Modernisierung gefährdet 250 000 Stellen

Europas Versicherungen rüsten ihre Technologie auf, um Kosten zu senken und Fintechs Paroli zu bieten

Modernisierung gefährdet 250 000 Stellen

Bloomberg Frankfurt – Die europäische Versicherungsbranche beeilt sich, Menschen durch Software zu ersetzen. Um die Gewinne zu stärken, werden Kostensenkungen und Automatisierung immer wichtiger. Zurich Insurance beschleunigt ihr Kostensenkungsprogramm und strebt nun bis Ende 2018 Einsparungen in Höhe von mindestens 1 Mrd. Dollar an, was Auswirkungen auf etwa 8 000 Arbeitsplätze hat. Talanx investiert 300 Mill. Euro, um die Technologie ihrer deutschen Gesellschaft über die nächsten vier Jahre zu modernisieren. Fotos von BagatellschädenVeraltete Systeme hatten zur Verärgerung von Kunden in der Autoversicherung geführt. Bei der Allianz können Versicherungskunden im Zuge der Modernisierung künftig Bagatellschäden bei Autos per Smartphone-Foto melden. Der Gewinn bei den europäischen Versicherungskonzernen ist durch das nicht vorhersehbare Ausmaß der Schäden bei stagnierenden Prämien anfälliger geworden, zumal die Anlageerträge infolge der niedrigen oder negativen Zinsen und schwächelnder Kapitalmärkte abschmelzen. Einschnitte und Modernisierung werden nach Einschätzung von McKinsey im Laufe der nächsten zehn Jahre dazu führen, dass in der Region 250 000 der fast eine Million Arbeitsplätze wegfallen. “Die Kosten sind derzeit der einzige Hebel, den das Management hat, um die Gewinne und die Dividenden zu stärken”, sagt Moritz Rehmann, Vermögensverwalter bei DJE Kapital in München. “Auf die meisten Gewinntreiber, wie etwa Anlageerträge oder Schadensansprüche, haben sie mehr oder weniger keinen Einfluss mehr.”Bei Talanx in Düsseldorf seien die Probleme besonders dringlich, sagt Jan Wicke, Leiter des Deutschlandgeschäfts. Denn nach einer Serie von Übernahmen steht der Konzern mit nicht zusammenpassenden Systemen da, die zu betreuen das Doppelte des Branchendurchschnitts kostet. Auf die Kosten der deutschen Sparte entfielen Ende des vierten Quartals 37 % der Prämieneinnahmen im Nichtlebensversicherungsgeschäft. Zum Vergleich: Die Kostenquote der Allianz lag im Deutschlandgeschäft bei 25,1 %. Bei Talanx wird geschätzt, dass eine stärkere Automatisierung dazu beitragen wird, die jährlichen Kosten bis 2020 von rund 850 Mill. Euro um 240 Mill. Euro zu verringern. Zudem hat der Konzern vor, rund 12 % der Arbeitsplätze im deutschen Privatkundengeschäft zu streichen. Und im März erklärte Talanx, der Stellenabbau könne auch höher ausfallen.”Die Versicherer arbeiten verstärkt an der Automatisierung und Digitalisierung ihrer Geschäftsabläufe”, sagt Fred Wagner, Professor für Versicherungswissenschaften an der Universität Leipzig. “Viele Arbeitsplätze, die dafür in Frage kommen, wie die Bearbeitung von Verträgen und Schadensansprüchen, werden überflüssig werden.”Axa, der größte französische Versicherungskonzern, und die Allianz haben bereits vor einigen Jahren mit Kostensenkungen und technologischer Aufrüstung begonnen. Sie sind nun manchen Wettbewerbern einen Schritt voraus. Axa hat seit 2013 950 Mill. Euro in digitale Technologie investiert und sieht dies als einen entscheidenden Schritt bei der weiteren Entwicklung, so Bloomberg-Branchenanalyst Charles Graham.Die Allianz konzentriert sich im Deutschlandgeschäft nach Angaben von dessen Vorstandschef Manfred Knof nach einem dreijährigen Kostensenkungsprogramm, das 2014 abgeschlossen wurde, nunmehr auf Innovation. Ein weiterer Kostenabbau sei nicht erforderlich.Kostensenkungen sind allerdings nicht das einzige Motiv für die Versicherer, ihre Technologie aufzurüsten. Die Branche muss sich mit neuen Anbietern auseinandersetzen, über die Versicherungen mit ein paar Klicks über ein Smartphone abgeschlossen werden können. Im vergangenen Jahr haben sich Technologie-Start-ups im Versicherungsbereich Finanzierungen im Volumen von 2,65 Mrd. Dollar gesichert, im Vergleich zu 740 Mill. Dollar im Jahr 2014, wie aus Daten des Risikokapitalanalysten CB Insights hervorgeht.