Neue Wege bei Portfoliokonstruktion erforderlich

Anhaltendes Niedrigzinsumfeld muss berücksichtigt werden - Steigende Komplexität des Investierens im Spätzyklus und bei extrem niedrigen Anleihenrenditen

Neue Wege bei Portfoliokonstruktion erforderlich

Eine der größten Herausforderungen für Anleger liegt derzeit in der Assetallokation. Angesichts eines globalen Wachstums, das sich im späten Zyklus noch freundlich als “bescheiden” beschreiben lässt, verbunden mit einer Abkehr von der traditionellen Geldpolitik weltweit, gilt es die “sicheren Häfen” im Portfolio neu zu überdenken. Anleihen bieten bestenfalls noch geringe Renditen. Das bedeutet, dass die bisherigen geschätzten Eigenschaften der “Portfoliosicherung in Kombination mit positiven Erträgen” immer schwieriger zu finden sind. Anleger sind gefordert, die optimale Allokation ihres Portfolios an dieses Szenario anzupassen, denn den Kompromiss zwischen dem Verzicht auf Erträge aus Risikoanlagen und einem dafür reduzierten Portfoliorisiko gibt es nicht mehr.Dies ist eine der zahlreichen Erkenntnisse unseres langfristigen Kapitalmarktausblicks (Long Term Capital Market Assumptions – kurz LTCMA), für den wir seit 24 Jahren die Expertise unserer rund 50 globalen Investment- und Strategieteams bündeln und einen Blick über einen Anlagehorizont von 10 bis 15 Jahren in die Zukunft werfen.Im Rahmen der aktuellen Analyse ergeben sich im historischen Vergleich nur moderate Wachstumsprognosen für diesen Zeitraum. Die in weiten Teilen der Industrienationen immer weiter alternden Bevölkerungen sind eine wesentliche Herausforderung. Auf der anderen Seite gibt es Technologien, die dabei unterstützen, die Produktivität zu steigern.Vor diesem Hintergrund bleibt Portfolioflexibilität für Investoren, die die Volatilität im späten Zyklus und darüber hinaus steuern wollen, ein wesentlicher Aspekt. Anleger, die höhere Erträge anstreben, werden weiter in die globalen Finanzmärkte vordringen und verstärkt auch Alternative Anlagen in Betracht ziehen, um einerseits zu diversifizieren und andererseits zusätzliche Ertragsquellen zu nutzen. Die globale Geldpolitik, die seit der Finanzkrise mit zahlreichen unkonventionellen Maßnahmen operiert, schlägt weiterhin in vielen Bereichen durch.Globales Wachstum: Das reale globale Wachstum soll während der nächsten 10 bis 15 Jahre durchschnittlich 2,3 % betragen, das sind 20 Basispunkte weniger, als die Analyse noch im Vorjahr ergeben hat. Der Ausblick für die Industrieländer bleibt dabei mit 1,5 % unverändert. Die Prognosen für die Schwellenländer wurden dagegen um 35 Basispunkte auf 3,9 % herabgestuft.Globale Inflation: Inflationserwartungen weichen kaum von den Ergebnissen des Vorjahrs ab. So wird die globale VPI-Inflation auf 2,2 % geschätzt. In vielen Regionen, vor allem in den Industrienationen, wird die Inflationsrate allerdings unterhalb dieser Prognose liegen, beispielsweise wurde die Einschätzung für die Eurozone von 1,5 % auf 1,3 % zurückgenommen. In einzelnen Ländern wie Japan oder der Schweiz, wo sich die Nominalzinsen seit vielen Jahren auf einem sehr niedrigen Niveau befinden, sollte die Inflation noch niedriger ausfallen (Japan: 0,8 % und Schweiz: 0,5 %). Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Zentralbanken vieler Länder ihre festgelegten Inflationsziele im Prognosezeitraum nicht erreichen werden.Geldpolitik: Die globale Geldpolitik soll in diesem und weit in den nächsten Zyklus hinein äußerst locker bleiben. Daher kann eine Zinsnormalisierung noch lange nicht in die Prognosen integriert werden. Dazu kommen wesentlich niedrigere Anfangsrenditen und eine leichte Kürzung der prognostizierten Gleichgewichtsrendite. All dies führt zu einem starken Rückgang der prognostizierten Anleihenerträge – in manchen Fällen sogar in negatives Territorium über den Prognosezeitraum.60/40-Portfolioerträge: Die Ertragserwartungen für ein Portfolio aus 60 % Aktien und 40 % Anleihen fallen um 10 Basispunkte auf 5,4 % in Dollar und auf unter 4 % in Euro. Die Effizienzgrenze zwischen Aktien und Anleihen versteilert sich leicht. Die Sharpe Ratio für Anleihen geht weiter zurück, womit sie dennoch leicht über der für Aktien liegt (in Dollar). In Euro liegt die Sharpe Ratio nur im Segment US High Yield (hedged) und bei den Schwellenländer-Staatsanleihen (hedged) über der von Aktien, wobei bei Schwellenländer-Aktien die Sharpe Ratio über der von Schwellenländer-Anleihen liegt. In anderen Regionen sind die Anleihen-Sharpe-Ratios mittlerweile schon negativ und weisen daher auf eine düstere Zukunft für Anleihenerträge hin.Aktien: Der langfristige Ertragsausblick für Aktien ist im Vorjahresvergleich wieder etwas positiver. Für die nächsten 10 bis 15 Jahre lässt sich ein Ertragsanstieg globaler Aktien um 50 Basispunkte auf 6,5 % erwarten (in Dollar). In den Industrieländern gehen wir von einem Anstieg der Erträge um 20 Basispunkte auf 5,7 % aus, während in den Schwellenländern eine Erhöhung um 20 Basispunkte auf 8,7 % in Lokalwährung erwartet wird. In den Industrieländern ist diese Verbesserung größtenteils auf den abnehmenden Gegenwind bei den Bewertungen zurückzuführen. In den Schwellenländern ist der Aufschwung gleichermaßen in den Unternehmensgewinnen und den Bewertungen begründet.Anleihen: Die Aussichten für Erträge in den wichtigsten Währungen fallen niedriger aus, da die Normalisierungsannahmen erweitert wurden. Die diesjährigen Annahmen umfassen eine ausführliche Rangliste der Geldmarktzinsen an den wichtigsten Märkten. In der Annahme der Fortsetzung einer expansiven Geldpolitik reduzieren wir unsere Gleichgewichtszinssätze an den wichtigen Märkten der G4-Staaten und verlängern den Zeithorizont, in welchem wir mit einer erneuten Normalisierung der Zinsen rechnen. Insgesamt bieten Unternehmensanleihen noch Ertragssteigerung, obgleich die erwarteten Gesamterträge für US-Anleihen mit Investment Grade im Zuge der erneuten Abkehr von der Zinsnormalisierung um 130 Basispunkte auf 3,4 % in Dollar und 1,7 % in Euro gesunken sind. Langfristigen Anlegern können Anleihen die Chance bieten, die Portfolioerträge zu steigern.Alternative Anlagen: Die Erhöhung der Aktienerträge in diesem Jahr geht einher mit einem parallelen Anstieg der Erträge aus Private-Equity-Anlagen. So dürften Private-Equity-Erträge im Prognosezeitraum von 10 bis 15 Jahren um insgesamt 55 Basispunkte auf 8,8 % steigen. Private Equity ist einerseits für die Anleger interessant, die auf das Ertragswachstum abzielen, aber auch für diejenigen, die ein Engagement in bestimmten Technologieunternehmen wünschen. Dieses Jahr prognostizieren wir, dass die Erträge fremdfinanzierter US-Kernimmobilien nach Abzug von Gebühren über den Zeitraum der nächsten 10 bis 15 Jahre durchschnittlich 5,8 % betragen werden. Die geschätzten Erträge aus globalen Immobilien- und Infrastrukturanlagen sind bemerkenswert stabil. Aufgrund der robusten Cash-flows können sie zudem sogar als Indikator für die Duration in Portfolios mit begrenztem kurzfristigen Liquiditätsbedarf dienen. Die Bandbreite der Ergebnisse zeigt allerdings, dass nicht allein die Allokation in die Assetklasse, sondern vielmehr die Managerauswahl das wichtigste Kriterium bei der Erwirtschaftung des erwarteten Ertrags im Bereich der Alternativanlagen ist. Schwacher Dollar erwartetWechselkurse: Wie im vergangenen Jahr gehen wir davon aus, dass sich der Dollar in unserem Prognosezeitraum gegenüber anderen wichtigen Währungen abschwächen wird. Unsere Experten prognostizieren einen langfristigen Gleichgewichtswechselkurs für Euro – Dollar von 1,38, für den Euro zum Yen von 1,21 und für den Euro zum britischen Pfund von 1,07. Aufgrund der Überbewertung des Dollar könnte die Attraktivität der Währung als potenzieller sicherer Hafen etwas einbüßen. Zudem weisen wir darauf hin, dass sich Währungen auf das Gleichgewicht nicht linear zubewegen und über längere Zeitperioden vom theoretischen Wert ziemlich abweichen können. Dennoch scheint uns ein beharrlich überbewerteter Dollar weiterhin eine wichtige Überlegung im Rahmen der optimalen Ausrichtung einer globalen Assetallokation.Unter Berücksichtigung aller genannten Aspekte lässt sich abschließend feststellen: Für die nächsten 10 bis 15 Jahre ist es wichtig, alle zur Verfügung stehenden Ressourcen zu nutzen, um langfristig erfolgreich zu sein und die Verpflichtungen erfüllen zu können. Auch gilt es, offen zu sein für neue Anlageklassen und Strategien, die vielleicht bisher nicht in der Allokation berücksichtigt wurden. Dabei können externe Partner helfen, den Blick über den Tellerrand hinaus auszurichten. Sich und seine Anlagestrategie immer wieder in Frage zu stellen, ist dabei der erste Schritt, um langfristig erfolgreich zu sein. Jens Schmitt, Leiter Institutional Sales in Deutschland und Österreich bei J.P. Morgan Asset Management und Tilmann Galler Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management