Neue Register im Hypothekenboykott
nh Schanghai
Chinas Finanzhüter zeigen sich alarmiert über eine wachsende Boykotthaltung von Wohnungskäufern, die ihren Unmut über Verzögerungen bei der Fertigstellung von Wohnbauprojekten mit der Verweigerung von Zins- und Tilgungszahlungen auf ihre Hypothekenkredite äußern, und beginnen gegenzusteuern. In einem öffentlichen Aufruf der China Banking and Insurance Regulatory Commission (CBIRC) an chinesische Kreditinstitute werden diese dazu aufgefordert, Kredite auf von Verzögerungen betroffene Immobilienprojekte zu verlängern und aktiver auf die Finanzierungsbedürfnisse von heimischen Immobilienentwicklern zuzugehen.
Chinas Bankenaufseher betont nun, die (überwiegend staatskontrollierten) chinesischen Banken hätten eine wichtige soziale Verantwortung zu schultern und müssten jetzt aktiv darauf hinwirken, Finanzierungslücken im Wohnimmobiliengeschäft zu überbrücken. Auf diese Weise sollten die Banken dazu beitragen, dass gegenwärtig brachliegende Immobilienprojekte von den Bauträgern rasch wiederaufgenommen werden könnten. Dies wiederum soll die in Vorkasse getretenen privaten Wohnungskäufer von der Fortsetzung ihrer Streikaktion mit der aktiven Verweigerung von Kreditzahlungen abhalten.
Ob die Ermunterung des Bankenaufsehers ausreicht, der Problematik effektiv beizukommen, gilt als eher ungewiss. Allerdings hofft man, über das Signal eine rasche weitere Ausbreitung des Hypothekenboykotts und vor allem auch Unruhe an den Finanzmärkten zu verhindern. Nach den kräftigen Kursrückgängen in der vergangenen Woche sah man am Montag eine Entlastungsbewegung bei den Aktien chinesischer Großbanken wie auch bei denen führender Immobilienentwickler. Die Aktie der China Construction Bank (CCB), des Marktführers im chinesischen Realkreditgeschäft, legte an der Hongkonger Börse um gut 3 % zu, während die Aktie des nach Umsätzen größten Bauträgers, Country Garden Holdings, um mehr als 6 % kletterte.
Nach Aufstellungen von Analysten sind seit Juli-Beginn Hypothekenzahlungen auf vorverkaufte Wohnobjekte bei rund 230 Immobilienprojekten in über 80 Städten verweigert worden. Während die aus den Angaben von einzelnen Banken hervorgehende Summe an Hypothekenkrediten, die zuletzt nicht korrekt bedient wurden, mit 2,1 Mrd. Yuan (rd. 300 Mill. Euro) eher harmlos wirkt, machen Analysten eine andere Rechnung auf und beziffern das Volumen der potenziell im Feuer stehenden Kredite bei gewaltigen 2 Bill. Yuan.
Als Anzeichen für eine latente Alarmstimmung bei Chinas Finanzwächtern gilt auch eine außerplanmäßige Geldinjektion der Zentralbank vom Montag. Erstmals seit Juni wurde im Rahmen von täglichen Geldmarktgeschäften wieder eine Nettomittelzufuhr eingeleitet. Mit einem Umfang von 12 Mrd. Yuan hat sie freilich eher symbolischen Charakter.
Im vergangenen Jahr hatte sich die People’s Bank of China (PBOC) mehrfach mit sehr wuchtigen Liquiditätseinschüssen hervorgetan, als die damals neu aufgekommene Krise rund um Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit von großen chinesischen Immobilienentwicklern wie China Evergrande hohe Wellen schlug und die Sorge vor einer breiteren Ansteckungsgefahr im Bankensystem umging.
Letztlich sind die Probleme bei Evergrande und zahlreichen anderen Immobilienentwicklern Hauptursache für einen Abschwung am Wohnimmobilienmarkt, wo die Preise für Neuwohnungen seit mittlerweile zehn Monaten nach unten zeigen. Damit gerät das Finanzierungsmodell der Bauträger mit vorverkauften Wohnungen noch stärker ins Wanken. Es wird ein heftiger Rückgang der Neuwohnungsverkäufe befürchtet, weil die Immobilienkäufer in spe den Bauträgern nicht mehr über den Weg trauen.