SCHLUSSNOTE

Nicht grün hinter den Ohren

Von Claus Döring Man muss nicht zur Fangemeinde der Umweltaktivistin Greta Thunberg gehören und auch nicht zu den Befürwortern des organisierten Schuleschwänzens, aber für eines muss man der jungen Schwedin dankbar sein: Niemand anders hat so...

Nicht grün hinter den Ohren

Von Claus DöringMan muss nicht zur Fangemeinde der Umweltaktivistin Greta Thunberg gehören und auch nicht zu den Befürwortern des organisierten Schuleschwänzens, aber für eines muss man der jungen Schwedin dankbar sein: Niemand anders hat so prominent auf die Möglichkeit des Etikettenschwindels mit “ökologisch nachhaltigen” Investments aufmerksam gemacht. Während nämlich die schwedische Klimaaktivistin auf Facebook die Kernenergie als Teil einer kohlenstofffreien Energielösung und Maßnahme zur Begrenzung der Erderwärmung anpries, soll die von der EU-Kommission geplante Klassifizierung – sprich Taxonomie – nach Auffassung der Mehrheit der EU-Parlamentarier nicht nur fossile Brennstoffe wie Kohle und Gasinfrastruktur als nicht nachhaltig brandmarken, sondern auch die Atomkraft. Was als ökologisch nachhaltig zu gelten hat, ist also eine Frage des Standpunktes und Blickwinkels, manchmal auch der ideologischen Brille, aber mitnichten eine objektiv und europaweit einheitlich zu beantwortende Frage. Wenn es aber schon keine allgemein akzeptierte Definition dafür gibt, was nachhaltig ist, dann ist es mehr als problematisch, Nachhaltigkeitslabel für Finanzprodukte auf Basis einer EU-Taxonomie zu vergeben und daran eventuell sogar staatliche Förderung oder regulatorische Bevorzugung zu knüpfen. Deshalb sollten sich EU-Parlament und Kommission in ihrem Regelungswahn bescheiden und beim Aktionsplan für “Sustainable Finance” mehr auf den Markt vertrauen. Auf eine EU-einheitliche Taxonomie zu verzichten, wäre weder der Untergang des Abendlandes noch ein Verrat an den Klimazielen, zumal der Taxonomie-Entwurf sich zu einseitig auf ökologische Kriterien fokussiert und soziale und Governance-Aspekte wenig beachtet. Dabei sind Investoren längst nicht so grün hinter den Ohren, wie der Brüsseler Aktionismus glauben machen könnte. Viele institutionelle Investoren, allen voran Pensionsfonds und Stiftungen, haben längst eigene Kriterien für nachhaltige Investments gebildet und beziehen Ratings für ESG (Environmental, Social, Governance) in ihre Anlageentscheidungen ein. Für Versicherer und Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge hierzulande ist es zum Beispiel sogar Pflicht, ESG-Risiken im Risikomanagementsystem zu berücksichtigen. Und auch die Assetmanagementbranche hat längst reagiert und bietet eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte an, um den jeweiligen ESG-Vorstellungen der Anleger Rechnung zu tragen. All dies ist nicht ohne Rückwirkung auf die Industrie geblieben: Zumindest in Europa hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Nachhaltigkeit in den Geschäftsmodellen von Unternehmen zu Wertsteigerungen und Reduzierung von Finanzierungskosten beiträgt. Für immer mehr Unternehmen und Investoren ist deshalb ein ESG-Rating inzwischen ähnlich wichtig wie das Rating der Finanzstärke.Im Bereich nachhaltigen Investierens und nachhaltiger Finanzprodukte haben sich Markt und Selbstregulierung bewährt. Noch besser würden sie funktionieren, wenn auch nationale Umwelt- und Klimapolitik stärker auf marktwirtschaftliche Anreize und die Internalisierung externer Kosten setzen würde als bisher. Das setzt aber die “richtigen” Informationen für den Markt voraus. Insofern ist es zu begrüßen, dass der EU-Gesetzgeber im Rahmen des Aktionsplans zumindest schon einmal für mehr Transparenz gesorgt hat, indem Umweltrisiken offengelegt werden müssen und “Greenwashing” erschwert wird.