GastkommentarReplik auf Kritik von Finanzwende an grünen Zertifikaten

Nachhaltige Transition braucht strukturierte Wertpapiere

Der Bundesverband für strukturierte Wertpapiere antwortet auf die Kritik der Nichtregierungsorganisation Finanzwende an grünen oder nachhaltigen Zertifikaten.

Nachhaltige Transition braucht strukturierte Wertpapiere

Gastkommentar

Nachhaltige Transition braucht strukturierte Wertpapiere

„Wie grün sind grüne Zertifikate?“ – dieser Frage ist die Rechercheabteilung der Bürgerbewegung Finanzwende e.V. nachgegangen und hat pünktlich zum Weltspartag eine Untersuchung veröffentlicht. Worum geht es? Derzeit wird viel darüber diskutiert, welche Mindestanforderungen eine Finanzanlage erfüllen muss, damit sie den gängigen Vorstellungen von Nachhaltigkeit entspricht.

Der Gesetzgeber überlässt den Anlegern dabei die Qual der Wahl. Vorgesehen sind drei Kategorien: a) ökologisch nachhaltige Investitionen gemäß der EU Taxonomie-Verordnung (Taxonomie-Produkte), b) nachhaltige Investitionen gemäß der Offenlegungsverordnung ( SFDR-Produkte) und c) Investitionen, die nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen berücksichtigen (Principal Adverse Impacts/PAI-Produkte). Kompliziert genug, aber man kann auch sagen: Gutes fördern oder Schlechtes vermeiden.

Missverständliche Vereinfachung

Im Zentrum der Kritik von Finanzwende stehen PAI-Produkte, die von der Finanzwende als „grüne Zertifikate“ bezeichnet werden. Der Begriff ist aber schon missverständlich, weil er falsche Erwartungen weckt. Deshalb wird er auch von den Banken nicht verwendet.

Richtiger wäre es, von strukturierten Wertpapieren mit Nachhaltigkeitsmerkmalen zu sprechen. Entscheidend ist bei PAI-Produkten für den ESG-Bezug die Kombination aus Basiswert und Mittelverwendung.

Was heißt dies konkret? Wie bei allen strukturierten Wertpapieren handelt es sich um Schuldverschreibungen, mit deren Erwerb Anleger der emittierenden Bank Geld zur Verfügung stellen. Dies nutzt die Bank u.a. zur Refinanzierung ihres Kreditgeschäfts. Zins- und Rückzahlung sind abhängig von der Wertentwicklung eines Basiswerts. Ist der Basiswert z.B. eine Aktie eines von der Bank als nachhaltig eingestuften Unternehmens, können Anleger an der Performance dieses Unternehmens teilhaben, ohne dort direkt investiert sein zu müssen.

Zudem verspricht die Bank neben einem solchen nachhaltigkeitsorientierten Basiswert, mit dem erhaltenen Geld bestimmte nachhaltigkeitsschädliche Ziele (PAI) nicht zu verfolgen. PAI werden anhand von in der Offenlegungsverordnung (SFDR) festgelegten ökologischen und sozialen Indikatoren bestimmt. Hierzu kann etwa die unterbleibende (Neu-)Kreditvergabe an Unternehmen zählen, welche signifikant in fossile Energieerzeugung involviert sind. Welche dieser PAI-Indikatoren berücksichtigt werden und wie dies erfolgt, legt die emittierende Bank fest. Sie macht dies – so sieht es der Nachhaltigkeitskodex des Bundesverbands für strukturierte Wertpapiere vor – in ihrer Product Policy transparent. Wichtig ist: Für Anleger mit der Nachhaltigkeitspräferenz „Umweltschädliches möglichst vermeiden“ kann dies also eine Form der nachhaltigen Anlage sein, die der Gesetzgeber auch als solche ausdrücklich anerkannt hat (Mifid II).

Strukturierte PAI-Produkte

Dies ist auch in der Sache gerechtfertigt: Wenn Banken ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Transformation der europäischen Wirtschaft leisten sollen, bietet sich an, entsprechende Stellschrauben, z.B. in Form von Ausschlüssen, in ihre Kreditvergabe einzubauen – ohne sich ausschließlich auf tiefgrüne Finanzierungen kaprizieren zu müssen. Transition beginnt mit kleinen Schritten. Es kommt darauf an, dass diese Schritte im besten Sinne des Wortes „nachhaltig“ sind, also keine Einmaleffekte erzeugen. Genau dem hat der europäische Gesetzgeber mit der Anerkennung von PAI-Produkten als flexible, auf Transition und nicht rein auf Impact hin orientierte Anlageform zutreffend Rechnung getragen.

One size does not fit all

Ein strukturiertes Wertpapier, das in der beschriebenen Weise PAI berücksichtigt, ist genau in diesem Maße „grün“ – nicht mehr und nicht weniger. Für Anleger, die ambitionierter sind und denen es nicht ausreicht, dass sie mit ihrer Finanzanlage Nachhaltigkeitsschäden vermeiden, ist ein solches Wertpapier vermutlich nicht das Richtige. Wer eine positive Wirkung (Impact) erzeugen will, sollte sich für andere Anlageprodukte entscheiden – hierzu zählen z.B. Finanzprodukte, mit denen taxonomiekonforme Wirtschaftstätigkeiten finanziert werden.

Auch strukturierte Wertpapiere können so gestaltet werden, dass sie einen positiven Impact erzeugen. Der BSW hat hierfür im für seine Mitgliedsinstitute verbindlichen Nachhaltigkeitskodex zum Beispiel ein Sustainable-Asset-Pool-Konzept entwickelt, das einen solchen Wirkungsmechanismus vorsieht (angelehnt an die Funktionsweise von Green Bonds). Ein erstes Produktangebot, das sich dieses Mechanismus bedient, ist bereits in diesem Jahr auf den Markt gekommen. Das wird in der Studie der Finanzwende e.V. zu Recht positiv hervorgehoben.

Keine Mogelpackung

Dies ändert indes nichts daran, dass strukturierte Wertpapiere, die sich transparent auf eine Berücksichtigung von PAIs beschränken, für Anleger geeignet sind, deren Nachhaltigkeitspräferenz auf „Schadensvermeidung“ ausgerichtet ist. Warum Finanzwende e.V. PAI-Zertifikate als „Mogelpackungen“ bezeichnet, erschließt sich nicht.

Man hätte sich gewünscht, dass die Finanzwende in ihrer Studie über „grüne Zertifikate“ deren Funktionsweise vor dem Hintergrund der regulatorischen Rahmenbedingungen genauer analysiert. Vermutlich wäre dann eine differenziertere Kritik und kein pauschales „Bashing“ mit einem indirekten Boykottaufruf herausgekommen. Letzteres mag Aufmerksamkeit erzeugen. Ob es jedoch dem allseits geteilten Ziel dient, Anlegerschutz und Produktqualität im Bereich ESG zu verbessern, muss mit einem Fragezeichen versehen werden.

Christian Vollmuth

Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands
für strukturierte Wertpapiere (BSW)