Mögliche Folgen des Brexit für die Fondsindustrie

Luxemburg kann die Bedürfnisse britischer Investmentmanager voll erfüllen

Mögliche Folgen des Brexit für die Fondsindustrie

Großbritannien (GB) hat am 23. Juni 2016 mittels eines Referendums beschlossen, die Europäische Union (EU) zu verlassen. Obwohl die Abstimmung vor mehr als einem Jahr stattgefunden hat, ist es immer noch schwierig, die Konsequenzen für Großbritannien und die EU zu beurteilen. Der Mechanismus von Art. 50 des Vertrages über die Europäische Union (TEU) wurde nie zuvor benutzt. Der Zeitplan für den Ausstieg (März 2019) ist unter Berücksichtigung aller erforderlichen Schritte, formellen Verfahren und unterschiedlichen Interessen äußerst ehrgeizig. Darüber hinaus ist das mögliche Ergebnis schwer zu prognostizieren, da die Sichtweisen der einzelnen Mitgliedstaaten der EU, einschließlich jener der britischen Regierung, einbezogen werden müssen.EU-Richtlinien und EU-Verordnungen regulieren alle Marktteilnehmer im Finanzbereich. Zu gegebener Zeit wird die britische Regierung die derzeit herrschenden Rechtsnormen von den geltenden EU-Rechtsnormen separieren müssen. Unabhängig von den Ergebnissen der Austrittsverhandlungen wird dies eine komplexe Aufgabe sein. Außerdem besteht das inhärente Risiko, den Marktzugang zum Europäischen Binnenmarkt (zumindest vorübergehend) zu verlieren.Auf den ersten Blick gibt es viele Szenarien, wie die Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU nach dem Brexit strukturiert werden können. Sobald diese jedoch im Detail betrachtet werden, treten verschiedene Schwierigkeiten auf. Die häufig zitierte Option eines Drittstaaten-Passes birgt erhebliche Hindernisse – vor allem die Unsicherheit, wann dieser durch die EU-Kommission gewährt wird. Die Kommission neigt gemäß ihren jüngsten Aussagen nicht dazu, dies in naher Zukunft gutzuheißen.Ein prominentes Beispiel für ein Drittland, das eng mit der EU verbunden ist, ist die Schweiz. Das Land hat bilaterale Verträge mit der EU geschlossen – ist hierdurch jedoch nicht so unabhängig, wie es auf den ersten Blick erscheint. Dies betrifft primär die Finanzmarktregulierungen, bei denen die Schweiz mehr oder weniger eine Einbahnstraße geworden ist. In der Regel gewährt die Schweiz EU-beaufsichtigten Unternehmen Zugang zum Schweizer Markt, bevor die entsprechenden EU-Gesetzgeber für die Schweiz die für einen EU-Marktzutritt erforderliche Gleichwertigkeit festlegen.Abgesehen davon ist die Schweiz nicht von den eigentlichen Beweggründen für die Brexit-Abstimmung ausgenommen. Demnach muss die Schweiz einen Beitrag zum EU-Budget leisten. Rund um die Abstimmung gegen Masseneinwanderung war das Land mit ernsten Problemen konfrontiert und musste Anpassungen vornehmen, um die Guillotine-Klausel nicht zu verletzen.Die EU verfolgt beim Marktzutritt einen Ansatz von Zuckerbrot und Peitsche, da der Zugang zum Binnenmarkt nur unter Einhaltung der EU-Vorschriften gewährt wird. Hieraus können sich im Umkehrschluss Chancen für andere Jurisdiktionen wie beispielsweise Luxemburg ergeben. Im Bereich von Finanzdienstleistungen sind britische Investmentmanager (IM) auf zwei Ebenen betroffen: um genau zu sein auf Ebene der Vermarktung und/oder der Verwaltung von Anlageprodukten aus Großbritannien mit Bezug zu EU-Mitgliedstaaten. Wie bereits von einigen britischen Investmentmanagern praktiziert, können größere Manager eine Tochtergesellschaft in Luxemburg in Form einer eigenständigen Gesellschaft gründen, die Dienstleistungen von der Gesellschaft in Großbritannien bezieht.Der Brexit wird sich jedoch am stärksten auf kleinere und mittelgroße Investmentmanager auswirken, die den größten Teil des Marktes in Bezug auf die Anzahl an Marktteilnehmern repräsentieren. Für diese Unternehmen können die Kosten der Anpassung des Geschäftsmodells drastisch sein. Aufgrund der Kosten, die durch den Aufbau und die laufende Verwaltung von Auslandsgesellschaften entstehen, kann die Auslagerung von regulatorisch relevanten Tätigkeiten an einen luxemburgischen Dienstleister erfolgen.Dieses Unternehmen kann dann möglichst viele Tätigkeiten nach Großbritannien delegieren, ohne sich als eine Briefkastenfirma zu klassifizieren. Mittels dieser Lösung haben kleinere und mittelgroße Investmentmanager Zugang zum EU-Binnenmarkt, können aber weiterhin in Großbritannien ansässig bleiben. Darüber hinaus werden Fixkosten in variable Kosten umgewandelt, um eine bedarfsorientierte Lösung zu ermöglichen und die entsprechenden Risiken zu reduzieren.Fazit – Die Folgen des Brexit sind noch nicht endgültig klar, da die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind. Um frühzeitig hinsichtlich derartiger disruptiver Markttrends agieren und von diesen profitieren zu können, müssen die Marktteilnehmer die beste Lösung für ihren Fall proaktiv finden. Selbstverständlich gibt es keine einheitliche Lösung, da jeder Fall individuell betrachtet werden muss. Veränderungen bieten auch Chancen und mittels speditiver Reorganisation können zusätzliche Marktanteile gesichert werden. Das Großherzogtum Luxemburg kann die Bedürfnisse von Investmentmanagern aus Großbritannien vollumfänglich erfüllen und optimal auf der bereits bestehenden, symbiotischen Beziehung aufbauen.—Eduard von Kymmel, Leiter von VP Fund Solutions