Nachfrage nach realen Assets hält ungebremst an

Hotels, temporäres Wohnen und Shopping-Center der neuen Generation sind lohnende Investitionsziele - Expertise kommt besondere Bedeutung zu

Nachfrage nach realen Assets hält ungebremst an

Befinden wir uns schon in einer Immobilienblase oder nicht? Kommt der große Brexit-Crash, oder bleibt er aus? Selten waren die Einschätzungen der Marktbeobachter zur Lage auf den Immobilienmärkten so heterogen wie derzeit. Die einen beschwören massive Abwertungen herauf, andere glauben bereits, die Gewinner zweifelsfrei identifiziert zu haben. Bei aller Enttäuschung über das – meiner Meinung nach – politische Totalversagen vor und nach der Entscheidung des britischen Volkes: Die wirtschaftlichen Folgen werden am Ende doch weit weniger gravierend sein als die politischen. Zumal eine Preiskorrektur auch neue Chancen bieten kann.Einen deutlich stärkeren Einfluss auf die Märkte übt die anhaltende Minuszinspolitik der Europäischen Zentralbank aus. Sie sorgt weiter für “billiges Geld” und befeuert so auch den anhaltenden Boom des Immobilieninvestmentmarkts: Allein das Investitionsvolumen von rund 18 Mrd. Euro im deutschen Gewerbeimmobilienmarkt im ersten Halbjahr 2016 zeigt, dass Investoren weiterhin reale den Financial Assets vorziehen. An diesem Trend wird sich auch in den kommenden Jahren nichts ändern.Ich behaupte sogar, dass die aktuelle Geldpolitik der Europäischen Zentralbank bis zum Ende der Präsidentschaft von Mario Draghi im Oktober 2019 auf Kurs bleiben wird – vorausgesetzt, dass sich an den Fundamentaldaten Europas in der Zwischenzeit nichts Gravierendes ändert, und davon ist aktuell nicht auszugehen. Dann ist es aber gut möglich, dass es zu einem Shift der Geldpolitik kommen wird, denn Zinsen können in einer kreditbasierten Wirtschaft nicht dauerhaft negativ sein. Die niedrigen, am langen Ende der Euro-Zinsstrukturkurve eingepreisten Inflationserwartungen sind kaum erfüllbar.Infolge der Nullzinspolitik wird die Nachfrage nach Sachwerten, insbesondere nach Immobilien, in den nächsten Jahren ungebremst anhalten. Im Vergleich mit anderen Assetklassen schneiden diese in puncto Performance immer noch am besten ab. Natürlich wird es aufgrund des Brexit auch zu Korrekturen bei den Immobilienpreisen in Großbritannien kommen. Wer jedoch die dortige Rally der letzten drei bis vier Jahre verfolgte, hatte sich ohnehin sinnvollerweise zurückgehalten und kann jetzt in Ruhe die Marktkonsolidierung abwarten und nach Investment-Opportunitäten Ausschau halten. Ein Spiegelbild der Verunsicherung im Markt wird – wie bereits in den vergangenen Wochen – vor allem der Kurs des britischen Pfund bleiben. Hier wird es Aufgabe des Währungsmanagements sein, die Entwicklung im Auge zu behalten und schnell zu reagieren. Dabei hat die aktuelle Abwertung des Pfund gegenüber dem Euro durchaus positive Seiten. Es wird für EU-Bürger nämlich wieder attraktiver, in Großbritannien einzukaufen.Die Dubliner, die sich in den letzten Jahren mit Einkaufstouren nach Nordirland angesichts der Pfund-Stärke etwas zurückgehalten haben, werden nun wieder vermehrt nach Belfast reisen und jene Europäer “vom Festland” künftig verstärkt nach London pilgern. Der Shopping-Tourismus ins Vereinigte Königreich und seine Einkaufszentren wird in Zukunft wieder deutlich anziehen. Nun zeigt sich gute ArbeitSchon stärker vom Brexit betroffen wird voraussichtlich das Bürosegment sein. Deshalb werden Anbieter mit kleinerem Anteil an britischen Bürogebäuden in ihren Portfolien nicht nur weniger leiden, sondern aufgrund einer möglichen Verlagerung von Finanzarbeitsplätzen ins Ausland sogar profitieren, sofern sie stärker in Frankfurt am Main, Paris, Amsterdam oder Dublin investiert sind. In einem steigenden Markt Gewinne zu erwirtschaften, ist verhältnismäßig einfach. Nun wird sich aber zeigen, wie gut die Assetmanager in den vergangenen Jahren wirklich gearbeitet haben und wer vorausschauend, nachhaltig und vor allem krisensicher agiert.Die wohl größte Herausforderung für Investoren aktuell ist es, Investitionsziele zu identifizieren, bei denen die Disparität zwischen Kapitalbewertung und Cash-flow nicht so stark ausgeprägt ist wie derzeit in den klassischen Nutzungsarten Wohnen, Büro und Einzelhandel. Denn mit den explodierenden Preisen in der Immobilienbewertung konnten die Mietpreise in den vergangenen fünf Jahren nicht adäquat mithalten. Eine ungesunde Entwicklung. Anleger, die erst in Zeiten der Hausse in Immobilien eingestiegen sind und diese womöglich hoch geleveragt haben, könnten früher oder später in Schwierigkeiten geraten.Doch was macht ein lohnendes Immobilieninvestment derzeit aus? Grundsätzlich ist aufgrund der Heterogenität des Marktes eine sorgfältig ausgewogene Selektionsentscheidung Grundvoraussetzung: Welche Nutzungsart wähle ich? Welche Parameter wie Lage, Nutzungskonzept und Baustruktur machen die Immobilie aus? Welche Investmentstrategie verfolge ich? Aktuell lohnende Investitionsziele sind beispielsweise Hotels. Hier ist die Disparität – also die Schere zwischen Kapitalbewertung und Cash-flow – im Vergleich zu Büroimmobilien bedeutend geringer, und wir sehen hier in den kommenden Jahren eine hohe Nachfrage vor allem nach Business- sowie Design- und Boutique-Hotels in den großen Metropolen.Ähnlich sieht es im Bereich Urban Living beziehungsweise temporäres Wohnen aus. Hier führen eine anhaltende Urbanisierung, ein dynamischer Arbeitsmarkt, der von den Beschäftigten hohe Flexibilität und Mobilität erfordert, sowie die Zunahme von Ein-Personen-Haushalten zu einem Anstieg der Nachfrage nach kleinen, aber komplett eingerichteten Wohnungen in Großstädten und Ballungsräumen.Wie wichtig es für den Investmenterfolg ist, die Besonderheiten einer Nutzungsart und die sich ändernden Nutzeranforderungen zu nutzen, zeigt auch der Bereich Shopping-Center. Waren diese lange Zeit meist gleichförmige Monolithe, so zeichnet die Einkaufszentren heutiger Generation mehr und mehr Quartierscharakter aus. Außerdem sind sie harmonisch und durchlässig in das Umfeld eingebunden. Letztlich aber stehen und fallen Shopping-Center wie alle Immobilieninvestments mit einem vorausschauenden Management, welches sich ändernde Nutzergewohnheiten antizipiert, rechtzeitig agiert und somit Leerstand nachhaltig vorbeugt.Deshalb reichen Vermietungsquoten und Zahlen allein nicht aus, die Potenziale der Assets langfristig auszuschöpfen – auch wenn sich ein langfristiger Mietvertrag beruhigend anhören mag. Immobilien müssen verstanden werden, und dies ist nur mit einem vorausschauenden Assetmanagement möglich. Ein solches achtet auf einen krisensicheren Mietermix und hat eine klare Vorstellung, was eine Immobilie können muss – über den ersten oder zweiten Lebenszyklus hinaus oder eben deutlich vorher -, indem es Exit-Strategien prüft und das Objekt wenn nötig fünf Jahre vor Ende des Mietzyklus veräußert beziehungsweise Drittverwendungsmöglichkeiten der Immobilie in Erwägung zieht. Während bei vielen Assetklassen die Allokationsentscheidung den Großteil der Rendite bestimmt, ist es im heterogenen Immobiliensektor die Selektionsentscheidung.Eine Möglichkeit, frühzeitig an der Wertschöpfung von Immobilien zu partizipieren, ohne in den überhitzten Bieterwettbewerb einzusteigen, ist die Investition in Bauvorhaben. Der Vorteil: durch den frühzeitigen Einstieg kann der Investor gute Preise sichern und zugleich Einfluss auf Detailplanungen nehmen, um die Voraussetzung für eine nachhaltige Wertschöpfung durch Mieteinnahmen sicherzustellen.Wie lautet also das Fazit für institutionelle Investoren? Auch wenn in vielen Märkten neue Bewertungshöchststände erreicht wurden, kann die aktuelle Marktphase noch einige Jahre anhalten. Sowohl in einem “Goldilocks-Szenario” als auch bei einem “Minsky-Moment” sind reale Assets finanziellen Assets deutlich überlegen. Für die Bewertung der Attraktivität sollte man beide Szenarien im Auge behalten und kurzfristige Renditeüberlegungen nicht überbewerten. Bei Immobilien und Infrastruktur sind spezifische Merkmale entscheidend. Daher kommt der Expertise des Assetmanagers besondere Bedeutung zu.—Johannes Anschott, Vorstandsmitglied der Commerz Real AG