter diversifizieren, um noch unabhängiger als bisher vom klassischen Aktienhandel zu werden. „Wir haben unsere Fähigkeit, uns zu diversifizieren und zu wachsen, innerhalb des letzten Jahrzehnts bewiesen“, sagte Euronext-Chef Stéphane Boujnah, als er der Presse in Paris seinen neuen Strategieplan präsentierte. „Wir sind gut positioniert, auf die nächste Ebene zu wechseln.“

Internationale Listings anlocken

Dabei will er sich auf drei Pfeiler stützen. So will er das Wachstum vor allem bei volumenunabhängigen Aktivitäten wie Kapitalmarkt- und Daten-Lösungen sowie Wertpapierdienstleistungen beschleunigen und gleichzeitig den Handel mit Anleihen, Währungen und Rohstoffen (FICC) sowie das Clearing ausbauen. Zudem will er die führende Position des Börsenbetreibers beim Handel in Europa ausbauen und verstärkt internationale Unternehmen anlocken, um an eine der sieben Börsen von Euronext in Amsterdam, Brüssel, Dublin, Lissabon, Mailand, Oslo und Paris zu gehen. Dabei helfen soll ein neues Team für internationale Listings.

Tech-Unternehmen im Visier

Der Börsenbetreiber, der 2022 die Initiative Euronext Tech Leaders lanciert hat, will auch Tech-Unternehmen umgarnen und für sie zur bevorzugten Anlaufstelle werden. Zumindest in Paris scheint die Rechnung aufzugehen, denn rechtzeitig zum Investorentag hat am Freitag das KI-Startup Lighton den Startschuss für seinen Börsengang gegeben. Die Zeichnungsfrist für die Aktien, die zu einem Festpreis von 10,35 Euro angeboten werden, endet am 20. November. Die Erstnotierung ist für den 26. November geplant.

„Wir sind überzeugt davon, dass Unternehmen interessiert sind, in Europa an der Börse notiert zu sein. Es wollen nicht alle an die Wall Street“, meint Boujnah. Er habe außerdem in Gesprächen mit Kunden festgestellt, dass viele frustriert seien, dass der Nachhandel so fragmentiert in Europa sei. Euronext Securities sei ideal positioniert, dieses Problem anzugehen und so zur bevorzugten Wahl als Zentralverwahrer in Europa zu werden, erklärt der Börsenchef. Es ist derzeit das drittgrößte Zentralverwahrer-Netzwerk in Europa und mittlerweile der drittgrößte Umsatzträger von Euronext.

Ziele früher erreicht

Der Börsenbetreiber, der mit seinen Ergebnissen im dritten Quartal leicht die Erwartungen übertroffen hat, hat jetzt auch sein Umsatzziel angehoben. Er peilt für den Zeitraum 2023 bis 2027 ein organisches Umsatzwachstum von durchschnittlich mehr als 5% pro Jahr an. Das bereinigte Ebitda-Wachstum soll ebenfalls über 5% liegen. Dabei soll auch die Strombörse Nord Pool verstärkt helfen. Sie will einen speziellen nordischen und baltischen Stromderivatemarkt lancieren. Die Investitionsaufwendungen sollen 4% bis 6% der Einnahmen des Zeitraumes 2023 bis 2027 betragen.

Der vorige Strategieplan für die Zeit 2020 bis 2024 hatte ein organisches Umsatzwachstum von 3% bis 4%, ein bereinigtes Ebitda-Wachstum von 5% bis 6% und Investitionsaufwendungen in Höhe von 3% bis 5% der gesamten Einnahmen vorgesehen. Die Ziele wurden laut Boujnah ein Quartal früher als geplant erreicht. Das organische Umsatzwachstum betrug in der Zeit im Schnitt 4,1%, das bereinigte Ebitda-Wachstum 5,3% und die Investitionsaufwendungen 6,1% der Einnahmen.

Vorsichtiges Vorgehen

An der Börse von Paris gab die Euronext-Aktie am Freitag im Laufe des Tages zeitweise mehr als 2% nach, erholte sich dann aber wieder und lag später mit 100,10 Euro nur minimal im Minus. Einige Investoren empfanden die Finanzziele des Strategieplans als zu vorsichtig. Der Strategieplan sei sinnvoll, auch wenn das Ebitda-Wachstum dem typischen Konservativismus der Euronext-Leitung entspreche, urteilen die Analysten von UBS. Nach Angaben von J.P. Morgan fällt das Ebitda-Ziel niedriger aus als erwartet, da Analysten im Schnitt mit 6% gerechnet hätten. Manchmal werde er gefragt, warum Euronext seine Kommunikation nicht mehr mit Red Bull befeuere, verteidigte sich Boujnah. „Aber wir bleiben lieber vorsichtig und ziehen es vor, unsere Versprechen zu halten.“

Aktienrückkaufprogramm beginnt am 11. November

Volumenunabhängige Aktivitäten tragen inzwischen 59% zum Umsatz von Euronext bei. Vor zehn Jahren waren es nur 44%. Da sich das Geschäftsmodell dadurch gewandelt hat, will Euronext ab dem ersten Quartal 2025 auch seine Finanzberichterstattung anpassen und beim Umsatz zwischen nicht-volumenabhängigen und volumenabhängigen Einnahmen unterscheiden.

Der Börsenbetreiber, der Freitag in Paris seinen Investorentag veranstaltet hat, will auch weiter dazukaufen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Aber Euronext werde nicht alles kaufen, was zu kaufen sei, sagte Boujnah. „Fusionen und Akquisitionen sind ein Werkzeug, aber kein Ziel“, erklärte Boujnah. Ziel des Börsenbetreibers sei, zu wachsen und sich zu diversifizieren. Er kündigte jetzt auch ein Aktienrückkaufprogramm über 300 Mill. Euro an, das am 11. November beginnen und eine Laufzeit von maximal zwölf Monaten haben soll. Es ist das zweite Aktienrückkaufprogramm der Mehrländerbörse. Ihre Dividendenpolitik sieht weiter eine Ausschüttungsrate von 50% des Nettogewinns vor.

Bis 2027 werden wir größer, stärker und diversifizierter sein. Unsere führende Position wird sich auf neue Aktivitäten und Anlageklassen ausweiten“, ist Boujnah überzeugt. Dadurch werde Euronext auch mehr Gewicht gegeben, um sich für die Kapitalmarktunion einzusetzen. Der Börsenbetreiber will deshalb den Marktaufsehern in den sieben Euronext-Börsenländern vorschlagen, für Börsengänge und Kapitalerhöhungen einen einheitlichen Prospekt zu erschaffen.

Der neue Strategieplan von Euronext soll dem paneuropäischen Börsenbetreiber helfen, noch unabhängiger vom Aktienhandel zu werden. Dabei setzt er auf Daten-Lösungen und Wertpapierdienstleistungen, den Handel mit Anleihen, Währungen und Rohstoffen (FICC) sowie das Clearing-Geschäft.