WAS EINE ZINSWENDE BEDEUTET - SERIE ZUR ZINSWENDE: FONDSBRANCHE (TEIL 4)

Niedrigzinsgewinner fürchten um Erträge

Deutsche Fondsbranche verdankt satte Geschäftslage der zurückliegenden Marktphase - Zinswende wäre schmerzhaft, aber verkraftbar

Niedrigzinsgewinner fürchten um Erträge

Die Niedrigzinsen haben sich als Belastung für die Erträge der Banken erwiesen, aber als Treiber des Geschäfts der Fondsbranche. Der Aufschwung dürfte sich im Falle einer Zinswende abschwächen, doch ein Rückgang auf das alte Niveau droht nicht.Von Jan Schrader, FrankfurtEs gibt nicht viele Industrien in Deutschland, die ihr Gewicht binnen eines Jahrzehnts in etwa verdoppelt haben. Die Fondsbranche zählt dazu: Das verwaltete Vermögen kletterte hierzulande seit Ende 2008 von 1,5 Bill. auf zuletzt 3,0 Bill. Euro, berichtet der deutsche Fondsverband BVI. Der Bestand, der sich ganz überwiegend deutschen Privatleuten und institutionellen Investoren zuordnen lässt, entspricht damit annähernd dem Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik. Pro Bundesbürger verwaltet die Industrie umgerechnet mehr als 36 000 Euro – mal direkt über Investmentfonds, mal indirekt für Investoren wie Versicherer und Altersvorsorgeeinrichtungen, die ihrerseits Mittel von Privatleuten verantworten.Der Erfolg ruht auf vielen Säulen. Ein wesentlicher Treiber sind die niedrigen Zinsen, wie Vertreter der deutschen Fondsbranche meinen. Sechs von zehn Führungskräften sehen einen “großen” oder “sehr großen” Einfluss der niedrigen Zinsen auf das Geschäft, wie der BVI noch kurz vor Jahresende in einer Umfrage unter Fondsadressen ermittelte. Als Wachstumstreiber stehen die niedrigen Zinsen damit vor der Notwendigkeit der Altersvorsorge, der Nachfrage nach alternativen Anlageprodukten und der Digitalisierung. Kommando zurückWenn die Zinsen fallen, steigen umgekehrt tendenziell die Werte von Anleihebeständen. Und weil in einer vergleichenden Betrachtung auch Sachwerte günstiger erscheinen, steigen Aktien und Immobilien auf lange Sicht tendenziell mit. Die Geldpolitik trägt dabei das Geschäft der Fondsbranche wesentlich. Die EZB senkte den Leitzins von damals 4,25 % ab Oktober 2008 rasch ab und startete 2015 ihr umstrittenes Anleihenkaufprogramm. Steigende Kurse gingen auch mit einem starken Neugeschäft einher. Goldene Zeiten für die Fondsbranche (siehe Grafik).Der Trend könnte nun aber an Fahrt verlieren und sich zeitweise sogar umkehren: Die Aktienmärkte haben bereits im zurückliegenden Jahr deutlich nachgegeben, Anleihen werfen angesichts niedriger Kupons nicht mehr viel ab und könnten im Falle einer Zinswende an Wert verlieren. Sollte die EZB ihre Leitzinssätze tatsächlich wieder erhöhen – es ist umstritten, ob sie das in absehbarer Zukunft tut – dürfte sie damit auch etliche Anleger vergrätzen. Die Fondsbranche, die wie kaum eine andere Industrie zyklisch ist und Auf- und Abschwungphasen spürt, stünde vor turbulenten Jahren.Sinkende Kurse würden die Gesellschaften rasch spüren. Denn die Erträge hängen eng am verwalteten Volumen und steigen und schrumpfen nahezu analog. Die Zahlen einiger großen Fondsgesellschaften geben einen Eindruck davon, wie sich fallende Märkte auf die Branche auswirken würden. Derzeit erzielen Assetmanager bezogen auf das Vermögen deutscher Anleger pro Jahr Erträge nahe der Marke von 10 Mrd. Euro, wenn die Margen der börsennotierten DWS und anderer westeuropäischer Assetmanager als Maßstab dienen (siehe Kasten). Ein weiterer mittlerer einstelliger Milliardenbetrag kommt vermutlich für den Vertrieb hinzu, wovon insbesondere Banken und Sparkassen profitieren. Weil die Kosten derweil vergleichsweise unflexibel sind, wäre ein Kursrutsch schmerzhaft.Tatsächlich fürchtet die Branche einen Markteinbruch – die Angst vor einer Zinswende ist dabei aber nur eine Sorge von vielen. Lediglich vier von zehn Führungskräften nennen steigende Zinsen als mögliche wesentliche Bremse des Fondsgeschäfts im neuen Jahr, wie die BVI-Umfrage weiter zeigt. Die globale Politik und die Weltkonjunktur, die allgemeine Börsenentwicklung und die Dauerbrenner Regulierung und Kostendruck treiben die Branche jeweils stärker um. Das erscheint nachvollziehbar. Eine Zinswende ist bislang ein hypothetisches Szenario. Mit blauem Auge davonEin Vorteil der Branche ist, dass die Aufschwungphasen an den Börsen in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Gewohnheiten der Sparer bereits verändert haben. Die Börseneuphorie um die Jahrtausendwende hat die Sparkultur in Deutschland geprägt. Zwischen 1997 und 2001 stieg die Zahl der Aktien- und Mischfondssparer in Deutschland von 2,3 Millionen auf sage und schreibe 9,8 Millionen, wie das Deutsche Aktieninstitut schätzt. In den Folgejahren sank der Wert zwar der Kapitalmarktinitiative zufolge wieder, fiel aber auch im Zuge der weltweiten Finanzkrise niemals auf das alte Niveau ab. 2014 wurde mit geschätzt 6,0 Millionen Fondssparern ein Tiefpunkt erreicht. Seither stieg die Zahl auf 7,2 Millionen Sparer per Ende 2017. Auch flossen Publikumsfonds in den meisten Jahren netto zweistellige Milliardenbeträge zu. Fondssparen ist heute etablierter, als das noch vor zwei Jahrzehnten der Fall war. Die Sparkultur in Deutschland hat sich also zugunsten von Fonds verändert – nicht zuletzt, weil zinsbasierte Sparprodukte kaum noch etwas einbringen.Davon wird die Branche zehren, wenn sich die lange Phase sinkender Zinsen umkehrt. Langfristig sind die Aussichten der Branche eher positiv: Der provisionsgedeckte Vertrieb, der sich Mitte der 1980er Jahre weithin durchsetzte und die Branche bis heute trägt, ist intakt. Ein großes Filialnetz regionaler Kreditgenossenschaften und Sparkassen, eine offene Vertriebsarchitektur bei Privatbanken und schlagkräftige Finanzvertriebe werden auch in den kommenden Jahren das Neugeschäft mit privaten Sparern tragen, auch wenn schrumpfende Filialnetze, Online-Vertriebsmodelle und ein mögliches Provisionsverbot ein Risiko für die Branche darstellen. Auch ein Ende des starken Spezialfondsgeschäfts ist nicht in Sicht. Institutionelle Investoren lagern im Zuge einer um sich greifenden Professionalisierung der Kapitalanlage Aufgaben im Portfolio- und Risikomanagement an Fondsgesellschaften aus.Auch die Erfahrung an den Aktienmärkten spricht unterm Strich für ein langfristig solides Geschäft. Denn trotz zwischenzeitiger Einbrüche zeigen die Kurse erfahrungsgemäß eine steigende Tendenz, auch wenn dieser Aufwärtstrend nach dem Zuwachs der zurückliegenden Jahre an Fahrt verlieren könnte. Eine Zinswende ginge vermutlich mit Unruhe an den Märkten einher und zöge eine Delle im Fondsgeschäft nach sich – auf lange Sicht dürfte es für die Branche aber weiter bergauf gehen.—-Zuletzt erschienen:- Das Provisionsergebnis holt auf (8. Januar)- Laxe Kreditvergabe droht sich zu rächen (5. Januar)- Schwerer Entzug (4. Januar)