AUS DER KAPITALMARKTFORSCHUNG

Modelle zur Messung von Risiken

Erster FIRM-Forschungspreis - Dissertation über die Liquidität an den Anleihemärkten

Modelle zur Messung von Risiken

Unter der Schirmherrschaft des hessischen Staatsministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, Tarek Al Wazir, hat das Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung (FIRM) am 30.6.2016 den Forschungspreis 2016 an Philipp Schuster vergeben. Die Auszeichnung von FIRM ist deutschlandweit der erste Preis, der für wirtschaftswissenschaftliche Forschungsarbeiten in den Themenfeldern Risikomanagement und Regulierung einschließlich Compliance von Finanzinstituten vergeben wird. Theoretische GrundlagenDer von FIRM verliehene Forschungspreis zielt darauf ab, maßgebliche Beiträge zum besseren Verständnis von Risikomanagement und Regulierung im Finanzdienstleistungssektor zu fördern. Um den Forschungspreis konnten sich Verfasser wirtschaftswissenschaftlicher Dissertationen bewerben, die mit summa cum laude oder magna cum laude an einer deutschsprachigen Universität promoviert wurden. Bei der Bewertung der Dissertationen aus den Jahren 2014 und 2015 lag ein besonderes Augenmerk auf der Relevanz der Problemstellung für Risikomanagement und Regulierung und einer ausgewogenen Verknüpfung von international anerkannter hochwertiger theoretisch-konzeptioneller Grundlagenarbeit und innovativem Praxisbezug.Unter den für den Forschungspreis 2016 eingegangenen Bewerbungen wurden in einer ersten Begutachtungsrunde die drei Dissertationen mit den besten Bewertungen ausgewählt. Anschließend stellten die drei Verfasser in Montabaur im Rahmen der öffentlichen Forschungskonferenz von FIRM unter der Leitung von Günter Franke, Professor für Internationales Finanzmanagement i. R. an der Universität Konstanz und Beiratsvorsitzender von FIRM, ihre Arbeiten vor und stellten sich einer kritischen Diskussion mit Vertretern aus der Finanzpraxis und Hochschulangehörigen. Preisgelder für ForscherIn der anschließenden Bewertung von Jury und FIRM-Vorstand konnte sich Philipp Schuster mit seiner am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) abgeschlossenen Dissertation “Liquidity in Bond Markets” durchsetzen. Sowohl der Preisträger als auch der Lehrstuhl für Financial Engineering und Derivate unter der Leitung von Marliese Uhrig-Homburg, an dem die Arbeit betreut wurde, erhielten als Preisgeld jeweils 15 000 Euro.Schuster analysiert in seiner Dissertation die Liquidität von Anleihemärkten in den USA und Deutschland. In illiquiden Marktphasen sind Investoren sowohl mit höheren Handelskosten als auch mit Wertverlusten ihrer Anleihen konfrontiert. Ein effektives Liquiditätsrisikomanagement erfordert deshalb zum einen die genaue Erfassung und Messung von Liquidität, zum anderen sollen die Auswirkungen von Illiquidität auf Anleihepreise besser verstanden werden. Qualität von LiquiditätDa bislang ein einheitliches Konzept zur Messung von Liquidität auf dem Anleihemarkt fehlt, werden in der Dissertation zunächst die gängigen Ansätze zur Liquiditätsmessung empirisch miteinander verglichen und Empfehlungen zur Wahl eines geeigneten Liquiditätsmaßes erarbeitet. Banken und Versicherungen werden damit in die Lage versetzt, die Liquidität ihres Anleihe-Portfolios kontinuierlich überwachen zu können. Darüber hinaus werden die durch Illiquidität ausgelösten Preisabschläge von Anleihen betrachtet und Implikationen für die Steuerung von Liquiditätsrisiken entwickelt. “Die Arbeit vergleicht in sehr überzeugender Weise die Qualität verschiedener Liquiditätsmaße. Dazu nutzt sie einen sauber konstruierten Modellrahmen, mit dem der Einfluss von Laufzeit, Transaktionskosten und Investorenverhalten auf Handelsvolumina und Anleihepreise analysiert werden kann”, sagt Jury-Vorsitzender Günter Franke. BankinsolvenzregulierungMit einem Preisgeld von 5 000 bzw. 1 000 Euro wurden auch die beiden anderen promovierten Forscher, die ihre Dissertationen auf der FIRM-Forschungskonferenz vorgestellt haben, sowie die betreuenden Lehrstühle ausgezeichnet. Josef Korte von der Goethe-Universität Frankfurt untersucht in seiner von Mark Wahrenburg betreuten Dissertation in prägnanter Weise die Wirkung einer verschärften Bankaufsicht auf das Risikoverhalten von Banken. Dazu untersucht er, wie sich in den USA das Verhalten der Banken mit der Einführung der “Orderly Liquidation Authority” (OLA) im Rahmen der generellen Überarbeitung des US-Bankenregulierungsregims nach der internationalen Finanzkrise (Dodd-Frank Act) geändert hat. Aufgabe der OLA ist es, gefährdete Banken in einem spezialisierten Verfahren abzuwickeln. Diese Abwicklung wurde inzwischen hundertfach durchgeführt.Unter Nutzung eines ausführlichen Datensatzes für rund 7 000 US-Banken kann empirisch gezeigt werden, dass Banken, die von der Einführung der OLA besonders stark betroffen sind, das Gesamtrisiko ihrer Geschäftsmodelle signifikant reduziert haben. Damit scheint die potenzielle Drohung einer Abwicklung das Risikoverhalten der Banken deutlich zu beeinflussen. Allerdings findet sich dieser Effekt nicht bei den größten, systemisch relevanten Banken. Das vieldiskutierte “Too big to fail”-Phänomen scheint daher mit der Einführung der OLA nicht gelöst zu sein. Impulse für Bankregulierung”Durch hochrangige institutionelle Veröffentlichungen sowie zahlreiche Vorträge auf Konferenzen von Regulatoren und Zentralbanken konnten viele der Methoden und Erkenntnisse nicht nur in den kritischen Diskurs gestellt werden, sondern auch in die konkrete Arbeit der Bankregulierung einfließen. Damit leistet Josef Korte einen wertvollen Beitrag zu einem hochaktuellen Thema”, erläutert Franke das Urteil der Jury.In der Dissertation “Four Contributions to Quantitative Financial Risk Management”, betreut von Natalie Packham und erstellt an der Frankfurt School of Finance and Management, beschäftigt sich Nils-Christian Detering mit aktuellen Fragestellungen des Risikomanagements von Finanzdienstleistern. Auch für die Risikobemessung und Absicherung sind Modelle notwendig, die das statistische Verhalten der zugrunde liegenden Risikofaktoren spezifizieren.Die Promotion beschäftigt sich damit, mögliche Verluste im Zusammenhang mit Modell-Fehlspezifikation zu quantifizieren. Neuartig an der Arbeit von Detering ist, dass die Gefahr einer Fehlspezifikation unter Berücksichtigung einer geeigneten Hedging-Strategie ermittelt wird. Dabei werden sowohl Value at Risk als auch Expected Shortfall als Maße für das Modellrisiko ermittelt. Risikoarten vergleichbar”Ein solches Risikomaß hat den Vorteil, dass das Modellrisiko für unterschiedlichen Risikoarten aggregiert werden kann”, erklärt Wolfgang Hartmann, Vorstandsvorsitzender FIRM. Es trage damit zu einer ganzheitlichen Einschätzung der Risiken in den Handelspositionen bei und könne dazu verwendet werden, eine geeignete Kapitalrückstellung für unerwartete Verluste durch Modellrisiko zu bestimmen. RisikomanagementWolfgang Kirsch, Vorsitzender des Vorstands der DZ Bank und Laudator bei der Verleihung des FIRM-Forschungspreises 2016, betonte die zunehmende Komplexität von Risiken. “Bis 2007 hatten wir es vorrangig mit der Bewertung und dem Management von Einzelrisiken zu tun, für sich betrachtet durchaus kalkulierbar. In der Finanzkrise wurde die existenzielle Bedeutung des Liquiditätsrisikos wieder sichtbar und damit auch die Sinnhaftigkeit der Goldenen Bankregel. Als unmittelbare Folge der Finanzkrise sind wir heute nicht mehr nur mit den klassischen Einzelrisiken konfrontiert, sondern haben es mit neuen, systemischen Risiken zu tun, die wir in ihrem Zusammenspiel noch gar nicht recht erfassen können. Dazu tragen inzwischen massiv auch Geldpolitik, Regulierung und Geopolitik bei.”Um die Bedeutung einer hochwertigen Interaktion von Finanzpraxis und Finanzforschung an der Hochschule zu verdeutlichen, zählten auch Bernd Weber, Universität Bonn, und Kai Franzmeyer von Resolution Management zu den Referenten der FIRM-Forschungskonferenz.