Nachhaltigkeit ist der neue Standard
Liquidität ist das Thema in einem ausgetrockneten Markt – die Krise stellt viele Investmententscheidungen auf den Kopf und in Frage. Abhängig vom Investorentyp, Anlageprofil und der Performance- beziehungsweise Rendite-Erwartungshaltung sind Covered Bonds (Hypothekenanleihen) ein von der Europäischen Zentralbank (EZB) unterstütztes Refinanzierungsvehikel, nur “eine” sichere Portfoliobeimischung oder eine “grüne” und alternative ESG-Antwort (Environment Social Governance). Aktuelle Risiken können aus den coronabedingten “Payment Holidays” und dem Strukturwandel im Immobilienmarkt sowie bei kommunalen Aufgaben resultieren. Gesteigerte AufmerksamkeitIn Krisenzeiten und durch die EU-Harmonisierung erhält der internationale Covered Bond eine gesteigerte Aufmerksamkeit, ist er doch ein wesentliches Element einer Refinanzierungsstrategie. Dabei ist der liquide und streng regulierte deutsche Hypothekenanleihemarkt der drittgrößte in Europa und der zweitgrößte bei Euro denominierten Emissionen in Benchmarkgröße. Nach von Rückgängen gekennzeichneten Jahren – vor allem bei öffentlichen Pfandbriefen – hat sich der deutsche Pfandbriefmarkt wieder erholt. Der europäische Markt ist gut diversifiziert und hat viele neue Emittenten aus mittlerweile fast allen europäi-schen und einigen außereuropäischen Ländern, wie beispielsweise Australien, Neuseeland, Kanada, Singapur und Korea gesehen. Zahlungsausfälle in dieser Anlageklasse sind bislang nicht zu beobachten gewesen, selbst in der Finanzkrise nicht. Daher weisen die meisten Emissionen ein “AA” oder sogar die bestmögliche Bonitätsnote “AAA” der Ratingagenturen auf. EZB stellt die WeichenIn der Coronakrise hat die EZB die Weichen gestellt und kauft über ihr PEPP (Pandemic Emergency Pur-chase Programme) neben Staatsanleihen in großem Stil auch Covered Bonds und Corporate Bonds – und das nicht nur über den Sekundärmarkt, sondern auch im Rahmen von Neuemissionen. Daher sind die Renditen auf Endfälligkeit der Covered Bonds deutlich gefallen und notieren überwiegend im leicht negativen Bereich, auch für Laufzeiten von zehn Jahren (aktuell ca. – 0,20 %). Allerdings liegt damit der “Ertrag” immer noch erheblich über deutschen Staatsanleihen, die bei einer Laufzeit von zehn Jahren eine negative Verzinsung von – 0,50 % erzielen. Kürzere Laufzeiten weisen einen noch niedrigeren Return auf.Institutionelle Investoren, Banken, Versicherer, Pensionskassen und Kommunen in Deutschland sind häufig stark sicherheitsorientiert. Staatsanleihen, Länderanleihen und Hypothekenanleihen stellen dabei ein vernünftiges Investment bei kalkulierbarem Risiko dar.Mit -50 Basispunkten haben Staatsanleihen zwar kein Riesenperformancepotenzial, eignen sich aber aus Liquiditätserwägungen zur Portfoliobeimischung. Länderanleihen und Anleihen der KfW oder anderer nationaler Förderinstitute bieten oft ähnliche Swap-Sätze wie Covered Bonds, sind jedoch mit weniger Eigenkapital zu unterlegen. Auch bei der Mindestliquiditätsquote (LCR), die Banken einzuhalten haben, werden die staatsnahen Emissionen besser eingestuft als Covered Bonds, die nur mit Abschlägen in die Berechnung als qualitativ hochwertige, liquide Vermögenswerte eingehen. Die leicht besseren “Renditen” machen dennoch Covered Bonds zu einer interessanten Anlagealternative für die Bankbücher.Versicherer bevorzugen lange Laufzeiten, die sich eher im Einklang mit den langfristigen Auszahlungsverpflichtungen bewegen. Mit den aktuellen, teilweise negativen Renditen können jedoch die Mindestverzinsungsziele vieler Lebensversicherer nicht erfüllt werden, so dass in den vergangenen Jahren die Bestände bei den entsprechenden Gesellschaften abgeschmolzen sind. Assetmanager und institutionelle Investoren suchen regelmäßig positive Renditen für möglichst sichere, aber tendenziell kürzerlaufende Anlagen (bis zehn Jahre). Daher scheiden sie derzeit auch als prominente Nachfrager aus und konzentrieren sich nur auf ausgewählte Emittenten und Emissionen, zum Beispiel aus den Peripheriestaaten oder nicht-europäischen Ländern. Allerdings refinanzieren sich die Banken aus den Peripheriestaaten aktuell nur wenig über den Kapitalmarkt, sondern nehmen vielmehr die extrem günstigen Refinanzierungskontingente der EZB in Anspruch. Über diese längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte, die sogenannten TLTRO (targeted longer-term refinancing operations) erhalten sie günstigere Kreditbedingungen. Daher liegt auch die gesamte Neuemissionstätigkeit in diesem Jahr noch deutlich hinter der der Vorjahre: Aktuell lediglich ca. 70 Mrd. Euro gegen über 100 Mrd. Euro zum gleichen Zeitpunkt in den Vorjahren.Es ist auch nicht mehr zu erwarten, dass diese Lücke in 2020 noch geschlossen wird. Assetmanager bevorzugen im derzeitigen Umfeld, soweit von den Anlagerichtlinien möglich, senior preferred oder non-preferred Anleihen der “besseren” Emittenten, da diese einen Mehrertrag von 200 bis 300 Basispunkten erbringen. Anleger, die sich die Mühen der Emittenten- und Poolanalyse ersparen möchten, haben mittlerweile auch die Möglichkeit sich über börsengehandelte, Index-nachbildende Fonds (ETFs – Exchange Traded Funds) in diesem Marktsegment zu positionieren. ESG-Bondmarkt in BewegungAuf dem ESG-Bondmarkt ist einiges in Bewegung. Ob als Emittent oder als Finanzierer konkreter Projekte, die Klimadebatte hat zu veränderten Investorenbedürfnissen geführt. Es fließt immer mehr Geld in nachhaltige und ökologische Investmentstrategien. Nachhaltigkeit ist der neue Standard. Mit der Emission grüner Hypothekenanleihen wird das steigende Interesse und die Nachfrage der Investoren am ESG-Segment bedient. Covid-19 verursachte nur eine temporäre Verlangsamung des anhaltenden Wachstums des Green-Bond-Marktes.Green-Covered-Bonds investieren in verschiedene Assets wie gewerbliche und wohnwirtschaftliche grüne Immobilien, “social housing” oder kommunale Strukturmaßnahmen wie Wasser- oder erneuerbare Energieversorgung. Verschiedene Länder bemühen sich bereits seit längerem um einen “grünen Standard”. So emittiert Norwegen bereits seit einiger Zeit grüne Covered Bonds, beispielsweise als Refinanzierung für Hypothekendarlehen auf neuere Gebäude, die bereits den verschärften Energiestandards für Wohnhäuser entsprechen. Grüne und soziale Anleihen performen dabei häufig besser als ihre herkömmlichen Pendants gleicher Laufzeit: Noch ist die Nachfrage größer als das Angebot, da sich auch neue Anlegerkreise, wie zum Beispiel kirchliche Vermögensverwalter, für diese Emissionen erschließen.Im Bereich der gewerblichen Immobilienmärkte, deren Hypothekenfinanzierungen vor allem auch bei deutschen Emittenten in den Hypothekenpools zu finden sind, werden coronabedingt Hotels, Einzelhandelsimmobilien, Shopping-Center sowie die Einkaufsstraßen in den Innenstädten und möglicherweise längerfristig auch Bürogebäude vom Strukturwandel am stärksten betroffen sein und sich nachhaltig verändern. Gewerbeimmobilien in der Logistikbranche hingegen sollten positiv hinzugewinnen. Die Entwicklung bei den Beleihungsobjekten ist in den nächsten Jahren daher sehr genau zu verfolgen. Risiko “Payment Holidays”Ein gegenläufiger Trend ist grundsätzlich bei Wohnimmobilien zu erwarten, da der Trend zum “Homeoffice” die Nachfrage nach größeren Wohnungen verstärken sollte, was längerfristig zu weiteren Preissteigerungen führen würde. Vorübergehend könnte die Corona-Pandemie aber zu einem Nachfragerückgang bei Wohnimmobilien und zu Preisrückgängen in der Größenordnung von 5 bis 10 % führen. Preisrückgänge in dieser Größenordnung stellen jedoch kein fundamentales Risiko für die Pools dar, da regelmäßig nur Beleihungen zwischen 60 und 80 % des Beleihungswertes über Covered Bonds refinanziert werden.Ein größeres Risiko stellen derzeit allerdings sogenannte “Payment Holidays” dar. Im Rahmen der staatlichen Hilfspakete wurde die Möglichkeit geschaffen, dass die Hypothekenschuldner ihre Zins- und Tilgungszahlungen über mehrere Monate (meist drei bis sechs Monate) aussetzen können. Anschließend müssen die ausstehenden Zahlungen natürlich nachgeholt werden, aber während dieser Zeit sind solche Maßnahmen für die Schuldner deutlich entlastend. Die Zahlungsaufschübe schlagen auch nicht direkt auf die Zins- oder Tilgungszahlungen bei den Covered Bonds durch, da diese primär von den begebenen Banken zu leisten sind. Gleichwohl ist die Entwicklung in den nächsten Monaten sehr genau zu analysieren. Neue Anforderungen erfüllenInsgesamt werden ESG-Faktoren für Investoren – neben dem Wunsch nach Rendite, Liquidität und Diversifikation bei gleichzeitiger Risikokon-trolle – immer wichtiger. Strukturierte Produkte wie Hypothekenanleihen entsprechen grundsätzlich diesen Investmentkriterien. Im Bereich ESG ist die Weiterentwicklung der ESG-Standards notwendig. So sollten neben einer einheitlichen Definition, welche Beleihungsobjekte oder Darlehen den Ansprüchen genügen, auch die laufenden Berichte der Poolzusammensetzung einfließen.Emittentenseitig werden viele Banken eher in der Lage sein grüne Covered Bonds aufzulegen, sobald die Themen Energiebilanz, stärkere Marktentwicklung, Renovierungsstau und der hohe Finanzierungsbedarf adressiert worden sind. Passend zum Niedrigzinsumfeld hat Amundi kürzlich sein Angebot ergänzt, um in Zusammenarbeit mit anerkannten Indexanbietern diese neuen Anforderungen zu erfüllen. Die weiterentwickelten ETFs sind für unterschiedliche Anforderungen konzipiert, von Privatanlegern bis hin zu regulierten institutionellen Anlegern wie Banken und Versicherern. Wolfgang Bauer, Senior Portfolio Manager Fixed Income bei Amundi Deutschland