Nachhaltigkeit

Nur mit der Lupe erkennbar

Bei der Frage, was unter Nachhaltigkeit zu verstehen ist, klaffen die Ansichten weit auseinander. Dies zeigt sich auch in dem Streit zwischen der Finanzbranche und der Aufsicht um die Frage, was in nachhaltigen Fonds drinstecken soll. Der Fondsverband BVI untermauert seine Ansichten mit einer Studie.

Nur mit der Lupe erkennbar

sto Frankfurt

In der laufenden Auseinandersetzung zwischen der Finanzbranche und der Finanzaufsicht BaFin hinsichtlich der Ausgestaltung von Portfolien nachhaltiger Fonds hat der Fondsverband BVI jetzt noch einmal nachgelegt. Im Gegensatz zu den kürzlich von der BaFin vorgeschlagenen Leitlinien für nachhaltige Investmentvermögen könne man „dem Grünwaschen vorbeugen, ohne den Standort Deutschland durch realitätsferne Vorgaben für nachhaltige Fonds unattraktiv zu machen“, kommentiert BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter die Veröffentlichung einer Studie.

In der Studie wird ein fiktiver Fonds aus dem Anlageuniversum des FTSE World Index nach dem Konzept des sich in Arbeit befindlichen BVI-Nachhaltigkeitskonzepts für den Vertrieb kreiert. Das Konzept umfasst nach Darstellung des BVI marktübliche ESG-Anlagestrategien (Environment, Social, Governance), Mindestausschlüsse (z.B. von Waffenherstellern) und den Best-in-Class-Ansatz (das beste Unternehmen einer Vergleichsgruppe). Dies entspricht dem BVI zufolge den Anforderungen der EU-Offenlegungsverordnung an ein ESG-Strategieprodukt (Artikel 8) und schließe die Anwendung der Standards für verantwortliches Investieren der Vereinten Nationen (UN Principles for Responsible Investment, PRI) ein.

Dieser fiktive Fonds wird dann abgeglichen mit dem Konzept der EU-Taxonomie, den Vorgaben aus Brüssel zur Frage, welche Wirtschaftsaktivitäten als nachhaltig gelten. Allerdings krankt die Taxonomie daran, dass sie aktuell soziale und ethische Aspekte komplett außen vor lässt und sich lediglich auf Teilbereiche zur Vermeidung des Klimawandels konzentriert (zwei von insgesamt sechs EU-Umweltzielen). Insofern ist nicht überraschend, dass der fiktive BVI-Fonds lediglich einen Anteil von knapp 4% an taxonomiekonformen Assets vorweist, „sofern das Portfolio ausreichend diversifiziert sein soll“, wie der BVI ergänzt. Demgegenüber hatte die BaFin letztens in der Diskussion um die Ausgestaltung von Portfolien nachhaltiger Fonds einen Anteil von 90% nachhaltigen Vermögensgegenständen eingebracht (vgl. BZ vom 17. Mai).

Als weiteren Grund für den geringen Taxonomieanteil des Fonds nennt die Studie die eingeschränkte Verfügbarkeit von ESG-Daten der Unternehmen. Fondsmanager bräuchten detaillierte Daten zu anteiligen Umsätzen, Investitionsausgaben und Betriebsausgaben mit Blick auf die Nachhaltigkeit. Bei den Umsätzen seien zwar Schätzungen möglich, für die restlichen Angaben sei dies aber nicht möglich. Während in der EU durch die neue EU-Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung (CSRD) diese Lücke geschlossen werden soll, sind ähnliche Daten aus dem Ausland derzeit nicht in Sicht.

„Der Taxonomie-Anteil ist deshalb kein alleiniger Maßstab für die Nachhaltigkeit eines Fonds“, so der BVI. „Vertrieb und Anleger brauchen einen alltagstauglichen Standard für die Auswahl nachhaltiger Fonds. Deshalb arbeiten wir gemeinsam mit unseren Vertriebspartnern an einem Zielmarktkonzept für nachhaltige Finanzanlagen, das sich an den Mifid-II-Kriterien für Nachhaltigkeitspräferenzen und weiteren EU-Vorgaben orientieren wird.“

Die BaFin will mit ihrer geplanten Leitlinie verhindern, dass es bei nachhaltigen Fonds zu Greenwashing kommt, und hatte erklärt, dass auf EU-Ebene Vorgaben für die Portfolien bzw. Anlagebedingungen nachhaltiger Fonds fehlen. Diese Lücke muss in ihren Augen geschlossen werden. Auf Anfrage wollte die BaFin zur gestrigen BVI-Veröffentlichung keine Stellung beziehen.