Mittelständler brauchen M & A-Kompetenz

Fusionen und Übernahmen wurden in den letzten Jahren verstärkt als wichtiges Instrument für Wachstum erkannt - M & A-Expertise auf Bankseite essenziell

Mittelständler brauchen M & A-Kompetenz

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Dieses Zitat von Aristoteles beschreibt immer häufiger auch das Denken des deutschen Mittelstands, der Fusionen und Übernahmen als wichtiges Instrument für Unternehmenswachstum identifiziert hat. Auch wenn Mega-Deals wie Monsanto-Bayer oder Linde-Praxair die öffentliche Wahrnehmung prägen, stehen die Transaktionsaktivitäten des Mittelstands dem in nichts nach. So kaufte das familiengeführte Nahrungsmittelunternehmen Dr. Oetker zum Beispiel jüngst in Frankreich zu und übernahm die Dessert- und Backprodukte-Marke Alsa von Unilever. Die Wieland-Gruppe wächst durch den Zukauf von Europas größtem Kupferproduzenten Aurubis auf einen Schlag um 50 %. Auch der Farbenhersteller von Alpina-Weiß, DAW, gab einen Zukauf bekannt und übernimmt das spanische Unternehmen Ibersa samt portugiesischer Tochter Unibersa.Deutsche Unternehmen nutzen die prall gefüllten Kriegskassen, um ihre Marktstellung im internationalen Wettbewerb auszubauen. Der Beratungsgesellschaft Oaklins zufolge führten deutsche Unternehmen dabei 2017 fast 500 Unternehmenskäufe im Ausland durch – ein Plus von 13 % gegenüber dem Vorjahr. Hinzu kommen über 800 innerdeutsche Transaktionen. Die sehr gute Konjunkturlage und das attraktive Finanzierungsumfeld bescheren deutschen Unternehmen auch ein anhaltendes Interesse ausländischer Investoren. So wurden 2017 den Angaben zufolge 565 deutsche Unternehmen von ausländischen Akquisiteuren übernommen.Die vorhandenen Liquiditätspolster und die hohe Nachfrage insbesondere nach innovativen Unternehmen – etwa in Medizintechnik, Elektrotechnik oder Pharmaindustrie – zeigen sich auch in gestiegenen Unternehmensbewertungen. Hinzu kommen allgemein hohe Börsenbewertungen, die auf private Transaktionen abfärben. Multiples bis zum Elffachen des operativen Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) waren 2017 keine Seltenheit. Folglich müssen Fusionen oder Übernahmen einen signifikanten strategischen Mehrwert liefern. Besser kalkulierbarDies kann etwa mit Blick auf die Internationalisierung eines Unternehmens der Fall sein. Viele Mittelständler verfügen in ihren Heimatmärkten bereits über einen hohen Marktanteil, so dass das Wachstum hier begrenzt ist. Um raschen Zugang zu neuen Märkten und Kunden zu erlangen, sind grenzüberschreitende Transaktionen ein probates Mittel. Gerade in etablierten Märkten stellt der Unternehmenskauf eine der wenigen Möglichkeiten dar, nennenswertes Wachstum zu realisieren. Zwar gibt es auch die Möglichkeit, mit Direktinvestitionen einen eigenen Standort im Ausland aufzubauen, allerdings sind die Erfolgsaussichten auf unbekanntem Terrain häufig schwer zu berechnen. Der Markteintritt durch eine grenzüberschreitende Transaktion ist aufgrund bestehender Strukturen häufig besser kalkulierbar. Hinzu kommen in einzelnen Märkten protektionistische Tendenzen, die von Unternehmen eine lokale Präsenz erfordern, sowie Währungseffekte, die Akquisitionen im Ausland bei starkem Euro günstiger machen. Da überrascht es nicht, dass die USA mit 105 Transaktionen sowie Großbritannien mit 62 Transaktionen laut Oaklins 2017 die Top-Zielländer für Zukäufe deutscher Unternehmen waren.Zudem reagieren Mittelständler mit Fusionen und Übernahmen auch auf die schnell voranschreitenden Entwicklungen im Bereich Digitalisierung und Industrie 4.0. Im digitalen Zeitalter entstehen und verbreiten sich technische Innovationen in nie dagewesener Geschwindigkeit. Der Umgang mit Daten wird zu einem zentralen Erfolgsfaktor. Weltweit ist der deutsche Mittelstand für seine innovativen Ideen bekannt. Doch gerade bei der Digitalisierung hinken die Unternehmen in manchen Punkten den Besten der Welt hinterher.Der Zukauf von Kompetenzen ist eine Möglichkeit, das eigene Geschäftsmodell weiterzuentwickeln und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Dabei wenden Mittelständler vermehrt eine Strategie an, die bisher vor allem Großunternehmen verfolgten. Sie akquirieren Start-ups oder beteiligen sich an ihnen, um sich neue Technologien zu sichern oder eigene Forschungsdefizite auszugleichen. Auch für Tech-Unternehmen, die mit ihren digitalen Geschäftsmodellen auf sehr schnelles Wachstum angewiesen sind, ist Mergers & Acquisitions (M & A) ein zentrales Thema. Nachfolger fehlenUnd noch etwas sorgt für die Belebung des M & A-Markts: Durch die demografische Entwicklung fehlt es vielen Unternehmern an Nachfolgern. Nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn stehen in Deutschland gut 150 000 Familienunternehmen im Zeitraum 2018 bis 2022 zur Übergabe an. Statistiken der Deutschen Industrie- und Handelskammer belegen, dass die Zahl potenzieller Nachfolger heute rund ein Drittel kleiner ist als die Zahl der Unternehmer mit anstehender Firmenübergabe. Angesichts dieser Entwicklung lösen sich mittelständische Unternehmer in Deutschland öfter von der Vorstellung, dass das von ihnen geführte Unternehmen um jeden Preis in Familienhand verbleibt. Das Thema Nachfolge professionalisiert sich zunehmend, und immer häufiger wird ein Verkauf in Betracht gezogen, um die Unternehmensentwicklung nicht zu gefährden.Ein Unternehmenskauf bedeutet aber nicht nur, Wachstumspotenziale zu erschließen. Es werden auch erhebliche Risiken eingegangen. Um eine fundierte Entscheidung zu treffen, ist es unerlässlich, das Zielunternehmen sorgfältig zu analysieren. Banken begleiten Unternehmen dabei von der ersten Überlegung bis zum Closing. Auch beim Verkauf eines Unternehmens ist eine professionelle Beratung unerlässlich. Viele Unternehmer sind auf diesen komplexen Prozess unzureichend vorbereitet. Denn nur über die Sicherung von Technologien und handelnden Personen, einen belastbaren Businessplan sowie einen strukturierten Prozess lassen sich die im derzeitigen Verkäufermarkt hohen Unternehmensbewertungen auch tatsächlich realisieren. Eine überzeugende Erfolgsbilanz, hohe M & A-Kompetenz sowie profunde Kenntnisse der Sektoren und der entsprechenden Trends, Entwicklungen und Bewertungsniveaus sind dabei die wesentlichen Erfolgsfaktoren auf Bankseite. Angesichts der wachsenden M & A-Aktivität im Mittelstand steigt auch die Bedeutung separater Teams, die maßgeschneiderte Lösungen für kleine und mittelgroße Unternehmen erarbeiten.Das gilt auch beim Thema Finanzierung. Bei größeren Transaktionen ist üblicherweise neben Eigen- auch Fremdkapital erforderlich. Banken unterstützen ihre Kunden bei der Finanzierung von Akquisitionen durch Strukturierung und Arrangierung von langfristigen Krediten und Brückenfinanzierungen. In der zweiten Phase einer Akquisitionsfinanzierung, der Ausfinanzierung, entwickeln sie einen Finanzierungsmix aus verschiedenen Finanzierungsbausteinen. Dabei ist es wichtig, dass die Bank das gesamte Spektrum an Finanzierungslösungen bietet. Denn ein wesentlicher Teil des Volumens wird in der Regel in Form von Anleihe- oder Schuldschein-Emissionen am Kapitalmarkt oder als Konsortialkredit refinanziert.Eine Alternative zum Einsatz von Eigenkapital können auch externe Geldgeber sein. Dazu trägt bei, dass viele Investorengelder in die Töpfe von Private-Equity-Gesellschaften fließen. Auch Family Offices von Großfamilien wie Quandt, Haniel oder Oetker sowie Industrieholdings bieten langfristige Lösungen an. Das Unternehmens- und Expertennetzwerk der begleitenden Bank und der entsprechende Zugang zu Investoren können hier entscheidend sein.Neue Märkte erschließen, Geschäftsmodelle verändern, Marktführer schaffen oder die Nachfolge regeln: An den Motiven für Fusionen und Übernahmen wird sich wohl auch künftig wenig ändern. Die Rahmenbedingungen mit niedrigen Zinsen und attraktiven Unternehmensbewertungen machen Transaktionen dabei sowohl für Käufer als auch Verkäufer interessant. Mit der notwendigen Expertise bei der Transaktionsbegleitung lassen sich diese Chancen optimal nutzen.—-Robert SchindlerVorstandsmitglied der HypoVereinsbank und verantwortlich für die Unternehmer Bank