IM GESPRÄCH: KLAUS MÖLLER, DEFINO

Mit "wohltuendem Perfektionismus" zur Norm

DIN-Regelwerk soll Finanzberatung auf neue Füße stellen - Fokus auf Versicherungen - Wertpapiere und Fonds spielen Nebenrolle

Mit "wohltuendem Perfektionismus" zur Norm

Wie sieht eine gute Finanzanalyse aus? Branchenvertreter, Anlegerschützer und unabhängige Experten haben sich beim DIN-Institut zusammengetan und eine Norm entworfen. Wesentliche Punkte deckt das geplante Regelwerk zuverlässig ab, eine Aktienkultur fördert das Dokument allerdings nicht.Von Jan Schrader, FrankfurtNein, die geplante DIN 77230 sei kein neues regulatorisches Vorhaben, sagt Klaus Möller. Der Initiator eines branchenübergreifendes Standards zur Finanzberatung will den 79 Seiten umfassenden Entwurf des Deutschen Instituts für Normung (DIN) nicht als weiteres überdimensioniertes Werk verstanden wissen, das sich in die Reihe Mifid II, IDD und Priips einordnen lässt. Die geplante Norm ist vielmehr ein Vorhaben, das die Branche selbst mit Experten und Anlegerschützern erarbeitet hat, wie er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung betont. Die Norm wird ein freiwilliger Standard sein, auch wenn der Geschäftsführer der Firma Defino Institut für Finanznorm, die das Vorhaben wesentlich angeschoben hat, auf eine weite Verbreitung hofft. “Mir ist wichtig, dass eine Norm nicht mit Regulatorik verwechselt wird.”Dabei erinnert die “Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte”, die nun bis zum 8. August zur Konsultation steht, durchaus an eine Regulierung. Eine Finanzberatung läuft nach Vorstellung der Expertengruppe, die dreieinhalb Jahre lang beim DIN-Institut unter Führung von Obmann Möller um Details gerungen hat, idealtypisch in fünf Schritten ab: Zuerst erhebt der Berater etliche Haushaltsdaten und erstellt eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sowie eine Vermögensbilanz. Von der Zweitwohnung über den Dispokredit bis hin zum Immobilienwunsch und zu bestehenden Versicherungen sieht das Dokument eine umfassende Analyse vor. Im zweiten Schritt klopft der Berater die Finanzthemen ab. Insgesamt 42 Punkte listet der Normentwurf auf, darunter diverse Haftpflichtthemen wie Tierhaltung, Fotovoltaik und Wasserfahrzeuge, Zinsänderungsrisiken in der Immobilienfinanzierung, Rechtsschutz, Startkapital für die Ausbildung, Liquiditätsreserven und so weiter. Im dritten bis fünften Schritt ermittelt der Berater Ist- und Soll-Größen und stellt sie dann gegenüber. Danach steht fest, welche Finanzprodukte ein Kunde insbesondere benötigt. Um den Jahreswechsel soll die endgültige Fassung der Norm veröffentlicht werden.Das detaillierte Werk, das einen umfangreichen Fragekatalog mit sich bringt, sei in der Praxis gut anwendbar, sagt Möller. So könne ein Computerprogramm den Prozess abbilden, während viele Fragen gar nicht mehr anfielen, sofern nicht bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien. Experten setzen StandardsBeraten haben das Werk im Normenausschuss anfangs 39 Experten, von denen noch 29 übrig sind. Seit 2014 sitzen Vertreter der Deutschen Bank und Commerzbank, Allianz und Zurich, der Vermittler OVB und Formaxx sowie der Stiftung Warentest, des Bundesjustizministeriums und der Verbraucherzentralen neben anderen am Tisch. Die Versicherungsmakler und Versicherungskaufleute sind über ihre Berufsverbände vertreten, der Versicherungsverband GDV ist in beobachtender Rolle dabei. Allerdings fehlen einige wichtige Branchenvertreter wie der Sparkassenverband DSGV oder der BVR als Sprachrohr der Kreditgenossen.Ursprünglich sollte der Entwurf der Norm ein Jahr früher, im Sommer 2017, präsentiert werden. Möller begründet die Verspätung mit den Details, die über mehr als 50 Sitzungstage in großer Runde besprochen worden sind. Waren die Positionen am Anfang noch sehr verschiedenen, habe sich das Gremium bald aufeinander eingestellt, so dass eine angenehme Arbeitsatmosphäre entstanden sei. Viele Mitglieder seien bereits per du. Möller spricht von einem “wohltuendem Perfektionismus”, der sich in dem Gremium breitgemacht habe. Die Defino wurde 2011 mit dem Zweck gegründet, die Finanzberatung zu standardisieren. Über das DIN-Institut hatte die Heidelberger Firma bereits eine Spezifikation als Vorstufe der Norm für die Finanzberatung angeschoben. Bislang nutzen aber nur wenige Gesellschaften die bereits vorhandene Spezifikation. Dazu gehören der Finanzvertrieb Formaxx, der Versicherer VPV und die Volksbank Emmerich-Rees, die jeweils auch als Partner der Defino genannt werden. Auch die Deutsche Bank zählt zu den Gesellschaften. Das Institut bietet mit dem “Finanzcheck” ein Online-Instrument an, das an den Standard anknüpft.In der Finanzbranche dürfte die geplante Norm nicht überall auf Gegenliebe stoßen. Denn während Versicherungen eine große Rolle spielen und alle möglichen Produkttypen abgefragt werden, wird die Wertpapieranlage nicht besonders berücksichtigt. Zwar enthält die Norm auch Sparmotive, neben der Altersvorsorge etwa die Finanzierung einer Ausbildung oder Immobilie. Ob ein Anleger auf Aktien, Zertifikate oder Fonds setzen sollte und wie das Portfolio aufgeteilt wird, spielt derweil keine Rolle. Das Dokument lege den Grundstein für eine Bedarfsanalyse und weniger für eine Anlageberatung, sagt Möller. Nächstes Regelwerk kommtFür die Branche sei die Norm ein wichtiger Schritt. Endlich sei es gelungen, ein umfangreiches Vorhaben gemeinsam auf den Weg zu bringen. Zu oft seien die Akteure der Finanzbranche auf eine Abgrenzung und den eigenen Vorteil bedacht, dabei könne die Branche durch ein gemeinsames Projekt Vorteile für alle schaffen und den Ruf der Branche verbessern. Die Norm sei weitaus mehr als nur ein “kleinster gemeinsamer Nenner”, hebt Möller hervor. Das nächste Regelwerk ist bereits auf den Weg. Um eine Finanzanalyse für Selbständige, Freiberufler, Gewerbetreibende und Unternehmer zu regeln, soll nach Angaben von Defino noch im August eine Vorstufe zu einer weiteren Norm abgeschlossen werden, die DIN-Spezifikation 77232. Anfang September soll dann der nächste Ausschuss am DIN-Institut seine Arbeit aufnehmen.