Nachhaltig investieren aus aufsichtsrechtlicher Sicht
Environmental, Social and Governance (ESG) sind Begriffe, welche in engem Zusammenhang mit den ehrgeizigen Klimaschutz-, Umweltschutz- und Nachhaltigkeitszielen der EU stehen und wesentliche Auswirkungen auf den europäischen Finanzsektor haben werden.Durch die Annahme der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und der dort enthaltenen Nachhaltigkeitsziele sowie des Übereinkommens von Paris über den Klimawandel im Jahr 2015 hat sich die EU verpflichtet, eine nachhaltige Gesellschaft und Wirtschaft zu fördern. Sollte die Weltbevölkerung im gleichen Umfang Treibhausgase emittieren, würde die Erdtemperatur weiter steigen und es käme zu signifikanten Veränderungen des Weltklimas. Um das zu vermeiden, hat sich die EU unter anderem dazu verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 40 % gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren.Um die europäischen Klimaziele bis 2030 erreichen zu können, werden jährlich ca. 180 Mrd. Euro zusätzlicher Investitionen benötigt. Auf Grundlage des von der EU-Kommission im März 2018 der Öffentlichkeit vorgestellten Aktionsplans zur Finanzierung eines nachhaltigen Wachstums soll dieser Rückstand durch die Hilfe des europäischen Finanzsektors aufgeholt werden.Der Aktionsplan der EU-Kommission berücksichtigt die Empfehlungen einer von ihr im Jahr 2016 im Zuge der Anerkennung des Pariser Klimaschutzübereinkommens eingesetzten hochrangigen Sachverständigengruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen. Geleitet von den Empfehlungen der Sachverständigengruppe verfolgt die Kommission mit dem Aktionsplan drei Ziele. Zunächst sollen Kapitalflüsse auf nachhaltige Investitionen umgelenkt werden, um ein nachhaltiges und integratives Wachstum zu erzielen. Des Weiteren dient der Plan der Bewältigung von finanziellen Risiken, welche sich aus Klimawandel, Ressourcenknappheit, Umweltzerstörung und sozialen Problemen ergeben. Schließlich sollen Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit gefördert werden.Die EU-Kommission hat den zuvor genannten Zielen insgesamt zehn Maßnahmen zugeordnet. Kernpunkte dieser Maßnahmen sind die Einführung eines EU-Klassifikationssystems für nachhaltige Tätigkeiten, die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in der Finanzberatung, die Klärung der Pflichten institutioneller Anleger und Vermögensverwalter sowie die Stärkung der Vorschriften zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen und zur Rechnungslegung.Im Mai 2018 hat die Kommission drei Legislativvorschläge zur Umsetzung des Aktionsplans veröffentlicht. Kernstück dieser Vorschläge ist die Taxonomie-Verordnung. Mittels dieser Verordnung sollen Kriterien festgelegt werden, wann eine Wirtschaftstätigkeit ökologisch nachhaltig ist, um damit den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition messen zu können. Im Sinne der Taxonomie-Verordnung gilt eine Investition als nachhaltig, wenn sie unter anderem wesentlich zur Verwirklichung eines oder mehrerer in der Taxonomie-Verordnung festgelegten sechs Umweltziele (beispielsweise der Anpassung an den Klimawandel oder des Schutzes von gesunden Ökosystemen) beiträgt.Flankiert wird die Taxonomie-Verordnung unter anderem von der Offenlegungs-Verordnung. Diese sieht umfassende Offenlegungspflichten zu Nachhaltigkeitsrisiken für sämtliche Finanzmarktteilnehmer, wie beispielsweise Finanzportfolioverwalter, AIF-(Alternative Investmentfonds)- und OGAW-(Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren)-Verwaltungsgesellschaften, vor.Neben den Legislativvorschlägen der Kommission soll die Umsetzung des Aktionsplans durch Änderungen europäischer Richtlinien und dazugehöriger Level-2-Maßnahmen unterstützt werden. Die Kommission hat unter anderem die ESMA (European Securities and Markets Authority) im Juni 2018 aufgefordert, Vorschläge für eine Implementierung von Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren durch die Änderung von Richtlinien nebst korrespondierenden Level-2-Maßnahmen bis Ende April 2019 vorzubereiten. Ende 2018 hat die ESMA zwei Konsultationspapiere zur Integration von Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren in die OGAW-Richtlinie und die AIFM-Richtlinie sowie in die zweite Finanzmarkt-Richtlinie veröffentlicht. Ziele der ESMAMit den zur Konsultation gestellten Änderungsvorschlägen möchte die ESMA erreichen, dass einerseits alle zugelassenen Verwaltungsgesellschaften, die der OGAW-Richtlinie und der AIFM-Richtlinie unterliegen, Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren aufgrund eines prinzipienbasierten Ansatzes in ihre Prozesse integrieren. Andererseits möchte die ESMA erreichen, dass Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren in die Prozesse und Verfahren der Unternehmen im Anwendungsbereich der zweiten Finanzmarkt-Richtlinie eingebunden werden.Durch die angestrebten Maßnahmen sollen die finanziellen Mittel der Investoren in nachhaltige Investitionen umgelenkt werden. Darüber hinaus ist es beabsichtigt, dass Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren im Risikomanagement verankert sowie Transparenz und Langfristigkeit gefördert werden. Zukünftig sollen Nachhaltigkeitspräferenzen im Rahmen der Zielmarktbestimmung und der Geeignetheitsprüfung implementiert werden. Für die Produkthersteller und deren Vertriebsunternehmen hat dies zur Folge, dass sie künftig weitere Kriterien berücksichtigen müssen. Die Nachhaltigkeitspräferenzen sollen in Empfehlungen für geeignete Investitionen umgesetzt werden. Anhand der Taxonomie-Verordnung soll festgestellt werden können, ob eine Wirtschaftstätigkeit ökologisch nachhaltig ist und damit als ein geeignetes Investment in Frage kommt.Damit Investoren Zugang zu Informationen haben, wie Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen und in Beratungsprozesse einbezogen werden, sollen auf der Grundlage der Offenlegungs-Verordnung Finanzmarktteilnehmer wie AIF- und OGAW-Verwaltungsgesellschaften oder Anlageberater Informationen im Hinblick auf die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in Investitionsentscheidungs- und Beratungsprozessen veröffentlichen. Dafür müssen sie die Unternehmen, in deren Aktien und Anleihen sie investieren, klassifizieren und bewegen damit diese Unternehmen, ihrerseits transparent zu machen, wie nachhaltig sie agieren. Nach dem Leitbild der Kommission wird durch den Druck der Investoren die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien gefördert. Stand der UmsetzungEnde März 2019 hat das EU-Parlament über die Taxonomie-Verordnung abgestimmt. Aufgrund der Änderungsvorschläge zum Kommissions-Entwurf und der anhaltenden Diskussion des Europäischen Rats zum Kommissions-Entwurf soll der entscheidende Trilog in absehbarer Zeit starten. Besser sieht es in Bezug auf die Offenlegungs-Verordnung aus. Nach Abschluss des Trilogs billigte das Parlament im April 2019 den Entwurf, so dass die Verabschiedung der Vorlage durch den EU-Ministerrat als Formsache gilt.Zudem hat die ESMA ihre Abschlussberichte an die Kommission im April übermittelt. Diese enthalten Empfehlungen zur Integration von Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren in bestehende Richtlinien und Level-2-Maßnahmen. Die Empfehlungen der ESMA weichen von den ursprünglich konsultierten Änderungsvorschlägen nur in Nuancen ab.Trotz des Diskussionsstands in Bezug auf die Taxonomie-Verordnung nimmt die Umsetzung des Aktionsplans der Kommission – nicht zuletzt nach der Veröffentlichung der neuen Leitlinien für die klimabezogene Berichterstattung von Unternehmen und die Berichte der Technical Expert Group – zunehmend Konturen an. Dennoch bleibt abzuwarten, wie dessen Implementierung, insbesondere in Bezug auf die Taxonomie-Verordnung, ausgestaltet sein wird. Nicht zuletzt bleibt die Frage offen, ob die zu implementierenden Maßnahmen zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft führen und auch positive Auswirkungen auf die Klimaschutz-, Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsziele der EU haben werden. Harald Glander, Experte für Financial Services und Investmentfonds und Partner bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons und Daniel Lühmann, Associate in den Bereichen Financial Services und Investmentfonds bei Simmons & Simmons