NRW braucht einen starken Bankenplatz

Beim Wirtschaftswachstum wieder Spitze werden

NRW braucht einen starken Bankenplatz

Das Jahr 2017 wird ein spannendes für Nordrhein-Westfalen (NRW), denn am 14. Mai wird ein neuer Landtag gewählt. Natürlich wird eine solche Gelegenheit gerne für Bestandsaufnahmen genutzt: Was sind Erfolge, was hätte man besser machen können, je nach politischer Herkunft ist das Stimmungsbild mal besser, mal schlechter. Wichtiger ist aber, den Blick nach vorne zu richten, auf die Zeit nach der Wahl und darauf, wie in Zukunft ein starker Wirtschaftsstandort aussehen sollte.Nordrhein-Westfalen ist ein bedeutender Wirtschaftsstandort. Mit seinen 17,6 Millionen Einwohnern erwirtschaftet das Land knapp 646 Mrd. Euro – mehr als ein Fünftel des gesamten deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das macht NRW zur größten Volkswirtschaft aller deutschen Bundesländer und zur siebtgrößten Volkswirtschaft in der Europäischen Union. Land des MittelstandsAuch wenn 18 der 50 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands ihren Sitz in NRW haben, so ist die Metropolregion inzwischen das Land des Mittelstands: Rund 751 000 kleine und mittelgroße Unternehmen sind hier zu finden; jeder vierte Weltmarktführer ist hier zu Hause. Die Internationalität des Standorts zeigt sich dabei sowohl in den über 18 000 ausländischen Firmen als auch im Exportwert von rund 180 Mrd. Euro – das entspricht knapp 15 % der deutschen Exportgüter.Eine solch große Wirtschaftsleistung benötigt ebenso starke Bankenpartner: 66 private Kreditinstitute mit rund 29 000 Beschäftigten unterstützen die in NRW ansässigen Unternehmen bei allen Finanzierungsfragen. So laufen beispielsweise 80 % des Exports über die Konten privater Banken. Der Marktanteil der privaten Banken beim Kreditvolumen liegt bei 27 %, bei Einlagen bei 32 %. 24 der Mitgliedsinstitute des privaten Bankgewerbes haben ihren Hauptsitz in NRW, wiederum zehn sind selbst dem Mittelstand zuzuordnen, und 26 gehören zu ausländischen Muttergesellschaften. Allen gemeinsam ist, dass räumliche Nähe und der persönliche Kontakt zwischen Kunde und Berater eine wichtige Rolle spielen – trotz aller Automatisierungsprozesse im Bankgeschäft.Aus Sicht der privaten Banken sind exemplarisch vier Handlungsfelder – Kommunalfinanzierung, Infrastruktur, Digitalisierung und Unternehmensfinanzierung – dafür entscheidend, ob der Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen auch in Zukunft stark bleibt.Die Haushaltslage der nordrhein-westfälischen Kommunen lässt nicht viel Spielraum für Investitionen, wie zum Beispiel in Infrastrukturprojekte, was wiederum die Entwicklung der lokalen Wirtschaft beeinträchtigt. Altschulden sowie eine hohe Gesamtverschuldungsquote belasten die Kommunalfinanzierung, die zudem durch die Zinssituation und die verschärfte Bankenregulierung schwieriger geworden ist. Lösungen können Strukturveränderungen und eine Öffnung für private Investitionen sein, um die Handlungsfähigkeit der Kommunen wiederherzustellen. Die privaten Banken bieten alternative Kapitalmarktinstrumente wie das Schuldscheindarlehen oder Kommunalanleihen an. Gesunde Kommunen sind der Schlüssel für weiteres Wirtschaftswachstum: Sie locken Gründer an und geben erfolgreichen Unternehmen Anreize für deren Expansion. Die Zusammenarbeit zwischen den Kommunen im Rahmen der Metropolregionen kann zu mehr Effizienz bei Besteuerung, Bürokratie und Regulierung führen. Davon profitiert die gesamte Wirtschaft vor Ort. Thema InfrastrukturEbenso wichtig sind die Sanierung und der Ausbau der Infrastruktur im Lande: Schnelle Netze und Breitbandleitungen sind für die Umsetzung von Industrie 4.0 und digitaler Transformation genauso wichtig wie staufreie Straßen und moderne Schienen für Produktion und Logistik. Bei öffentlichen Infrastrukturinvestitionen kann es sinnvoll sein, private Unternehmen und privates Kapital – je nach Aufgabe – mit einzubeziehen. Bei entsprechender Ausgestaltung öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP) lassen sich klare Vorteile hinsichtlich Kosten- und Terminsicherheit, höhere Effizienz und bessere Qualität für die öffentliche Hand erzielen.Auch hier stehen Banken mit Kapital und Expertise für die Finanzierung von Infrastruktur bei entsprechenden Rahmenbedingungen bereit. Dazu gehört unter anderem eine Vereinfachung und Beschleunigung des Planungsrechts sowie der Ausbau von Planungskapazitäten. Private Investoren brauchen vor allem Planungssicherheit.Der industrielle Strukturwandel – vor allem im Ruhrgebiet – ist noch nicht richtig abgeschlossen, da steht bereits der nächste fundamentale Umbruch an: die digitale Transformation hin zur Industrie 4.0. Die Digitalisierung betrifft alle Unternehmen, auch die, die es vielleicht noch nicht wahrhaben wollen. Lieferprozesse, Wertschöpfungsketten, Produktionstechnologien, Kundenbeziehungen – alles wird sich grundsätzlich verändern. Die Art, wie künftig Geschäfte gemacht werden, wird disruptive Auswirkungen zeigen.Dabei gilt: Wer jetzt nichts tut, wird abgehängt. Das wäre für den Wirtschaftsstandort NRW fatal. Daher darf sich Digitalisierung nicht nur auf junge Unternehmen (Start-ups) fokussieren, sondern muss gerade die Unternehmen der sogenannten “Old Economy”, die zu den wesentlichen Leistungsträgern des Landes gehören, einbinden.Es gilt zum einen, die zahlreichen Aktivitäten des Landes zu vernetzen, damit sie ihre volle Wirkung entfalten können, und zum anderen für die Unternehmen – auch finanzielle – Anreize zu schaffen, in die Digitalisierung zu investieren. Förder- und Beratungsangebote können ein Weg sein, die notwendige Transformation zu beschleunigen. Die Hausbanken können nicht zuletzt wegen der Komplexität der neuen Aufgabe eine führende Rolle bei der Ansprache der Unternehmen und der Finanzierung des digitalen Wandels übernehmen.Die Finanzierung der Unternehmen in Nordrhein-Westfalen – vor allem der vielen familiengeführten, zugleich exportorientierten mittelständischen Unternehmen – ist das Fundament stabiler Kernbankbeziehungen. Viele Unternehmen nutzen dabei – über den Kredit hinaus – weitere Finanzdienstleistungen der privaten Banken, wie zum Beispiel den internationalen Zahlungsverkehr, viele Absicherungsinstrumente und eine professionelle Kapitalmarktbegleitung. Es ist wichtig, dass bei der Ausgestaltung und Umsetzung von Finanzmarktregulierung darauf geachtet wird, dass Banken auch in Zukunft ihre Rolle bei der Finanzierung der Wirtschaft uneingeschränkt erfüllen können.Dennoch bleibt die Kreditvergabe an Unternehmen unverändert schwach. Dies hat zum einen mit der hohen Eigenfinanzierungsquote, zum anderen mit der Investitionszurückhaltung der Unternehmen zu tun. Besonders in NRW ist die Investitionsquote mit 2,1 % im Bundesvergleich geringer (2,3 %), oder sie findet zunehmend außerhalb des Bundeslandes statt. Laut Arbeitgeberverband Metall.NRW fließen inzwischen 40 % der Investitionen der hiesigen Metall- und Elektroindustrie in das Ausland, in fünf Jahren werden es bereits nahezu 50 % sein. Dieser Entwicklung kann entgegengewirkt werden, indem zum Beispiel die staatlichen Rahmenbedingungen dem immer schneller fortschreitenden Wandel in der Wirtschaft flexibler angepasst werden. Vorsichtig optimistischDenn die Liquidität für Investitionen ist vorhanden, ob aus eigenen Mitteln oder aufgrund des niedrigen Zinsniveaus zu günstigen Konditionen über Kreditfinanzierungen durch Banken. Das ist eine gute Ausgangslage, die durch eine bessere Geschäftsentwicklung und vorsichtigen Optimismus der Unternehmer getragen wird. Die privaten Banken können die Anforderungen der Wirtschaft nach individuellen Finanzierungslösungen, die inzwischen eine ganzheitliche Betrachtung der Wertschöpfungsketten vom Lieferanten bis zum Kunden sowie vor allem im internationalen Geschäft erfordern, erfüllen.Ein starker Wirtschaftsstandort braucht einen starken Bankenplatz – und umgekehrt. Beides funktioniert nur, wenn Wachstum oberste Priorität besitzt. Nordrhein-Westfalen verfügt über ein großes Potenzial, um sich den Herausforderungen in einer sich verändernden Welt zu stellen und im globalen Wettbewerb zu bestehen. Politik, Kammern, Verbände und Banken können gemeinsam für die Unternehmen ein investitions- und innovationsfreundliches Klima schaffen, damit das Land beim Wirtschaftswachstum wieder Spitze wird.—Martin Renker, Vorstandsvorsitzender des Bankenverbands Nordrhein-Westfalen e.V. und Sprecher der Regionalen Geschäftsleitung Nordwest der Deutschen Bank AG