Munich Re erwartet "Soft-Brexit"
sck München – Die Munich Re hofft, dass der EU-Austritt für Großbritannien milde abläuft. Es könnte “eine Art Soft-Brexit” geben, sagte Vorstandschef Nikolaus von Bomhard auf einer Veranstaltung des Konzerns vor Journalisten in München. Er versteht darunter eine Scheidung von der Union “irgendwo zwischen der Lösung für Norwegen und der Schweiz”. Beide Länder gehören zwar nicht der EU an, profitieren aber von vertraglich vereinbarten Handelserleichterungen.Der Chef des größten Rückversicherers der Welt rechnet damit, dass sich das Wirtschaftswachstum in Großbritannien infolge des Votums abschwächt. Zugleich werde die verstärkte Unsicherheit an den Kapitalmärkten über die Art und Weise eines Austritts das weltweite Zinstief andauern lassen, befürchtet er. “Die Zentralbanken haben keinen Grund, die Zinswende einzuleiten.” Die Europäische Zentralbank werde keine Signale setzen, eine Änderung der Zinspolitik herbeizuführen. “Die Risikokosten steigen”Von Bomhard räumte ein, dass er von einer Niedrigzinsphase von noch zwei Jahren ausgegangen sei. Das sei nun hinfällig geworden. Der Konzernchef prophezeite, dass vor allem Dublin, aber auch Frankfurt und Paris vom Bedeutungsverlust des Finanzplatzes London profitieren könnten. Auf der anderen Seite werde der Standort London mit einem Brexit von finanzregulatorischem Ballast befreit. Das könnte zu einer “Wiederbelebung” der Londoner City führen. Er sprach in diesem Zusammenhang von einem “London als Singapur Europas”. Die Munich Re selbst sei auf einen Brexit “vorbereitet” gewesen. Die ausgelösten starken Schwankungen an den Märkten treffe die Munich Re bisher “minimal”, sagte der Vorstandsvorsitzende. “Der Brexit ist für uns bilanziell kein großes Ereignis.”Infolge des Pfund-Absturzes und der Dollar-Aufwertung profitiere die Munich Re derzeit sogar von positiven Währungseffekten. Die Munich Re habe das Pfund nicht “übermäßig” in den Büchern. Viele Rückversicherungsverträge sind in der US-Währung fakturiert. Dadurch wirkt sich die Pfund-Schwäche unter dem Strich leicht positiv aus. Wegen des Brexit müsse die Munich Re nicht ihre Strategie ändern, so von Bomhard.Sollte sich allerdings die Unsicherheit an den Märkten zu einer neuen Finanzmarktkrise ausweiten, sei auch die Munich Re davon betroffen, warnte er. An den Kapitalmärkten erhöhe sich die Volatilität wegen der Unklarheit über die weitere Entwicklung. “Die Risikokosten steigen.” Ursache “soziale Spaltung”Er wertete den Brexit auch als Reaktion auf ein Demokratiedefizit von EU-Institutionen. Längst überfällig sei eine Diskussion darüber, was die EU eigentlich wolle. Der Europäische Rat sei nicht demokratisch legitimiert. Auf der anderen Seite stehe das gewählte Europäische Parlament. Dieses Zweikammersystem auf EU-Ebene müsse geändert werden, forderte von Bomhard. “Allein mit Frieden und Wohlfahrt kann man die Bevölkerung nicht mehr überzeugen.”Als tiefe Ursache des Votums in Großbritannien gegen die EU bezeichnete er die “soziale Spannung” innerhalb des Landes. Gesellschaftliche Konflikte seien ungelöst. Es sei nicht so sehr um das Thema EU-Migration gegangen, wie suggeriert worden sei.Wie die gesamte Branche spürt auch die Munich Re das Zinstief, das die Kapitalanlagenrenditen schmälert. Hinzu kommt die Baustelle Ergo. Der Münchner Dax-Konzern ist dabei, seine Düsseldorfer Erstversicherungstochter abermals umzubauen. Das kostet viel Geld. Vor diesem Hintergrund dämpfte die Konzernführung zuletzt die Gewinnerwartung für das laufende Jahr.