Ohne das Vertrauen der Anleger geht es nicht
Im Zuge der Finanzkrise ist ein Faktor in den Mittelpunkt geraten, der von vielen Marktteilnehmern lange Jahre unterschätzt, ja als selbstverständlich vorausgesetzt wurde: das Vertrauen der privaten und institutionellen Anleger in die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte. Dieses schwer zu definierende Gut ist jedoch die Basis, auf der Kapitalmärkte überhaupt funktionieren können. Welches Gewicht Vertrauen im Finanzuniversum haben kann, hat die Entwicklung der griechischen Schuldenkrise in den letzten Monaten eindrucksvoll gezeigt: Nur durch das massive Eingreifen der Politik konnte der vollständige finanzielle Kollaps bislang abgewendet werden. Das Land kann sich ohne Hilfe nicht mehr an den Kapitalmärkten finanzieren. Robust und verlässlichAuch wenn die Situation hierzulande nicht mit der griechischen vergleichbar ist, hat gerade der Finanzsektor im Zuge der Finanz- und Staatsschuldenkrise viel Vertrauen eingebüßt. Die Frankfurter Skyline schien in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland gleichsam zum Symbol einer internationalen Finanzindustrie zu werden, die das Wohl der Anleger aus den Augen verloren hat. Dabei hat sich gerade der Frankfurter Finanzplatz mit seinen 220 Banken mit rund 74 000 Mitarbeitern in der Finanzkrise als äußerst robust bewährt und damit seine jahrhundertelange Tradition als stabiler und verlässlicher Handelsplatz fortgesetzt – nicht zuletzt aufgrund der stark ausgeprägten Verankerung im realwirtschaftlichen Sektor. Insbesondere die starke lokale Verankerung von zwei der drei Säulen des deutschen Bankensystems in Frankfurt – der Genossenschaftsbanken und der öffentlich-rechtlichen Institute – wirkt hier immer wieder stabilisierend. Das Fundament dieser beiden Säulen war und ist das kundennahe Geschäft mit Privat- und Geschäftskunden. Die genossenschaftliche Finanzgruppe greift dabei mit knapp 1 200 Volksbanken, Raiffeisenbanken und weiteren Kreditgenossenschaften und über 13 500 Geschäftsstellen auf eines der dichtesten nationalen Netze in Europa zurück. Als zweitgrößte Volksbank in Deutschland hat allein die bereits 1862 gegründete Frankfurter Volksbank heute über 140 Geschäftsstellen. Zurück zu alten TugendenNeben der lokalen Verankerung liegt der genossenschaftlichen Idee schon seit ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert ein Wertesystem zugrunde, das auf Solidarität, Fairness und Verantwortung fußt. Lange Zeit mutete dies gerade in der dynamischen, sich immer schneller entwickelnden Welt der globalen Finanzmärkte verstaubt an. Nun ist zu beobachten, dass die Wertschätzung eines stabilen Wertesystems bei vielen Marktteilnehmern wieder zunimmt – eine Rückkehr und Stärkung der Tugenden des “ehrbaren Kaufmanns”, der verantwortungsvoll und nachhaltig wirtschaftet. Nur über die Stärkung dieser Werte kann das verloren gegangene Vertrauen wieder aufgebaut werden – das gilt auch und gerade für Kapitalanlagegesellschaften. Während institutionelle Investoren heute andere Anforderungen im Sinne von Anlagerichtlinien und -restriktionen stellen, stellt ein Großteil der potenziellen deutschen Privatanleger die Geldanlage über das vermeintlich sichere Sparbuch und Tagesgeldkonto hinaus generell in Frage. Insbesondere bei der Investition in Finanzvehikel mit höherer Renditeerwartung und entsprechendem Risikoprofil spielt Vertrauen in die Verlässlichkeit und Fachkompetenz des Anbieters und des Beraters eine große Rolle.Für die Zukunft der Branche wird es entscheidend sein, dieses Wertesystem in für die Kunden greif- und spürbare Konsequenzen zu übersetzen. Im Hinblick auf das institutionelle Geschäft bedeutet dies beispielsweise, den Umgang mit Risiken in den Vordergrund zu stellen und diese transparent zu managen. Während bei Union Investment als Asset Manager der genossenschaftlichen Finanzgruppe dem Risikomanagement traditionell eine tragende Rolle eingeräumt wird, ist es im Zuge der Finanzkrise branchenweit ebenfalls stärker in den Fokus gerückt. Zudem muss über das individuelle Kundenportfolio hinaus verantwortliches und nachhaltiges Investieren vorangetrieben werden. So sollten beispielsweise die UNPRI (UN Principles for Responsible Investment) zum verbindlichen Standard für die gesamte Branche werden. Die UNPRI umfassen finanzmarktrelevante Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen. Bei der aktiven Einflussnahme auf Unternehmen dienen diese Kriterien als Richtschnur für die Bewertung von Nachhaltigkeit. Aktive Asset Manager haben hiermit die Möglichkeit, im Interesse der Kunden eine nachhaltige Corporate Governance in Unternehmen zu etablieren.Der größte Vertrauensverlust ist im Zuge der Finanzkrise mit Sicherheit bei den Privatanlegern entstanden. Die Gefahr besteht, dass sich viele von den Kapitalmärkten und entsprechenden Anlageprodukten abwenden oder sie gar nicht erst in Betracht ziehen. Dabei darf dieser Sachverhalt nicht als reines Absatzproblem der Branche missverstanden werden: Wenn die Privatanleger einen realen Vermögensverlust erleiden, weil die Renditen der gewählten Anlageformen unter der Geldentwertung liegen, belastet dies langfristig auch das Konsumklima. Wenn außerdem vor dem Hintergrund eines sich bei der Rentenpolitik immer stärker zurückziehenden Staates keine rentierliche und damit ausreichende Altersvorsorge betrieben wird, dann wird Altersarmut für einen Großteil der Bevölkerung bittere Realität sein und das gesamte Gesellschaftsgefüge aus dem Gleichgewicht bringen.Politik und Finanzbranche müssen daher weiter daran arbeiten, den privaten Anlegern diese Zusammenhänge transparent zu machen und Lösungen aufzuzeigen. Ein wichtiger Schritt war vor zehn Jahren die Einführung der geförderten privaten Vorsorge. Inzwischen hat sich die Riester-Rente mit über 15 Millionen Verträgen zu einer der beliebtesten Vorsorgeformen entwickelt. Dabei ist nicht nur als Erfolg zu verbuchen, dass die Menschen in Deutschland über dieses Vehikel wieder animiert werden können, für das Alter vorzusorgen. Die erfolgreiche Entwicklung der Riester-Rente mit Investmentfonds zeigt darüber hinaus, dass deutsche Anleger trotz ihrer Risikoscheu ein chancenreicheres Produkt einem sichereren vorziehen, wenn sie darin einen Nutzen für ihre Vorsorge sehen und sich das Risiko in einem kalkulierbaren Rahmen bewegt. Daher ist es von zentraler Bedeutung für die Altersvorsorge in Deutschland, dass Politik, Finanzindustrie, Verbraucherschützer und Wissenschaft endlich in einen konstruktiven Dialog zur Optimierung der Riester-Rente eintreten, statt sie durch undifferenzierte Kritik zu beschädigen. Weit am Ziel vorbeiIm Sinne der Kunden zu handeln bedeutet allerdings auch, auf Eingriffe von Seiten der Politik zu reagieren. Dies gilt zum Beispiel für das anhaltende Ungleichgewicht durch die Abgeltungsteuer zwischen der Besteuerung von Versicherungslösungen und Fondslösungen mit dem Ziel der Altersvorsorge. Und es gilt insbesondere dann, wenn Regulierungsvorhaben so deutlich am eigentlichen Regulierungsziel vorbeigehen wie die Finanztransaktionssteuer. Sollte sie in der von der EU-Kommission diskutierten Form eingeführt werden, wird sie nicht die Verursacher der Finanzkrise bestrafen, sondern die Sparer. Die Steuer ist so konstruiert, dass sie zu 90 % direkt oder indirekt den einfachen Bürger trifft. Die als “Spekulationssteuer” titulierte Abgabe wäre gleichbedeutend mit einer Steuererhöhung für die Bürger und den Mittelstand. Sie bestraft insbesondere jene Sparer, die langfristig für ihre Altersvorsorge sparen. Die Widersprüchlichkeit dieses Regulierungsvorhabens wird besonders am Beispiel der Riester-Rente deutlich: Während der Staat einerseits das Riester-Sparen mit Zulagen und Steuererleichterungen fördert, würde andererseits die zum Sparen nötige Geldanlage zusätzlich besteuert. So würde ein Anleger, der 40 Jahre lang monatlich 100 Euro in eine fondsbasierte Riester-Rente investiert, durch die Finanztransaktionssteuer bei konservativen Annahmen mit über 14 000 Euro belastet werden.Darüber hinaus würde die Einführung der Finanztransaktionssteuer dem Finanzstandort Deutschland und damit insbesondere Frankfurt schaden. Denn die Politik zwingt damit die Industrie, ihre Geschäfte an jene Finanzplätze zu verlagern, die – wie London – nicht der neuen Steuer unterliegen würden. Eine Regulierungsmaßnahme, die dem System eigentlich Stabilität zurückgeben sollte, würde damit hierzulande einen der wichtigsten Finanzstandorte schwächen. In der Folge würden die Finanzplätze im Geltungsbereich der Steuer Nachteile für ihre Infrastruktur erleiden und damit Arbeitsplätze verlieren. Folgen, die am Ende wieder die Bevölkerung treffen würden – dies kann und sollte nicht im Sinne des Gesetzgebers sein.